Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Hubertus Knabe verlässt Stasi-Gedenkstätte
Ein Fürsprecher der emotionalen Überwältigung

Hubertus Knabe ist als Direktor der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen nach juristischem Hin- und Her abberufen worden. 18 Jahre lang war er Leiter und bezog dabei stets eindeutig Position. Knabe werde fehlen: als Aktivist, nicht als Gedenkstättendirektor, meint Dlf-Korrespondentin Claudia van Laak.

Von Claudia van Laak | 27.11.2018
    Gedenkstättendirektor Hubertus Knabe redet am 03.07.2015 in Berlin bei einem Pressegespräch in der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen, im Hintergrund ein Porträt von Ex-DDR-Staats- und Parteichef Honecker. Die Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen nahm vor 15 Jahren ihre Arbeit auf.
    Die Opfer des SED-Regimes dürfen nicht vergessen werden - so lautete die Mission von Hubertus Knabe als Gedenkstättenleiter (picture alliance/dpa/Paul Zinken)
    Hubertus Knabe ist immer laut und deutlich. Grautöne gibt es bei ihm nicht, seine Welt besteht nur aus Schwarz und Weiß. Der Historiker lässt nie einen Zweifel daran, auf welcher Seite er steht und wen er bekämpft. Ein Mann mit einer Mission, die da lautet: Die Opfer des SED-Regimes dürfen nicht vergessen und jegliche sozialistische Regung muss sofort im Keim erstickt werden. Wenn nötig, mit dem Verbot von NVA-Uniformen. Wer ihn als Direktor der Stasi-Gedenkstätte kennenlernte, musste den Eindruck erhalten, Knabe habe mindestens 10 Jahres seines Lebens im Stasi-Knast gesessen. So vehement kämpfte er für seine politischen Positionen. Weit gefehlt: Hubertus Knabe wuchs in Mülheim an der Ruhr auf.
    Sein strenger Antikommunismus stand auch an erster Stelle, wenn es um die Führung der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen ging, kritisiert der DDR-Historiker Ilko-Sascha Kowalzcuk.
    "Eigentlich stand bisher die Aufgabe, dass jeder, der dort durch die Ausstellung und durch die frühere Haftanstalt geführt wird, mit dem gleichen Geschichtsbild über die DDR und das SED-Unrecht nach Hause geht, wie es der Herr Gedenkstättenleiter selber hatte. Und das kann nicht die Aufgabe von politischer Bildung und von solchen Gedenkstätten sein."
    "Aufklärung funktioniert nicht nur über den Kopf"
    Und dieses Geschichtsbild wurde in erster Linie durch Zeitzeugen vermittelt. Männer, die selbst früher in der Stasi-Haftanstalt Hohenschönhausen einsaßen, führten die Besucherinnen und Besucher – darunter viele Jugendliche – durch die Zellen. Hubertus Knabe begründete das so:
    "Wie jeder aus seinem eigenen Leben weiß: Aufklärung funktioniert nicht nur über den Kopf, sondern auch über das Herz und über den Bauch. Und wir stellen fest, dass die Zeit inzwischen so weit weg ist, dass das für junge Menschen über den Kopf nicht mehr wirklich funktioniert."
    Kinder und Jugendliche sollten nicht zum Nachdenken angeregt, sie sollten emotional überwältigt werden. Diese Kritik von Historikern und Pädagogen an der Gedenkstättenarbeit in Hohenschönhausen ließ Hubertus Knabe aber nicht zu. Alle Zweifel wurden beiseitegeschoben, sagt Jens Gisecke vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, Mitglied im Beirat der Gedenkstätte.
    "Weil es im Zweifel eher eine Wagenburgmentalität gab, die jeden Fachwissenschaftler, der dort Einspruch erhob gegen bestimmte Statements, die da gemacht worden sind, als Gegner der Gedenkstätte und der Zeitzeugenarbeit darstellte, was, glaube ich, so nicht stimmt."
    Knabe gab SED-Opfern eine Stimme
    Das große Verdienst von Hubertus Knabe hat mit der Leitung der Gedenkstätte nur indirekt zu tun: Er gab denjenigen eine Stimme, die sich in der Bundesrepublik – trotz gegenteiliger Beteuerungen vonseiten der Politik – nur schwer Gehör verschaffen konnten. Den SED-Opfern, die physisch und psychisch gelitten hatten, deren Biographien durch die Stasi für immer zerstört wurden. Insofern wird seine Stimme fehlen – die des politischen Aktivisten Hubertus Knabe, nicht die des Gedenkstättendirektors.