Seit sechs Jahren kann die Humboldt-Stiftung bis zu zehn Professuren im Jahr vergeben. Im Schnitt gibt es neun Preisträger. Dass der höchstdotierte deutsche Forscherpreis in diesem Jahr nur an fünf Preisträger geht, habe nichts mit den Manipulationsvorwürfen aus dem vergangenen Jahr zu tun, sagt Enno Aufderheide, Generalsekretär der Humboldt-Stiftung. Der Vorfall habe auch nicht den Ruf der Stiftung beschädigt, glaubt er. Denn nachdem die Vorwürfe publik wurden, habe die Humboldt-Stiftung das Verfahren unmittelbar gestoppt. Die Förderentscheidung wurde ausgesetzt. Kein einziger Euro sei geflossen, betont der Generalsekretär.
"Die Person, die hier nominiert war, hatte einen exzellenten Ruf. Und es ist uns auch im Nachhinein von Sozialpsychologen bestätigt worden, dass der Ruf in der Tat untadelig war und niemand dieser Person wissenschaftliches Fehlverhalten zugetraut hat. Es ist auch von verschiedenen Seiten bestätigt worden, dass mit einem normalen Auge, die Auffälligkeiten in den Daten nicht zu sehen waren."
Trotzdem wünscht man sich bei der Humboldt-Stiftung nicht noch solch einen Vorfall. Doch wie man sich davor schützt, ist gar nicht so einfach. Schon zuvor wurden alle Preisanwärter einer mehrfachen Qualitätsprüfung unterzogen. Das Prozedere läuft wie folgt: Zuerst reichen die Hochschulen ihre Nominierungen bei der Stiftung ein. Sie sollten doch das größte Interesse daran haben, dass nur exzellente Wissenschaftler ins Rennen geschickt werden, meint Enno Aufderheide.
"Da spielt die Frage wissenschaftlichen Fehlverhaltens nur eine unter sehr vielen, und es ist tatsächlich das wichtigste die Frage, wie originell und wie weiterführend sind die Ergebnisse dieser Person tatsächlich gewesen."
Im Anschluss lässt die Stiftung die nominierten Wissenschaftler von fünf externen, meist ausländischen Gutachtern, überprüfen. Auf dieser Grundlage und den Nominierungsunterlagen der Hochschulen entscheidet dann der Ausschuss der Humboldt-Stiftung, wer die Professur erhält. Bessere Beurteilungskriterien gebe es leider nach wie vor nicht, sagt Generalsekretär Enno Aufderheide. Denn wissenschaftliches Fehlverhalten sei nicht durch abstrakte Prüf-Instanzen festzustellen.
"Insofern werden wir auch in Zukunft wissenschaftliches Fehlverhalten nicht irgendwie durch Prüfungen in der Geschäftsstelle der Humboldt-Stiftung erkennen. Sondern indem wir von Diskussionen in der Wissenschaft erfahren. Und die Änderung, die wir vornehmen ist, dass wir expliziter als bisher die nominierende Universität dazu verpflichten werden, uns unmittelbar zu informieren. Auch im laufenden Verfahren, wenn Tatsachen bekannt werden, die gegen eine Verleihung sprechen."
In diesem Jahr sprach zum Glück nichts gegen eine Preisverleihung. Vier weibliche und ein männlicher Wissenschaftler treten in diesem Jahr ihre Humboldt-Professur an. Eine Preisträgerin ist die österreichische Altorientalistin Karen Radner. Die 42-jährige wechselt zum Wintersemester vom University College London an das Historische Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Dort soll sie die Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens im Altertum erforschen und lehren und damit die Perspektiven der Geschichtswissenschaft erweitern.
"Ich wollte explizit nicht haben, dass das als Geschichte des alten Orients definiert wird, weil ich diese Okzident, Orient-Definitionen überhaupt nicht schätze. Ich beschäftige mich mit einer Zeit, als Europa Teil von diesem Assyrischen Reich war und für mich ist das Interessante, die Welt als eine zu sehen. Und nicht getrennt in einzelne Bereiche, die man dann durchaus ignorieren kann, wenn es einem dann nicht ins Konzept passt."
Elisabeth Décultot hat ihre Professur bereits am Germanischen Institut an der Uni Halle/Wittenberg angetreten. In den kommenden fünf Jahren möchte die französische Literaturwissenschaftlerin die verschiedenen Bücherbestände der Universität digital miteinander vernetzen. Und in ihren Forschungen will sie weiter der Frage nachgehen, wie Gelehrte aus dem 18. und 19. Jahrhundert andere Gelehrte gelesen haben. Anders als heute war in der frühen Neuzeit das Kopieren, Plagiieren und das Exzerpieren, also das Auswählen und Verdichten themenrelevanter Information, nämlich völlig normal und gehörte noch zum guten Ton.