Frank Olbert: Herr Plamper, Ihr neues Hörspiel beschäftigt sich mit einem Text Heiner Müllers. Wie sind Sie auf diese Vorlage gekommen?
Paul Plamper: Ich habe, seitdem ich Assistent von Heiner Müller war, also 1995/96 am Berliner Ensemble, angefangen mich verstärkt mit seinen Texten zu beschäftigen. Ich habe unter anderem mit Martin Wuttke in Mailand "Quartett" inszeniert, 1998 in Istanbul die erste Heiner Müller-Aufführung auf türkisch gemacht, und auch in Prag eine Inszenierung, die bis vor kurzem noch lief, was glaube ich für alle Beteiligten eine ganz schöne Arbeit war. "Herakles zwei oder die Hydra" ist ein Text, der mich eigentlich schon länger verfolgt oder beschäftigt hat, weil in dem Text die Erkenntnis gemacht wird, dass wir selbst die Maschine sind, die wir zu bekämpfen glauben. Das steht am Schluss dieser Geschichte und so dramatisch und eindringlich habe ich so einen Erkenntnisprozess noch nirgendwo beschrieben gesehen. "Herakles 2 oder die Hydra" ist sozusagen der Kern eines anderen größeren Stücks nämlich "Zement". Ich habe mir erlaubt, diesen Text aus seinem Zusammenhang zu lösen und ihn als eine Art Nährboden zu verwenden für drei Geschichten, die wir dazu lose erfunden oder assoziiert haben und die sich vorsichtig an Motiven aus diesem Stück "Zement" entlanghangeln. Diese Episoden spielen aber im heutigen Alltag und so war diese Hörspielarbeit auch eine Art Feldversuch mit dem Müller-Text im Alltag. Wir waren mit dem Text auf der Straße, haben Leute angesprochen, Leute am Telefon damit konfrontiert und haben einen Haufen Experimente mit dem Text angestellt, um ihn zu beleuchten oder im Licht der Realität zu betrachten. Aber nichtsdestotrotz erzählen wir auch drei Episoden, die sich zunehmend ineinander verweben und in denen sich der Müller-Text wie eine Art Virus ausbreitet und immer mehr an die Oberfläche schiebt. Die andere Ebene des Hörspiels ist der Müller-Text gesprochen von Volker Spengler. Und da hoffe ich, dass sich durch diese beiden Pole neue Räume oder neue Betrachtungsweisen für den Hörer öffnen.
Frank Olbert: Sie haben am Theater angefangen, waren Regieassistent bei Peter Zadek und Heiner Müller. Wie sind Sie von der Bühne zum Radio gekommen?
Paul Plamper: Eigentlich bin ich da mehr oder weniger hineingeschlittert, aber tatsächlich waren meine Theaterarbeiten bis dahin immer ziemlich musikalisch und der Hessische Rundfunk hat sich "Projekt RAF" angesehen und uns angeboten, das als Hörspiel zu machen. Dabei haben wir festgestellt, dass sich die akustische Ebene dieser Aufführung direkt als Hörspiel übertragen ließ. Die Audio-Ebene der Theateraufführung war praktisch schon als Hörspiel zu gebrauchen. Und dann kam das Angebot vom WDR, "Hüttenkäse" von Tim Staffel zu machen. Da fing ich dann an, verstärkt mit Rappern und Musikern zu arbeiten.
Frank Olbert: Welche Möglichkeiten des Hörspiels finden Sie für Ihre Arbeit besonders interessant?
Paul Plamper: Momentan interessiert mich die Improvisation besonders. Das ist ein Element, das wir jetzt bei "H2OdH" noch weiter ausgebaut haben. Es gab also keine ausgeschriebenen Dialoge. Es gab nur den Müller-Text und Situationsbeschreibungen. Die Schauspieler haben zusammen mit mir die Geschichten er-improvisiert. Gerade Milan Peschel, der bei "Top Hit - leichtgemacht" die Hauptrolle improvisiert hat, hat mir die Augen geöffnet, was in dem Bereich alles möglich ist. Er hat so tolle Dinge erfunden, in einer enormen Dichte. Alles Material, das er produziert hat, war schneidbar und war auf einem Niveau, wo man sagen könnte: ja, damit kann ich fünf Hörspiele machen. Und es war eigentlich die Schwierigkeit, aus den großartigen Dingen, die Milan da gemacht hat, etwas auszuwählen.
Frank Olbert: "Top Hit – leichtgemacht" war ein großer Erfolg – nicht nur als Hörspiel. Der Song, den der fiktive arbeitslose Thomas Herfort da produziert, landete tatsächlich in den Charts, wenn auch nicht ganz auf Platz 1.
Paul Plamper: Na der Anspruch bei "Top Hit" war ja, das System zu manipulieren, anstatt sich vom System manipulieren zu lassen. Und das hat sich ganz stark auf die Ästhetik und die Arbeitsweise des Hörspiels übertragen. Wir haben sozusagen die Realität manipuliert und sie so hingebogen wie wir es brauchten, um unseren wundersamen Aufstieg des Thomas Herfort an die Spitze der Charts zu erzählen.
Das Hörspiel "H2OdH" von Paul Plamper nach einem Text von Heiner Müller sendet WDR 3 am Montag, den 12. Januar um 23:05 Uhr.
Dem vor 8 Jahren verstorbenen Dramatiker Heiner Müller, der in diesen Tagen 75 Jahre alt geworden wäre, haben verschiedene Sender Programmschwerpunkte gewidmet. Im Deutschlandfunk ist am Dienstag, den 13. Januar um 20.10 Uhr "Ajax zum Beispiel" zu hören, ein von Wolfgang Rindfleisch im Jahr 1996 umgesetztes Hörspiel nach einem Langgedicht Müllers.
Paul Plamper: Ich habe, seitdem ich Assistent von Heiner Müller war, also 1995/96 am Berliner Ensemble, angefangen mich verstärkt mit seinen Texten zu beschäftigen. Ich habe unter anderem mit Martin Wuttke in Mailand "Quartett" inszeniert, 1998 in Istanbul die erste Heiner Müller-Aufführung auf türkisch gemacht, und auch in Prag eine Inszenierung, die bis vor kurzem noch lief, was glaube ich für alle Beteiligten eine ganz schöne Arbeit war. "Herakles zwei oder die Hydra" ist ein Text, der mich eigentlich schon länger verfolgt oder beschäftigt hat, weil in dem Text die Erkenntnis gemacht wird, dass wir selbst die Maschine sind, die wir zu bekämpfen glauben. Das steht am Schluss dieser Geschichte und so dramatisch und eindringlich habe ich so einen Erkenntnisprozess noch nirgendwo beschrieben gesehen. "Herakles 2 oder die Hydra" ist sozusagen der Kern eines anderen größeren Stücks nämlich "Zement". Ich habe mir erlaubt, diesen Text aus seinem Zusammenhang zu lösen und ihn als eine Art Nährboden zu verwenden für drei Geschichten, die wir dazu lose erfunden oder assoziiert haben und die sich vorsichtig an Motiven aus diesem Stück "Zement" entlanghangeln. Diese Episoden spielen aber im heutigen Alltag und so war diese Hörspielarbeit auch eine Art Feldversuch mit dem Müller-Text im Alltag. Wir waren mit dem Text auf der Straße, haben Leute angesprochen, Leute am Telefon damit konfrontiert und haben einen Haufen Experimente mit dem Text angestellt, um ihn zu beleuchten oder im Licht der Realität zu betrachten. Aber nichtsdestotrotz erzählen wir auch drei Episoden, die sich zunehmend ineinander verweben und in denen sich der Müller-Text wie eine Art Virus ausbreitet und immer mehr an die Oberfläche schiebt. Die andere Ebene des Hörspiels ist der Müller-Text gesprochen von Volker Spengler. Und da hoffe ich, dass sich durch diese beiden Pole neue Räume oder neue Betrachtungsweisen für den Hörer öffnen.
Frank Olbert: Sie haben am Theater angefangen, waren Regieassistent bei Peter Zadek und Heiner Müller. Wie sind Sie von der Bühne zum Radio gekommen?
Paul Plamper: Eigentlich bin ich da mehr oder weniger hineingeschlittert, aber tatsächlich waren meine Theaterarbeiten bis dahin immer ziemlich musikalisch und der Hessische Rundfunk hat sich "Projekt RAF" angesehen und uns angeboten, das als Hörspiel zu machen. Dabei haben wir festgestellt, dass sich die akustische Ebene dieser Aufführung direkt als Hörspiel übertragen ließ. Die Audio-Ebene der Theateraufführung war praktisch schon als Hörspiel zu gebrauchen. Und dann kam das Angebot vom WDR, "Hüttenkäse" von Tim Staffel zu machen. Da fing ich dann an, verstärkt mit Rappern und Musikern zu arbeiten.
Frank Olbert: Welche Möglichkeiten des Hörspiels finden Sie für Ihre Arbeit besonders interessant?
Paul Plamper: Momentan interessiert mich die Improvisation besonders. Das ist ein Element, das wir jetzt bei "H2OdH" noch weiter ausgebaut haben. Es gab also keine ausgeschriebenen Dialoge. Es gab nur den Müller-Text und Situationsbeschreibungen. Die Schauspieler haben zusammen mit mir die Geschichten er-improvisiert. Gerade Milan Peschel, der bei "Top Hit - leichtgemacht" die Hauptrolle improvisiert hat, hat mir die Augen geöffnet, was in dem Bereich alles möglich ist. Er hat so tolle Dinge erfunden, in einer enormen Dichte. Alles Material, das er produziert hat, war schneidbar und war auf einem Niveau, wo man sagen könnte: ja, damit kann ich fünf Hörspiele machen. Und es war eigentlich die Schwierigkeit, aus den großartigen Dingen, die Milan da gemacht hat, etwas auszuwählen.
Frank Olbert: "Top Hit – leichtgemacht" war ein großer Erfolg – nicht nur als Hörspiel. Der Song, den der fiktive arbeitslose Thomas Herfort da produziert, landete tatsächlich in den Charts, wenn auch nicht ganz auf Platz 1.
Paul Plamper: Na der Anspruch bei "Top Hit" war ja, das System zu manipulieren, anstatt sich vom System manipulieren zu lassen. Und das hat sich ganz stark auf die Ästhetik und die Arbeitsweise des Hörspiels übertragen. Wir haben sozusagen die Realität manipuliert und sie so hingebogen wie wir es brauchten, um unseren wundersamen Aufstieg des Thomas Herfort an die Spitze der Charts zu erzählen.
Das Hörspiel "H2OdH" von Paul Plamper nach einem Text von Heiner Müller sendet WDR 3 am Montag, den 12. Januar um 23:05 Uhr.
Dem vor 8 Jahren verstorbenen Dramatiker Heiner Müller, der in diesen Tagen 75 Jahre alt geworden wäre, haben verschiedene Sender Programmschwerpunkte gewidmet. Im Deutschlandfunk ist am Dienstag, den 13. Januar um 20.10 Uhr "Ajax zum Beispiel" zu hören, ein von Wolfgang Rindfleisch im Jahr 1996 umgesetztes Hörspiel nach einem Langgedicht Müllers.