Manfred Götzke: Und selbst wenn sie es könnten: Viele Studenten wollen nicht so viel Geld für die Miete ausgeben und wohnen lieber im Hotel Mama. Das hat ja auch ein paar andere Vorzüge wie voller Kühlschrank und gebügelte Hemden. Wohnen bei den Eltern wird immer beliebter. Während vor 30 Jahren die meisten jungen Leute nach der Schule ausgezogen sind, wohnen heute zwei Drittel der 18- bis 24-Jährigen noch bei ihren Eltern. Diese Zahl hat das Statistische Bundesamt jetzt veröffentlicht. Auch unter Studierenden wohnen 25 Prozent im Hotel Mama. Die Sozialpsychologin Christiane Papastefanou ist Expertin fürs Ausziehen, sie hat vor ein paar Jahren das Buch "Auszug aus dem Elternhaus" geschrieben. Frau Papastefanou, warum werden junge Leute immer später flügge?
Christiane Papastefanou: Ja, das hat mehrere Gründe. Natürlich ist einer der Hauptgründe, dass die Studiengänge halt jetzt auch immer länger sind, die meisten machen ja doch einen Master, das sind überwiegend auch Leute aus dem oberen, höheren Bildungsniveau, und natürlich auch in anderen Bereichen ist es so, dass junge Leute jetzt relativ spät erst feste Arbeitsverhältnisse bekommen. Und das ist manchmal einfach auch eine finanzielle Not, also das ist nicht unbedingt immer nur dieser Stereotyp vom jungen Sohn, der sich da von vorne bis hinten verwöhnen lässt, das muss man schon etwas differenzierter betrachten.
Götzke: Also es ist tatsächlich ein materielles Problem, das es so in den Siebzigern nicht gab?
Papastefanou: Sicherlich sind da auch die Ansprüche etwas gestiegen, aber zumindest haben in den 70er-Jahren doch mehr Leute noch eine Arbeit bekommen und es gab nicht diese nur Mini-Jobs und Befristungen, wie es heute üblich ist. Also ich denke, da hat sich auf jeden Fall was verändert.
Götzke: Damals war ja die Devise: möglichst schnell weg aus dem Elternhaus. Das spielt ja heute … Das scheint für junge Leute kein Problem mehr zu sein. Woran liegt das?
Papastefanou: Weil das Verhältnis eigentlich oft eben besser ist, eben auch gerade in diesen Milieus, dass die Eltern und die Kinder eher so ein liberales Verhältnis haben und die Kinder auch nicht groß eingeschränkt oder kontrolliert werden. Also das ist einfach nicht mehr so dieser Generationenkonflikt, wie es den in den 70er-Jahren gab.
Götzke: Also die Mutter als beste Freundin quasi.
Papastefanou: Das finde ich jetzt auch wieder übertrieben, aber … Das würde ich jetzt nicht unterstützen wollen, aber natürlich ist nicht mehr so der Grund auszuziehen. Also die jungen Erwachsenen bei uns in den Interviews haben dann gesagt: Mich hält zu Hause, dass mich nichts forttreibt. Das sagt doch schon alles.
Götzke: Das ist der Hauptgrund unter denen, die Sie befragt haben in Ihrer Forschung?
Papastefanou: Das ist so ungefähr eine Drittel-Drittel-Regelung gewesen, also mindestens ein Drittel, die äußere Gründe hatten, jetzt zum Beispiel auch von Alleinerziehenden, die sich jetzt eine Ausbildung gar nicht anders finanzieren konnten, ein Drittel ist sicherlich so dieser Stereotyp, die könnten eigentlich, also die sind freiwillig zu Hause, und dann auch welche, die einfach … wo es finanziell eben nicht anders möglich ist, die darauf angewiesen sind, dass die Eltern das finanzieren.
Götzke: Und dann sind die Zeiten der Rebellion gegen das Elternhaus einfach vorbei?
Papastefanou: Genau, das ist heute eben einfach nicht mehr so ein Thema. Man versteht sich gut, man stört sich nicht groß gegenseitig, das ist wie so eine große WG. Die Eltern halten ja zum Teil auch daran fest. Manchmal, wenn man mehrere Kinder hat, dann haben die Eltern gesagt, ja gut, für den ersten können wir noch eine Bude, eine Studentenbude finanzieren, der zweite bleibt zu Hause, der kriegt dafür ein Auto und kann pendeln.
Götzke: Sie haben es ja schon ein bisschen angedeutet: Wie hat sich das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, also gerade jungen Erwachsenen verändert in den letzten Jahren, Jahrzehnten?
Papastefanou: Ja gut, dadurch, dass das Erziehungsverhalten halt nicht mehr so autoritär ist, haben die Kinder halt sehr viele Freiheiten zu Hause. Auch die Freunde sind dann schon teilweise gehen da ein und aus, und das genießen glaube ich auch die Eltern, wenn das jetzt nicht irgendwie überhand nimmt. Das ist eigentlich so etwas, was für beide Seiten dann auch Vorteile hat. Dass die Mütter irgendwann vielleicht genervt sind, wenn der Sohn gar nichts macht, das kommt natürlich auch vor. Aber es gibt … Also bei uns in der Befragung gab es auch junge Erwachsene, die durchaus schon sehr selbstständig waren und ihr Leben soweit gut geregelt hatten.
Götzke: Das heißt, die jungen Erwachsenen werden nicht auch später selbstständig, wenn sie länger zu Hause wohnen?
Papastefanou: Es gibt schon diese eine Gruppe da, dieses Drittel dieser wirklich klassischen Nesthocker, bei denen ist das schon so eine Entwicklung, die tatsächlich sich so ein bisschen fortsetzt, aber auch schon früher angefangen hat, also die auch schon während der Kindheit, Jugendzeit eben unselbstständiger waren. Da ist so eine generelle Entwicklungsverzögerung. Das gilt aber eben nur für einen Teil.
Götzke: Gibt es so einen Zeitpunkt, ein Alter, wo Sie sagen würden: Also jetzt wird es aber wirklich mal Zeit?
Papastefanou: So lange die Leute in der Ausbildung sind, ist es ja manchmal wirklich etwas schwierig, aber spätestens, wenn man eigentlich dann die Möglichkeit hätte, sich auch selber zu unterhalten, sollte man schon die Kurve kriegen. Und das ist natürlich auch sehr unterschiedlich, ob man jetzt eine Ausbildung oder ein Studium macht. Spätestens dann.
Götzke: Wann sind Sie zu Hause ausgezogen?
Papastefanou: Oh, mit 20 glaube ich.
Götzke: Damals war das wohl der Klassiker.
Papastefanou: Genau.
Götzke: Vielen Dank für das Gespräch!
Papastefanou: Ja, Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Christiane Papastefanou: Ja, das hat mehrere Gründe. Natürlich ist einer der Hauptgründe, dass die Studiengänge halt jetzt auch immer länger sind, die meisten machen ja doch einen Master, das sind überwiegend auch Leute aus dem oberen, höheren Bildungsniveau, und natürlich auch in anderen Bereichen ist es so, dass junge Leute jetzt relativ spät erst feste Arbeitsverhältnisse bekommen. Und das ist manchmal einfach auch eine finanzielle Not, also das ist nicht unbedingt immer nur dieser Stereotyp vom jungen Sohn, der sich da von vorne bis hinten verwöhnen lässt, das muss man schon etwas differenzierter betrachten.
Götzke: Also es ist tatsächlich ein materielles Problem, das es so in den Siebzigern nicht gab?
Papastefanou: Sicherlich sind da auch die Ansprüche etwas gestiegen, aber zumindest haben in den 70er-Jahren doch mehr Leute noch eine Arbeit bekommen und es gab nicht diese nur Mini-Jobs und Befristungen, wie es heute üblich ist. Also ich denke, da hat sich auf jeden Fall was verändert.
Götzke: Damals war ja die Devise: möglichst schnell weg aus dem Elternhaus. Das spielt ja heute … Das scheint für junge Leute kein Problem mehr zu sein. Woran liegt das?
Papastefanou: Weil das Verhältnis eigentlich oft eben besser ist, eben auch gerade in diesen Milieus, dass die Eltern und die Kinder eher so ein liberales Verhältnis haben und die Kinder auch nicht groß eingeschränkt oder kontrolliert werden. Also das ist einfach nicht mehr so dieser Generationenkonflikt, wie es den in den 70er-Jahren gab.
Götzke: Also die Mutter als beste Freundin quasi.
Papastefanou: Das finde ich jetzt auch wieder übertrieben, aber … Das würde ich jetzt nicht unterstützen wollen, aber natürlich ist nicht mehr so der Grund auszuziehen. Also die jungen Erwachsenen bei uns in den Interviews haben dann gesagt: Mich hält zu Hause, dass mich nichts forttreibt. Das sagt doch schon alles.
Götzke: Das ist der Hauptgrund unter denen, die Sie befragt haben in Ihrer Forschung?
Papastefanou: Das ist so ungefähr eine Drittel-Drittel-Regelung gewesen, also mindestens ein Drittel, die äußere Gründe hatten, jetzt zum Beispiel auch von Alleinerziehenden, die sich jetzt eine Ausbildung gar nicht anders finanzieren konnten, ein Drittel ist sicherlich so dieser Stereotyp, die könnten eigentlich, also die sind freiwillig zu Hause, und dann auch welche, die einfach … wo es finanziell eben nicht anders möglich ist, die darauf angewiesen sind, dass die Eltern das finanzieren.
Götzke: Und dann sind die Zeiten der Rebellion gegen das Elternhaus einfach vorbei?
Papastefanou: Genau, das ist heute eben einfach nicht mehr so ein Thema. Man versteht sich gut, man stört sich nicht groß gegenseitig, das ist wie so eine große WG. Die Eltern halten ja zum Teil auch daran fest. Manchmal, wenn man mehrere Kinder hat, dann haben die Eltern gesagt, ja gut, für den ersten können wir noch eine Bude, eine Studentenbude finanzieren, der zweite bleibt zu Hause, der kriegt dafür ein Auto und kann pendeln.
Götzke: Sie haben es ja schon ein bisschen angedeutet: Wie hat sich das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, also gerade jungen Erwachsenen verändert in den letzten Jahren, Jahrzehnten?
Papastefanou: Ja gut, dadurch, dass das Erziehungsverhalten halt nicht mehr so autoritär ist, haben die Kinder halt sehr viele Freiheiten zu Hause. Auch die Freunde sind dann schon teilweise gehen da ein und aus, und das genießen glaube ich auch die Eltern, wenn das jetzt nicht irgendwie überhand nimmt. Das ist eigentlich so etwas, was für beide Seiten dann auch Vorteile hat. Dass die Mütter irgendwann vielleicht genervt sind, wenn der Sohn gar nichts macht, das kommt natürlich auch vor. Aber es gibt … Also bei uns in der Befragung gab es auch junge Erwachsene, die durchaus schon sehr selbstständig waren und ihr Leben soweit gut geregelt hatten.
Götzke: Das heißt, die jungen Erwachsenen werden nicht auch später selbstständig, wenn sie länger zu Hause wohnen?
Papastefanou: Es gibt schon diese eine Gruppe da, dieses Drittel dieser wirklich klassischen Nesthocker, bei denen ist das schon so eine Entwicklung, die tatsächlich sich so ein bisschen fortsetzt, aber auch schon früher angefangen hat, also die auch schon während der Kindheit, Jugendzeit eben unselbstständiger waren. Da ist so eine generelle Entwicklungsverzögerung. Das gilt aber eben nur für einen Teil.
Götzke: Gibt es so einen Zeitpunkt, ein Alter, wo Sie sagen würden: Also jetzt wird es aber wirklich mal Zeit?
Papastefanou: So lange die Leute in der Ausbildung sind, ist es ja manchmal wirklich etwas schwierig, aber spätestens, wenn man eigentlich dann die Möglichkeit hätte, sich auch selber zu unterhalten, sollte man schon die Kurve kriegen. Und das ist natürlich auch sehr unterschiedlich, ob man jetzt eine Ausbildung oder ein Studium macht. Spätestens dann.
Götzke: Wann sind Sie zu Hause ausgezogen?
Papastefanou: Oh, mit 20 glaube ich.
Götzke: Damals war das wohl der Klassiker.
Papastefanou: Genau.
Götzke: Vielen Dank für das Gespräch!
Papastefanou: Ja, Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.