Nach der Europameisterschaft
Fußball-EM 2024: Was bleibt für die Host Cities?

Im Sommer fand die Fußball-EM in zehn deutschen Städten statt. Mit großen Erwartungen und Kulturprogrammen starteten die Host Cities. Doch was bleibt? Ist der Glanz der EM verblasst oder zeigt sich ein nachhaltiges Erbe?

Von Matthias Friebe |
Niederländische Fans feiern vor dem Spiel beim Fanwalk zum Stadion.
Die niederländischen Fans sorgten bei der EM in Dortmund für gute Stimmung (picture alliance / dpa / Christoph Reichwein)
Mehr als 100.000 Schotten in München - sie setzten nicht nur den Ton für die EM, sondern sorgten mit ihrer friedlich-ausgelassenen Stimmung für die ersten Bilder des Heim-Turniers, die überall positiv angekommen sind, auch bei Münchens Sportbürgermeisterin Verena Dietl. "Das war dann schon auch schön für eine Bürgermeisterin, beide zusammen auch feiern zu sehen, das war eine richtig gute Stimmung."
"Schottland hätte es perfekt gemacht", ergänzt Martin Sauer. Er war verantwortlich für die EM in der Stadt Dortmund. "Ein Halbfinale Schottland gegen Niederlande hätte die Stadt wahrscheinlich zum Platzen gebracht, aber man kann nicht alles haben." Und auch das, was Dortmund hatte, lässt Martin Sauer sehr zufrieden zurückblicken. Rund 900.000 Menschen besuchten Stadien und Fanzonen in Dortmund während des Turniers, man hatte mit weniger als der Hälfte kalkuliert. "Die Zahlen sind für uns herausragend gut."

Dortmund profitierte von frenetischen türkischen Fans

"Für uns hat natürlich etwas ausgemacht, dass wir diese riesigen Fanwalks hatten, die weltweit übertragen wurden, dass da viele Besucher in die Stadt kamen, die keine Karten hatten." Dortmund profitiert davon, dass die türkische Mannschaft, mit besonders frenetischen Fans, gleich zweimal in Dortmund zu Gast waren.
Einmal spielte das Team auch in Leipzig, dass am Ende des Turniers auch ein positives Fazit zieht. Leipzigs Zoodirektor Jörg Junhold, einer der EM-Botschafter der Stadt freut sich, "dass wir kurz vor der Schallmauer von vier Millionen Übernachtungen in Leipzig sind. Das ist auch etwas, was man messen kann und wo die EM erheblich beigetragen hat."
Vier Millionen Übernachtungsgäste im Jahr 2024 - Hotels und Gaststätten können zufrieden sein mit diesem Jahr. Und da spielt die Fußball-EM auch eine Rolle, wenngleich der exakte Effekt natürlich nicht genau zu ermitteln sein wird. München geht von etwa einer halben Milliarde Euro aus, die in der privaten Wirtschaft eingenommen wurde durch das Turnier.
"Es ist kein Loch in der Stadtkasse, sondern im Gegenteil, es könnte sogar sehr, sehr gut sein", gibt sich auch Dortmunds Martin Sauer sehr zufrieden mit dem finanziellen Output des Turniers.

Turnier als Extremschulung für Sicherheitskräfte

Noch wichtiger und schwerer zu messen aber, sei, was in der Stadt bewegt wurde durch das Turnier. "Wir haben hier sämtliche Sicherheitskräfte mal vier Wochen einer Extremschulung unterzogen. Das hätte uns etliche Jahre und Millionen gekostet, um auch nur annähernd auf so einen Stand zu kommen."
Da wirke die EM wie ein Durchlauferhitzer. Notwendige Überarbeitungen von Konzepten, beispielweise im Transportbereich, seien durch die EM jetzt geschehen. Klar sei aber auch, die großen Versprechungen der Verbände wie UEFA, FIFA und IOC, seien so nicht zu halten. "Jetzt kommt ein Turnier und dann wird alles anders, das würde ich ein bisschen bestreiten. Es ist keine Wende. Wenn man sich schon auf einem schlechten Weg befindet, wird man den nicht wenden durch so ein Turnier. Wenn man sich aber insgesamt auf einem guten Weg befindet, und das hat das Turnier in Dortmund gezeigt, dann kann es das auch befeuern."
Eine der wichtigsten Fragen, die im Vorfeld des Turniers gestellt wurden, nämlich nach der Nachhaltigkeit der EURO, wird von den Städten differenziert beantwortet. Zwar stellen die Verantwortlichen auch hier ihre Erfolge raus, wie Leipzigs Zoodirektor Junhold, wenn er sagt: "Das Thema, dass ich als Botschafter, zu vertreten hatte, Nachhaltigkeit. Da haben wir auch Spuren hinterlassen, wir haben sogar 2.000 Bäume mehr gepflanzt, wir haben insgesamt 10.000 Bäume gepflanzt."
Doch gepflanzte Bäume allein helfen natürlich nicht. Martin Sauer aus Dortmund gesteht der UEFA als Veranstalter zwar zu, etliche Erfolge im Vergleich zu früheren Turnieren für sich zu reklamieren. Dennoch sagt er kritisch, beim Thema Kompensation für den CO2-Ausstoß sei immer noch keine Einigkeit da. Da müsse man in der Zukunft schon vor Turnieren Lösungen finden.
"Da wäre eigentlich die Bundesregierung, vielleicht im Zusammenspiel später sogar mit der EU gefragt, da Richtlinien und Lösungen zu finden, die machbar sind und man muss auch sagen, wenn man auf die Einnahmenseite der UEFA guckt, durchaus auch bezahlbar sind. Das wäre nicht unmöglich für die UEFA, noch mit einem Gewinn rauszugehen und trotzdem nachhaltig zu handeln."

EM hat Zusammengehörigkeitsgefühl erhöht

Die Reisetätigkeit der Clubs konnte auch durch UEFA-Maßnahmen zwar verringert werden. Die Bewegungen der Fans aber können nicht ausgeglichen werden - und von denen waren es viele in Deutschland. Was die Städte auf der anderen Seite natürlich freut.
Begegnungen zu ermöglichen, für Münchens Sportbürgermeisterin Verena Dietl auch immer ein Ziel: "Deshalb bin ich sehr froh, dass wir auch eine Fanzone haben und dass sie so gut angenommen wurden, dass wir im Sommer das Olympiastadion noch einmal geöffnet haben, um hier Public Viewing zur Verfügung zu stellen." Die EM sei ein glänzendes Beispiel dafür, wie man Menschen im Sport zusammenbringen kann, so Dietl.
Das bestätigen auch die anderen sogenannten Host Cities, Martin Sauer von der Stadt Dortmund belegt dies dann auch mit Studien. "Aus den Studien, die wir haben, lässt sich das durchaus verifizieren, dass sich das Zusammengehörigkeitsgefühl erhöht hat, also dass die Menschen stolzer sind auf ihre Stadt. Nicht, dass sie vorher nicht stolz waren, aber in einem Maße, dass das messbar ist."
Dazu trägt natürlich vor allem das Image bei, für die Gastgeberstädte ist der Gewinn an Bekanntheit und Beliebtheit am Ende vielleicht der wichtigste Effekt eines solchen Großereignisses. Laut UEFA-Studien protifierten bei der EM vor allem Leipzig und Dortmund. Und das trotz der Wetter-Kapriolen, die Schlagzeilen machten in Dortmund.
Erst bei Türkei gegen Georgien, dann beim Achtelfinale Deutschland gegen Dänemark fällt das Wasser in Sturzbächen vom Dach, die Bilder gehen viral. Wegen Gewittergefahr muss das Achtelfinale sogar unterbrochen werden, das gab es in der EM-Geschichte vorher auch nicht. "Das war nicht positiv in den Stunden, wo es passiert ist, aber das hat sicherlich zur Medienbreite in Dortmund beigetragen."

EM als Probelauf für Olympische Spiele?

Und das behutsame und erfolgreiche Vorgehen der Behörden zahle dann noch einmal ein auf die Marke, sagt Sauer. Einen noch größeren Beliebtheits-Zugewinn bescheinigt die UEFA Leipzig. "Wir sind sehr gelobt worden für unsere Organisation", ist EM-Botschafter Junhold auch am Ende des Jahres immer noch sehr zufrieden. "Ich glaube auch, dass wir einen großen Fußabdruck auf der Landkarte hinterlassen haben und diejenigen, die bei uns waren, positiv über die Stadt reden werden."
Das verbindet Junhold auch mit größeren Träumen für die Zukunft: "Anfragen aus dem Sportbereich haben wir viele und ich glaube, da traut man uns an Organisation alles zu." Alles heißt in dem Fall auch das Rennen um eine deutsche Olympiabewerbung, die der DOSB anstrebt. "Da hoffe ich, dass das nicht ohne Leipzig stattfinden wird."
"München hat nie ein Geheimnis draus gemacht", eröffnet Sportbürgermeisterin Verena Dietl quasi den olympischen Wahlkampf, auch sie sieht ihre Stadt durch die EM, aber auch durch andere Großereignisse wie NFL-Spiele oder die European Championships vor zwei Jahren gut vorbereitet. Die Fußball-EM in Deutschland, der Vorgeschmack auf mehr? Auf jeden Fall für Leipzigs EM-Botschafter Jörg Junhold: "Ein großartiges Ereignis, wenn sie so wollen, ein Geschenk fürs Image in der Zukunft."