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Hotellerie "muss den ermäßigten Mehrwertsteuersatz haben"

Hans-Peter Friedrich hat die Mehrwertsteuerermäßigung für das Hotelgewerbe verteidigt. Die Touristikbranche mit ihren zahlreichen Arbeitsplätzen befinde sich im internationalen Wettbewerb - daher sei eine niedrigere Mehrwertsteuer gerechtfertigt.

Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Meurer: Sie sind, Herr Friedrich, seit acht Wochen etwa der neue Vorsitzende der CSU-Landesgruppe. Die Landesgruppe der CSU-Bundestagsabgeordneten bildet ja mit der CDU zusammen die Fraktionsgemeinschaft CDU/CSU. Wer von Ihren Vorgängern, Herr Friedrich, von Franz-Josef Strauß angefangen über Theo Waigel oder Michael Glos – wer hat Sie besonders geprägt oder wen sehen Sie als Ihr Vorbild an?

    Friedrich: Also, Sie haben die beiden Namen schon in besonderer Weise genannt. Franz-Josef Strauß ist natürlich – ich sag mal – der "Übervater" der CSU. Er war auch derjenige, der mich in den 70er-Jahren veranlasst hat, dieser Partei beizutreten. Aber mein – ich sag mal – politischer Ziehvater ist der Landesgruppenvorsitzende, der das 13 Jahre gemacht hat, Michael Glos. Ich habe für ihn – in Bonn damals noch – gearbeitet als persönlicher Referent, als Redenschreiber, auch mal eine Zeit lang als Pressesprecher. Und diese Zeit bei Michael Glos hat mich doch sehr stark geprägt, und obwohl ich immer ein politischer Mensch war, auch mit dieser Frage der Bundespolitik und den ganz praktischen Fragen in Verbindung gebracht. Deswegen verdanke ich ihm sehr viel in diesem Zusammenhang.

    Meurer: Gegenüber früher unter Franz-Josef Strauß oder Michael Glos in den 90er-Jahren: Ist der Einfluss der Landesgruppe in der Unionsfraktion geringer geworden?

    Friedrich: Also der Einfluss der Landesgruppe war, glaube ich, zu allen Zeiten relativ stark, weil wir eine Vereinbarung haben mit der CDU, die immer erneuert wird von Wahlperiode zu Wahlperiode, die uns im Grunde als CSU-Landesgruppe den Status einer Fraktion in der Fraktion sichert. Das ist sehr gut, weil das so eine gewisse auch inhaltliche Unabhängigkeit, auch thematisch, sichert. Aber natürlich hängt die jeweilige Stärke der CSU-Landesgruppe auch von der Koalitionskonstellation ab beziehungsweise von der Frage, ob man in der Opposition ist oder in der Regierung. Und da haben wir ja momentan, glaube ich, eine sehr gute Ausgangslage.

    Meurer: In den Porträts werden Sie, Herr Friedrich, wie man lesen konnte, als "Ordnungspolitiker" beschrieben, andere würden vielleicht sagen, Sie sind ein Neoliberaler. Geraten Sie da auch schon mal in Konflikt mit dem Ministerpräsidenten in München, Herrn Seehofer?

    Friedrich: Nein. Also die CSU ist ja als Volkspartei eine Partei, die ein unglaublich breites Spektrum abdeckt. Aber wenn Sie einen Menschen irgendwo in Bayern fragen würden, ob ihr Abgeordneter – ihr Bundestagsabgeordneter, ihr Landtagsabgeordneter – mehr dem linken Flügel oder mehr dem rechten Flügel zuzuordnen ist, dann wird der Sie anschauen und wird die Frage gar nicht verstehen, denn wir CSU-Abgeordneten sind eigentlich alle daran gewöhnt, sozusagen für die Volkspartei CSU alle Gruppen der Bevölkerung gleichermaßen zu vertreten. Und ich bin überzeugt: Wenn Sie in meinen Wahlkreis gehen, dann würde keiner sagen, obwohl man weiß, dass ich Wirtschaftspolitiker bin, dass ich sozusagen dem wirtschaftsliberalen Flügel angehöre. Und ich gehe zu jeder Veranstaltung, ob das Gewerkschaften sind – ich bin auch Mitglied der christlich sozialen Arbeitnehmerschaft. Also, jeder CSU-Abgeordnete vertritt das ganze Wahlvolk in seinem Wahlkreis, und darauf sind wir auch stolz.

    Meurer: Ob links oder rechts: Kann ein Wirtschaftspolitiker wie Sie, Herr Friedrich, wirklich dafür sein, eine Berufsgruppe gesondert zu bevorzugen, nämlich die Hoteliers, für die seit vorgestern ja der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gilt?

    Friedrich: Ich glaube, das ist eine etwas verzerrte Sicht der Dinge. Im Grunde haben wir ein Mehrwertsteuerrecht, das sehr unsystematisch wirkt für den Betrachter ...

    Meurer: ... und jetzt noch unsystematischer wird ...

    Friedrich: ... und es wahrscheinlich auch ist. Wir haben da Tatbestände, die mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert werden, manche mit dem vollen. Eine richtige Systematik ist nicht erkennbar. Und seit Langem gibt es Bestrebungen, zu sagen: Lasst uns doch mal alles in einen Topf werfen und sozusagen nach objektiven Kriterien, die man vorher entwickeln müsste, das noch mal auseinander fieseln, ohne dass jetzt die Belastung insgesamt steigt, aber doch das neu zuordnen. Diesen Kraftakt hat bisher keine Regierung geschafft, weil man natürlich für einen solchen Kraftakt auch ein erhebliches Entlastungspotenzial braucht. Und das ist nicht unbedingt in den Wahlperioden der letzten Jahre und auch diesmal erkennbar.

    Meurer: Das heißt, haben Sie diesen Kraftakt jetzt vor, da mal richtig alles zu durchforsten?

    Friedrich: Wir haben uns das vorgenommen, im Grunde eine solche große Revision vorzunehmen. Aber ob das gelingen wird in dieser Wahlperiode, das weiß ich nicht. Wichtig war aber, zumindest schon mal zu sagen: Wo brennt es denn am allermeisten, oder welches Kriterium könnte denn ausschlaggebend sein? Und bestimmt ein Punkt ist, zu sagen: Da, wo Wertschöpfung in besonderer Weise, also verbunden mit vielen Arbeitsplätzen in Deutschland stattfindet, da machen wir den ermäßigten Mehrwertsteuersatz, da wo man international im Wettbewerb ist, da machen wir den ermäßigten Steuersatz, und dann kommt man ganz schnell in den touristischen Bereich auf die Gastronomie, Hotellerie. Und so kam es zustande, dass man gesagt hat: Dieser Bereich muss den ermäßigten Mehrwertsteuersatz haben. Und er wird dazu führen, dass insbesondere in dem mittelständischen Gewerbe, das wir im ländlichen Raum haben, auch Investitionen – da gibt es einen gewissen Investitionsstau bei den Hotels – Investitionen stattfinden.

    Meurer: Das heißt, Sie sehen es den Hoteliers nach, dass sie nicht die Übernachtungspreise senken?

    Friedrich: Also, das wird für den Einzelnen eine unternehmerische Entscheidung sein. Diejenigen, die die Übernachtungspreise nicht senken, aber – sagen wir mal – an Geschäftsleute vermieten, werden sich das gut überlegen müssen. Denn Geschäftsleute können ja künftig nur noch sieben Prozent als Vorsteuer absetzen, und die werden natürlich sofort drauf drängen, dass sich das auf den Hotelpreis, auf den Übernachtungspreis, niederschlägt und man absenkt. Bei anderen wird es wiederum so sein, dass man sich an den Preis gewöhnt hat und froh ist, wenn der Hotelier investieren kann und modernisieren kann. Also, das ist eine unternehmerische Entscheidung im Einzelnen.

    Meurer: Das Interview im Deutschlandfunk mit Hans-Peter Friedrich, dem Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Herr Friedrich, am Mittwoch beginnt ja Ihre Klausurtagung in Wildbad Kreuth. Ein Thema dort wird sein die soziale Marktwirtschaft. Jetzt hat nach Weihnachten die Bertelsmann-Stiftung eine Studie veröffentlicht, und danach haben 70 Prozent der Deutschen kaum noch Vertrauen in die Entscheidungsträger von Politik und Wirtschaft, also mehr als zwei Drittel. Woher kommt dieser dramatische Vertrauensverlust?

    Friedrich: Also ich gebe Ihnen völlig recht. Das ist eine dramatische Situation, wenn man zugrunde legen mag, dass diese Zahlen auch richtig sind, es kommt natürlich immer ein bisschen auf die Fragestellung an. Aber ich glaube, wir spüren auch als Politiker, wenn wir im Lande unterwegs sind, dass dieses Misstrauen wächst. Und ich glaube, dass das Misstrauen in die Eliten daher kommt, dass wir doch immer mehr hören von Missbrauch, von Exzessen, nehmen Sie exzessive Abfindungen im Managerbereich, vom Mitnehmen, was man kriegen kann, vom Raffen, was man kriegen kann. Und all diese wenigen Einzelfälle verderben das Image eines ganzen Berufsstandes – der Manager, der Politiker, da können Sie nehmen, was Sie wollen. Sie haben überall "schwarze Schafe", keine Frage. Und wenn diese schwarzen Schafe sozusagen exemplarisch dann auch dargestellt werden für die ganze Berufsgruppe, dann haben Sie auch eine ungerechte Beurteilung der Berufsgruppe. Ich glaube, dass die allermeisten Unternehmer und auch Manager ordentlich arbeiten, dass sie mit Anstand und Verantwortung ihrer Berufstätigkeit nachgehen. Aber ganz wenige Exzesse prägen dann dieses Bild.

    Meurer: Die Wahrnehmung, Herr Friedrich, scheint eine andere zu sein, dass nämlich viele glauben, die soziale Marktwirtschaft ist zum Raubtierkapitalismus verkommen.

    Friedrich: Also ich glaube, dass hier eine Wahrnehmung stattfindet, die uns dringend auch als Politiker auf den Plan rufen muss, sicher auch die Medien, sicher auch die Gesellschaft insgesamt, sich über die Grundlagen und die Grundzüge der sozialen Marktwirtschaft überhaupt Gedanken zu machen. Was heißt soziale Marktwirtschaft? Soziale Marktwirtschaft ist eine freiheitliche Ordnung, die jedem – dem Verbraucher, dem Arbeitnehmer – die Möglichkeit gibt, in einem Freiraum selber zu entscheiden. Im Gegenteil zur Planwirtschaft, wo eben das angeboten wird, was der Plan beschlossen hat, und alles andere gibt es nicht, kann der Verbraucher in der sozialen Marktwirtschaft frei entscheiden. Und ohne eine freiheitliche Wirtschaft gibt es auch auf Dauer keine Demokratie und keine freiheitliche Gesellschaft.

    Meurer: Wie wollen Sie denn den Menschen klarmachen, dass die soziale Marktwirtschaft auch wirklich diejenige Wirtschaftsform ist, die allen zugute kommt?

    Friedrich: Also ich glaube, da muss man sehr breit ansetzen. Da werden all diejenigen gefragt sein, die als Multiplikatoren, die als Lehrer in den Schulen, die auch als Wirtschaftsmanager, auch als Unternehmer tätig sind, die dazu beitragen müssen, diese Idee der sozialen Marktwirtschaft, die einen beispiellosen Wohlstand über unser Land, aber auch eine soziale Ausprägung dieser Bundesrepublik Deutschland gebracht hat wie in keinem anderen Land der Welt, dass diese soziale Marktwirtschaft unsere ganze Unterstützung braucht – aber dass es in dieser sozialen Marktwirtschaft natürlich auch Regeln geben muss. Und jeder, der versucht, diese Regeln auszuhebeln, der versucht, diese Regeln zu beseitigen, versündigt sich an der sozialen Marktwirtschaft und muss in seine Schranken gewiesen werden.

    Meurer: Als ungerecht wird von vielen empfunden, dass die Banken jetzt schon wieder millionenschwere Boni an Mitarbeiter auszahlen, obwohl der Staat gerade erst die Banken mit viel Geld gerettet hat. Jetzt hat der wissenschaftliche Dienst des Bundestages eine Expertise vorgelegt, wonach der Gesetzgeber unter bestimmten Bedingungen doch die Boni für Banker mit einer Sondersteuer belegen kann. Dafür hat ja die Kanzlerin Sympathie gezeigt für diese Idee. Was schlagen Sie jetzt vor?

    Friedrich: Also, man muss zunächst mal sehen, dass allein der Begriff "Bonus" noch nichts Negatives ist und auch nicht ungerechtfertigt ist. Es gibt viele Menschen, die haben ein ganz niedriges Grundgehalt und bekommen im Grunde nur aufgrund ihres Erfolges, den sie jeweils im jeweiligen Jahr erzielen, einen Bonus. So ist das geregelt, und der Bonus ist eigentlich ein ganz normaler Einkommensbestandteil, aber eben variabel. Was wir erleben und vor allem auch im Bankwesen erlebt haben, sind auch wiederum Exzesse, nämlich dass sozusagen windfall profits – Profite, die zufällig mal in einem Jahr kurzfristig entstehen – dazu führen, dass sich Menschen Millionen und Abermillionen von Bonuszahlungen in die Tasche stecken. Und ich verstehe natürlich, dass viele sagen: Das kann doch nicht sein, dass der Steuerzahler mit einem Schutzschirm, der Staat mit einer Bürgschaft die Banken und das Bankenwesen rettet, anschließend sozusagen Profite anfallen durch diese Rettungsaktion, die dazu führen, dass wieder Riesenboni ausgezahlt werden, ohne dass die Manager jetzt eine besondere Leistung dafür erbracht haben. Insofern verstehe ich die Forderung, zu sagen: Das kann nicht wahr sein – und teile sie auch. Allerdings gebe ich auch zu, dass wir eine gewisse Schwierigkeit haben, zwischen den ungerechtfertigten Boni und den sozusagen zufällig durch die Krise angefallenen windfall profits zu ziehen. Da werden wir sicher noch ein bisschen diskutieren müssen. Grundsätzlich gebe ich zu, dass ich ein vorübergehendes Abschöpfen des einen oder anderen ungerechtfertigten Profits in dieser Frage durchaus sympathisch gegenüberstehe.

    Meurer: Es wird ja immer eingewendet, oder das Argument gegen die Boni-Steuer war bisher, wenn, dann muss man alle Boni in allen Branchen besteuern. Haben Sie eine Idee, wie man diesen Einwand umgehen kann?

    Friedrich: Nein. Diese Bonus-Steuer halte ich für systematisch auch falsch. Wir können nicht unser Steuerrecht, das ohnehin ja schon kompliziert und schwierig genug ist, noch mit einer sozusagen auf eine bestimmte Berufsbranche, vielleicht noch mit zig Ausnahmen orientierte Steuer erweitern. Wenn, dann müsste man über eine Sonderabgabe für den Zeitraum der Krise reden, aber nur in den Fällen, in denen sozusagen nachweislich Profite entstanden sind, die nicht entstanden wären, wenn der Steuerzahler, der Staat mit seinem Schutzschirm nicht eingegriffen hätte. Wie gesagt, dafür Kriterien zu entwickeln, das ist der Schweiß der Edlen wert. Ich kann sie nicht aus dem Ärmel schütteln.

    Meurer: In den Strudel der Finanzkrise ist auch die Bayerische Landesbank gerissen worden, und das Investment bei der Hypo Alpe Adria kostet den bayerischen Staat, Herr Friedrich, 3,7 Milliarden Euro. Ruiniert das die wirtschaftspolitische, finanzpolitische Glaubwürdigkeit der CSU?

    Friedrich: Also, was das den bayerischen Staat am Schluss kostet, das steht ja gar nicht fest, denn die Landesbank ist ein Unternehmen, an dem der bayerische Freistaat beteiligt ist. Dieses Unternehmen hat immer gute Gewinne gemacht und hat diese Gewinne auch zum Teil ausgeschüttet an den Staatshaushalt. Und jetzt ist eben eine Situation eingetreten, dass enorme Verluste da sind. Das heißt, es gibt zunächst keine Ausschüttungen an den Staatshaushalt. Aber es gibt noch nicht sozusagen die Pflicht, aus dem Staatshaushalt jetzt als Eigentümer dieser Landesbank nachzuschießen. Das wäre sicher eine schlechte Entwicklung, insbesondere für den Finanzminister, der dann keine Spielräume hat. Was lehrt uns die ganze Geschichte? Die ganze Geschichte zeigt uns, dass es ein Fehler ist, zu glauben, dass Politiker schlauer wären als Banker und mehr Ahnung hätten vom Bankgeschäft als die Banker selber. Letzten Endes mussten sich alle, die in diesen Verwaltungsräten sitzen, verlassen auf das Expertenwissen der Banker, die da vor Ort gehandelt haben, nicht mehr und nicht weniger. Und die Frage ist natürlich: Muss der Staat, muss die Politik eigentlich in einem solchen Unternehmen sein? Die Antwort ist Nein. Und insofern ist das, was wir bei den Landesbanken beobachten, ein Plädoyer von weniger Staatswirtschaft und mehr freier sozialer Marktwirtschaft auch in dieser Frage: Wäre die Landesbank ein Privatunternehmen gewesen, wäre auch der bayerische Staatshaushalt in keiner Form und irgendwo in der Verpflichtung.

    Meurer: Aber in der Vergangenheit war es ja eben anders gewesen. Geht jetzt ein Riss durch Ihre Partei, die CSU, zwischen auf der einen Seite die Aufklärer um Seehofer und auf der anderen Seite diejenigen, die in der Vergangenheit Verantwortung getragen haben wie zum Beispiel Edmund Stoiber?

    Friedrich: Also, man muss da mal die Kirche im Dorf lassen. Zunächst einmal: Jedes Unternehmen, und das ist bei einer Landesbank nicht anders, das hohe Verluste einfährt, das in ein schwieriges Fahrwasser kommt, wird natürlich Untersuchungen einleiten und fragen, woran hat es gelegen? Gab es vielleicht irgendwo Verschulden? Das ist, glaube ich, ein ganz, ganz normaler Vorgang. Ich bin überzeugt, dass sich am Ende herausstellen wird, dass keiner der Politiker, die im Verwaltungsrat saßen, ein Verschulden in dem Sinne hatten, dass sie bewusst irgend etwas falsch entschieden hätten, sondern man wird feststellen, dass es da eben Fehleinschätzungen auf der operativen Ebene gab, die man so nicht gesehen hat. Was die Leistung der Politiker, die dort in diesem Verwaltungsrat saßen – oft gar nicht in Person, sondern Beamte da hingeschickt haben – was die Leistung dieser Politiker im politischen Bereich angeht, so ist, glaube ich, diese Leistung unbestritten. Edmund Stoiber hat hohe Verdienste für den Freistaat Bayern. Edmund Stoiber hat als Ministerpräsident zu einer Zeit die Regierung, das Ministerpräsidentenamt, übernommen, wo Bayern noch Nettoempfänger beim Länderfinanzausgleich war. Und Bayern steht heute gut da. Bayern ist nach Untersuchungen der jüngsten Zeit das wirtschaftsliberalste Land in Deutschland und damit auch das Land mit den meisten Investitionen.

    Meurer: Um so schlimmer, wenn das jetzt anders werden sollte und wenn das jetzt erhebliche Löcher in den Haushalt haut. Wie gereizt ist die Stimmung in der CSU-Landesgruppe jetzt vor der Klausur am Mittwoch?

    Friedrich: Also in der CSU-Landesgruppe ist die Stimmung überhaupt nicht gereizt. Aber die Stimmung ist natürlich möglicherweise nicht besonders gut beim bayerischen Finanzminister, der weiß, dass er jetzt mit Gewinnen aus der Landesbank auf absehbare Zeit nicht rechnen kann und vielleicht sogar noch weitere Risiken sieht, wie er das auch schon geäußert hat. Aber in der Landesgruppe ist die Stimmung nicht gereizt. Wir sind entschlossen, unsere Aufgabe, nämlich Bundespolitik mitzugestalten, wie das seit Franz-Josef Strauß der Fall war, dass wir diese Aufgabe konsequent und mit großer Kraft und großer Energie angehen wollen. Wir werden dazu in Kreuth in der kommenden Woche auch einige Akzente setzen. Und ich denke, dass das auch die Koalitionsarbeit im Jahr 2010 bestimmen wird.

    Meurer: Hans-Peter Friedrich, Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschlandfunk. Zu den Herausforderungen der Koalition in Berlin zählt ja auch der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Die USA wollen bekanntermaßen 30.000 Mann zusätzlich an den Hindukusch schicken, aber in der Bundesregierung hat noch niemand den Mut, jetzt öffentlich zu sagen, was jetzt getan werden soll. Ist die deutsche Außenpolitik in Sachen Afghanistan kleinlaut geworden?

    Friedrich: Das Gegenteil ist richtig. Der Verteidigungsminister hat, glaube ich, in sehr klaren Worten auch vergangenes Wochenende seine Einschätzung der Lage und auch sein Vorgehen für die nächsten Wochen skizziert, indem er gesagt hat: Wir müssen als allererstes mal klären, wie ist die Gefährdungslage, die von Afghanistan ausgeht, und als zweites müssen wir die Frage stellen, was können wir beitragen und inwieweit können wir beitragen, dass dieses Land stabil wird, dass dort die elementaren Menschenrechte gewährt werden. Und diese zweistufige Frage gilt es, zu beantworten. Er sagt, wir brauchen einen klaren Stufenplan, wie es weitergehen soll in Afghanistan. Und ich denke, das ist der richtige Ansatz. Wir müssen sagen, welche Stufen sollen da jeweils erreicht werden und mit welchen Mitteln soll dann die jeweilige Strategie umgesetzt werden. Und wenn ich sage Mittel, dann weiß ich auch, dass es nicht nur um militärische Mittel geht. Es gibt militärische Mittel, es gibt zivilpolizeiliche Mittel, es gibt zivile Aufbauhelfer, es gibt die ganz normale wirtschaftliche Zusammenarbeit, es gibt die Geheimdienstzusammenarbeit. All das ist möglich. Auf verschiedenen Stufen wird man die einzelnen Instrumente einsetzen. Und ich denke, das wird die Aufgabe der Afghanistan-Konferenz sein, dies zu tun. Danach entscheiden wir, wie viele Truppen notwendig sein werden, in welcher Stufe und wie viele davon aus Deutschland kommen.

    Meurer: Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat ja da gesagt, "wenn London eine reine Truppenstellerkonferenz wird, dann bleibe ich weg". Wie haben Sie die Äußerung empfunden?

    Friedrich: Also, ich bin natürlich zunächst erschrocken, als ich sie gehört habe, war aber dann sehr beruhigt, als ich am nächsten Tag gelesen habe, er hat das natürlich relativiert und hat gesagt, so sei das nicht gemeint und ausgesprochen worden. Ich glaube, dass es richtig ist, die Afghanistan-Konferenz nicht nur als Truppenstellerkonferenz zu betrachten. Und es sollten sich auch unsere amerikanischen Freunde nicht einbilden, dass das eine solche werden könnte, sondern wir wollen zusammen mit den Amerikanern, mit den Verbündeten, eine gemeinsame Strategie verabreden. Und der amerikanische Präsident hat ja seinerseits auch schon den Beginn des Truppenabzuges datiert, ein klares Jahr festgelegt.

    Meurer: Aber wie lange will die Bundesregierung die Amerikaner noch hinhalten mit ihrer Antwort?

    Friedrich: Also wie gesagt, am 28. Januar wird in London die Afghanistan-Konferenz stattfinden. Und da wird die gemeinsame Strategie verabredet. Und wenn wir diese gemeinsame Strategie haben, dann werden wir auch die Antwort den Amerikanern geben.

    Meurer: Der liberale Außenminister, Herr Friedrich, hat den Unmut Ihrer Partei, der CSU, erregt mit seiner Haltung zur Personalie Erika Steinbach. Der Bund der Vertriebenen hatte ja sein Ultimatum, wenn ich das mal so nennen darf, verlängert, das eigentlich so um Silvester herum abgelaufen ist. Aber das Präsidium wird wohl bald Frau Steinbach nominieren für den Stiftungsrat der Stiftung "Flucht – Vertreibung – Versöhnung". Was ist, wenn Westerwelle bei seinem Nein gegen Erika Steinbach bleibt?

    Friedrich: Also, ich kann dem Herrn Westerwelle leider auch nicht helfen aus der Situation, in die er sich ohne Not hineinmanövriert hat, indem er sich beim Thema Steinbach so geäußert hat, wie er sich geäußert hat. Er muss jetzt selber sehen, wie er da raus kommt, wie er das auch im Übrigen seiner eigenen Partei erklärt, auch den Vertriebenen, die seine Partei gewählt haben. Da kann ich ihm nicht helfen. Unsere Haltung als CSU ist klar. Im Gesetz steht, dass der Bund der Vertriebenen das Recht hat zu benennen. Wenn der Bund der Vertriebenen Erika Steinbach benennt, dann ist er unserer Ansicht nach zu bestellen durch die Bundesregierung. Und mehr gibt es dazu momentan nicht zu sagen.

    Meurer: Was sollte die Kanzlerin denn jetzt tun oder was kann sie tun, um Erika Stenbach doch durchzusetzen?

    Friedrich: Ich weiß nicht, inwieweit die Frau Bundeskanzlerin mit psychologischen Mitteln Herrn Westerwelle zu irgendwas bewegen kann. Letzten Endes muss das Kabinett ja gemeinsam die Linie tragen. Und Herr Westerwelle ist dringend gefordert, in sich zu gehen und seine Haltung zu überdenken.

    Meurer: Sollten die FDP-Minister bei ihrem Nein bleiben, was halten Sie von der Idee, Herr Friedrich, die gesetzliche Grundlage für die Stiftung zu ändern, damit zum Beispiel nicht mehr eben ein Minister oder ein Teil der Koalition Veto einlegen kann?

    Friedrich: Also, für mich ist das Entscheidende, dass der BdV benennen kann. Das Recht hat der Bund der Vertriebenen. Und wenn der Bund der Vertriebenen, auf welche Weise auch immer, Frau Steinbach dann benennt und zum Stiftungsratsmitglied macht – und auf welchem Weg das immer geschehen kann, das spielt keine Rolle –, dann bin ich damit zufrieden.

    Meurer: Neujahr, Herr Friedrich, das ist die Zeit, in der viele sich vornehmen, für das neue Jahr sich zu bessern, zum Beispiel zu sagen, ich rauche nicht mehr, ich treibe mehr Sport. Was wünscht sich der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe Hans-Peter Friedrich für die Koalition für das Jahr 2010?

    Friedrich: Ich wünsche mir, dass diese christlich-liberale Koalition die Idee von bürgerlicher Freiheit, die Idee von Optimismus in einer freien Gesellschaft wirtschaften, arbeiten, leben zu können, dass sie diese Idee hinausträgt wie eine Fackel ins Land und dass wir am Ende des Jahres 2010 ein fröhliches Deutschland erleben werden.

    Meurer: Und eine bessere Presse für die Koalition als im Moment?

    Friedrich: Ja, ich denke, die Presse macht ihre Arbeit und wir werden damit zurecht kommen.

    Meurer: Herr Friedrich, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.

    Friedrich: Gerne.