"Wenn man Adalbert von Chamissos Märchen liest 'Peter Schlemihl's wundersame Geschichte', dann fühlt man sich hier in diesem Garten ganz genauso, als wenn man lebendig durch dieses Märchen wandert."
Gesche Hohlstein ist hier Biologin und nimmt uns mit auf eine Reise durch die Welt.
"Wenn man hier einmal durch die mitteleuropäischen Rotbuchenwälder geht, auf die Alpen klettert, von dort dann über den Kaukasus auf den Himalaja und schon in der Prärie von Nordamerika landet, dann an den Großen Seen herauskommt, dann kann man sich Adalbert von Chamisso vorstellen, wie er [schrieb]: 'Wunderbar veränderliche Länder Fluren, Auen, Gebirge, Steppen, Sandwüsten entrollten sich vor meinem staunenden Blick. Es war kein Zweifel, ich hatte Siebenmeilenstiefel an den Füßen.'"
Offenbar hat Adalbert von Chamissos seine Märchengestalt Peter Schlemihl gebeten, diese Stiefel für die Besucher des botanischen Gartens zu hinterlassen.
"Mit Siebenmeilenstiefeln können wir hier in einer Stunde einmal den Globus umrunden. Das grüne und blühende Kleid der Erde, der Pflanzenwelt ganz anschaulich erleben."
Es ist das Verdienst von Adolf Engler, der diesen botanischen Garten vor 100 Jahren so anlegte, sein Konzept der pflanzengeografischen Abteilungen hier als Erster umsetzte. Er bildete Erdteile nach mit ihren geografischen Gegebenheiten und Pflanzen. Für die Darstellung der europäischen Kalkalpen wurden zum Beispiel Kalksteine aus der Umgebung Berlins herangeschafft, um originale Bedingungen für die Pflanzen dieser Region zu schaffen. Auch das "Wandern" durch die Alpen ist sehr naturnah.
"Wenn man hier die Wege entlanggeht, kann man tatsächlich den Eindruck bekommen, dass man von Stein zu Stein hüpft, ein bisschen wie eine Gämse. Und so ist dieser Eindruck des Wegbeamens aus der großen Stadt Berlin ein Miniurlaub ganz fantastisch."
Mit einem riesigen Vorteil - niemand muss fürchten, höhenkrank zu werden. Weiter geht es mit Siebenmeilenstiefeln Richtung Kaukasus, lassen den jedoch links liegen und gehen auf den Balkan zu.
"Haben vor uns ein wunderbares Meer von Frühjahrsblühern, die dort in der asiatischen Steppe zu Hause sind und die wir in unseren eigenen Gärten vor der Haustür vermissen würden, weil sie so der Inbegriff geworden sind von Frühling. Aber eigentlich kommen sie von wo ganz anders her."
So lernt man ganz nebenbei, dass die geliebten Träubchenhyazinthen ihre Heimat in der asiatischen Steppe haben, dort die Berge blau färben.
"Noch ein paar Wochen weiter, dann ist hier der Spätfrühling in Zentral- und Ostanatolien. Der ist wirklich das Allerschönste, was es hier im Frühling zu erleben gibt. Das reizt mich so, den Spätfrühling im wirklichen Ostanatolien kennenzulernen. Denn, der Eindruck, allein hier in dem Garten, der ist so bezaubernd, dass die Natur einen richtig ruft."
Wer sich trotz seiner Siebenmeilenstiefel Zeit nimmt und genauer hinschaut, kann Unscheinbares entdecken mit einer großen Geschichte. Ganz im Verborgenen blühen zum Beispiel winzige, zartgelbe Tulpen. Als Tulipa kaufmanniana weist sie ein kleines Schild aus.
"Das sind Tulpen, die man wirklich nirgends kaufen kann. Das sind die Tulpen, wie sie ursprünglich wild vorkommen in der Steppe von Zentralasien. Klein, schmale Blütenblätter, fast fädig. Nicht so, dass sie in der Vase eine gute Figur abgeben. Aber die Wildform - ganz viele verschiedene Arten sind dort zu finden, auch die Ursprünge der Tulpen, die heute im Blumenladen überall zu finden sind."
Und - wie wir spätestens jetzt wissen - nicht aus Holland stammen, sondern auf langen Wegen durch Schmuggel, Handel über Konstantinopel, Wien bis nach Holland und in unsere Gärten und Vasen gekommen sind. Von Zentralasien sind es auf unserer Wanderung nur ein paar Schritte bis zum Himalaja, diesem mächtigen Gebirge mit dem höchsten Berg der Erde.
"Der Himalaja ist sogar auch im botanischen Garten die höchste Erhöhung. Das heißt, wenn wir oben auf den Gipfeln des Himalaja stehen, dann können wir einen wunderschönen Ausblick genießen, können über die Wälder von Japan und Korea und Sibirien blicken und können sogar ein bisschen über die Beringstraße hinwegblicken auf den amerikanischen Kontinent, haben also eine bezaubernde Aussicht und finden hier einige Bäume, zum Beispiel die Tränenkiefer. Diese Tränenkiefer ist ganz bezaubernd vor allem im Sommer, da sie ein Harz abgibt, der dann eintrocknet. Und es sieht so aus, als wenn dieser Baum überübervoll mit Tränen überzogen ist, welche in der Sonne glitzern."
Vergessen wir nicht, dass wir mit dem Schuhwerk von Peter Schlemihl unterwegs sind, einer Gestalt aus der Feder des Dichters Adalbert von Chamisso. Doch jetzt begegnen wir auch dem Botaniker Chamisso.
"Wir haben zu unserer linken Hand noch Asien und auf der rechten Seite liegt schon Amerika. Also wir sind gerade auf dem Seeweg auf der Beringstraße unterwegs. Und ganz zauberhaft ist das hier Ende Mai, Juni, Juli. Da wird man hier wirklich begrüßt von dem goldenen Westen. Denn es ist ein blühendes Meer von dem kalifornischen Goldmohn, der von Adalbert von Chamisso sogar entdeckt und wissenschaftlich beschrieben wurde und einen ganz zauberhaften und leuchtenden Eindruck hier hinterlässt."
Nur einen Schritt weiter in der Prärie gesellen sich zum Goldmohn Artemisia-Arten wie der Beifuß, der Wermut, der Absinth. Ihre graugrünen Stängel und Blätter lassen den Goldmohn noch mehr leuchten. Gemeinsam bilden sie ein wogendes Blütenmeer, das jedoch nicht nur ein optisches Erlebnis ist.
"Also, man kann die Prärie hier sogar riechen im Sommer."
Noch viel mehr zu bestaunen gibt es in den Gewächshäusern, zum Beispiel dem großen Tropenhaus, 60 mal 30 Meter groß und 26 Meter hoch. Unter Glas wachsen hier über 4.000 Pflanzen, die zwischen dem nördlichen und südlichen Wendekreis zu Hause sind.
Die Tropen mit dem Regenwald am Amazonas über den Eukalyptuswald in Australien, die Savanne Ostafrikas, die Wüstenregionen von Afrika und Amerika sind in den Gewächshäusern mit ihren Pflanzen vertreten. Himmelhoher Bambus, Ficus-Arten und Fischschwanzpalmen. Doch auch bei den Pflanzen ist es wie bei den Menschen; nicht immer sind die auffallendsten auch die wertvollen. Gärtnermeisterin Henrike Wilke macht auf ein Exemplar aufmerksam, das dieser Charakteristik entspricht und ein lebendes Fossil ist.
"Das ist die sogenannte Wunderbare Welwitschia, die in der Namib-Wüste beheimatet ist und vom Aussterben bedroht ist und eine Besonderheit hat, da sie nur zwei Blätter in ihrem Leben entwickelt und von innen nach außen wächst und das eben sehr, sehr langsam. Ein Exemplar ist schon an die 150 Jahre alt."
Wie ein Fossil sieht sie auch aus mit ihren rund 20 Zentimeter breiten, gewellten Blättern, die wie Lappen auf dem sandigen Untergrund liegen und trotz ihrer blaugrünen Farbe irgendwie leblos wirken. Hässlich möchte Henrike Wilke sie nicht nennen.
"Ich finde sie einfach interessant. Durchaus gibt es schönere Exemplare."
Für sie ist es selbstverständlich, mit den Pflanzen zu sprechen, Stämme zu streicheln, mit der Faust an einem Baum zu klopfen.
"Ja, also, wie ein guter alter Freund, der schon seine 80, 90 Jahre auf dem Buckel hat."
Auch im großen Tropenhaus wachsen die Pflanzen auf ihren Erdteilen. Und wenn die Palmensinfonien erklingen, dann kommt es vor, dass auch die Musiker Siebenmeilenstiefel tragen und von Asien nach Amerika wandern.
Wer die Geschichte nicht glaubt, kann ja bei einem Besuch des botanischen Gartens an der Kasse nach den Stiefeln fragen.
Gesche Hohlstein ist hier Biologin und nimmt uns mit auf eine Reise durch die Welt.
"Wenn man hier einmal durch die mitteleuropäischen Rotbuchenwälder geht, auf die Alpen klettert, von dort dann über den Kaukasus auf den Himalaja und schon in der Prärie von Nordamerika landet, dann an den Großen Seen herauskommt, dann kann man sich Adalbert von Chamisso vorstellen, wie er [schrieb]: 'Wunderbar veränderliche Länder Fluren, Auen, Gebirge, Steppen, Sandwüsten entrollten sich vor meinem staunenden Blick. Es war kein Zweifel, ich hatte Siebenmeilenstiefel an den Füßen.'"
Offenbar hat Adalbert von Chamissos seine Märchengestalt Peter Schlemihl gebeten, diese Stiefel für die Besucher des botanischen Gartens zu hinterlassen.
"Mit Siebenmeilenstiefeln können wir hier in einer Stunde einmal den Globus umrunden. Das grüne und blühende Kleid der Erde, der Pflanzenwelt ganz anschaulich erleben."
Es ist das Verdienst von Adolf Engler, der diesen botanischen Garten vor 100 Jahren so anlegte, sein Konzept der pflanzengeografischen Abteilungen hier als Erster umsetzte. Er bildete Erdteile nach mit ihren geografischen Gegebenheiten und Pflanzen. Für die Darstellung der europäischen Kalkalpen wurden zum Beispiel Kalksteine aus der Umgebung Berlins herangeschafft, um originale Bedingungen für die Pflanzen dieser Region zu schaffen. Auch das "Wandern" durch die Alpen ist sehr naturnah.
"Wenn man hier die Wege entlanggeht, kann man tatsächlich den Eindruck bekommen, dass man von Stein zu Stein hüpft, ein bisschen wie eine Gämse. Und so ist dieser Eindruck des Wegbeamens aus der großen Stadt Berlin ein Miniurlaub ganz fantastisch."
Mit einem riesigen Vorteil - niemand muss fürchten, höhenkrank zu werden. Weiter geht es mit Siebenmeilenstiefeln Richtung Kaukasus, lassen den jedoch links liegen und gehen auf den Balkan zu.
"Haben vor uns ein wunderbares Meer von Frühjahrsblühern, die dort in der asiatischen Steppe zu Hause sind und die wir in unseren eigenen Gärten vor der Haustür vermissen würden, weil sie so der Inbegriff geworden sind von Frühling. Aber eigentlich kommen sie von wo ganz anders her."
So lernt man ganz nebenbei, dass die geliebten Träubchenhyazinthen ihre Heimat in der asiatischen Steppe haben, dort die Berge blau färben.
"Noch ein paar Wochen weiter, dann ist hier der Spätfrühling in Zentral- und Ostanatolien. Der ist wirklich das Allerschönste, was es hier im Frühling zu erleben gibt. Das reizt mich so, den Spätfrühling im wirklichen Ostanatolien kennenzulernen. Denn, der Eindruck, allein hier in dem Garten, der ist so bezaubernd, dass die Natur einen richtig ruft."
Wer sich trotz seiner Siebenmeilenstiefel Zeit nimmt und genauer hinschaut, kann Unscheinbares entdecken mit einer großen Geschichte. Ganz im Verborgenen blühen zum Beispiel winzige, zartgelbe Tulpen. Als Tulipa kaufmanniana weist sie ein kleines Schild aus.
"Das sind Tulpen, die man wirklich nirgends kaufen kann. Das sind die Tulpen, wie sie ursprünglich wild vorkommen in der Steppe von Zentralasien. Klein, schmale Blütenblätter, fast fädig. Nicht so, dass sie in der Vase eine gute Figur abgeben. Aber die Wildform - ganz viele verschiedene Arten sind dort zu finden, auch die Ursprünge der Tulpen, die heute im Blumenladen überall zu finden sind."
Und - wie wir spätestens jetzt wissen - nicht aus Holland stammen, sondern auf langen Wegen durch Schmuggel, Handel über Konstantinopel, Wien bis nach Holland und in unsere Gärten und Vasen gekommen sind. Von Zentralasien sind es auf unserer Wanderung nur ein paar Schritte bis zum Himalaja, diesem mächtigen Gebirge mit dem höchsten Berg der Erde.
"Der Himalaja ist sogar auch im botanischen Garten die höchste Erhöhung. Das heißt, wenn wir oben auf den Gipfeln des Himalaja stehen, dann können wir einen wunderschönen Ausblick genießen, können über die Wälder von Japan und Korea und Sibirien blicken und können sogar ein bisschen über die Beringstraße hinwegblicken auf den amerikanischen Kontinent, haben also eine bezaubernde Aussicht und finden hier einige Bäume, zum Beispiel die Tränenkiefer. Diese Tränenkiefer ist ganz bezaubernd vor allem im Sommer, da sie ein Harz abgibt, der dann eintrocknet. Und es sieht so aus, als wenn dieser Baum überübervoll mit Tränen überzogen ist, welche in der Sonne glitzern."
Vergessen wir nicht, dass wir mit dem Schuhwerk von Peter Schlemihl unterwegs sind, einer Gestalt aus der Feder des Dichters Adalbert von Chamisso. Doch jetzt begegnen wir auch dem Botaniker Chamisso.
"Wir haben zu unserer linken Hand noch Asien und auf der rechten Seite liegt schon Amerika. Also wir sind gerade auf dem Seeweg auf der Beringstraße unterwegs. Und ganz zauberhaft ist das hier Ende Mai, Juni, Juli. Da wird man hier wirklich begrüßt von dem goldenen Westen. Denn es ist ein blühendes Meer von dem kalifornischen Goldmohn, der von Adalbert von Chamisso sogar entdeckt und wissenschaftlich beschrieben wurde und einen ganz zauberhaften und leuchtenden Eindruck hier hinterlässt."
Nur einen Schritt weiter in der Prärie gesellen sich zum Goldmohn Artemisia-Arten wie der Beifuß, der Wermut, der Absinth. Ihre graugrünen Stängel und Blätter lassen den Goldmohn noch mehr leuchten. Gemeinsam bilden sie ein wogendes Blütenmeer, das jedoch nicht nur ein optisches Erlebnis ist.
"Also, man kann die Prärie hier sogar riechen im Sommer."
Noch viel mehr zu bestaunen gibt es in den Gewächshäusern, zum Beispiel dem großen Tropenhaus, 60 mal 30 Meter groß und 26 Meter hoch. Unter Glas wachsen hier über 4.000 Pflanzen, die zwischen dem nördlichen und südlichen Wendekreis zu Hause sind.
Die Tropen mit dem Regenwald am Amazonas über den Eukalyptuswald in Australien, die Savanne Ostafrikas, die Wüstenregionen von Afrika und Amerika sind in den Gewächshäusern mit ihren Pflanzen vertreten. Himmelhoher Bambus, Ficus-Arten und Fischschwanzpalmen. Doch auch bei den Pflanzen ist es wie bei den Menschen; nicht immer sind die auffallendsten auch die wertvollen. Gärtnermeisterin Henrike Wilke macht auf ein Exemplar aufmerksam, das dieser Charakteristik entspricht und ein lebendes Fossil ist.
"Das ist die sogenannte Wunderbare Welwitschia, die in der Namib-Wüste beheimatet ist und vom Aussterben bedroht ist und eine Besonderheit hat, da sie nur zwei Blätter in ihrem Leben entwickelt und von innen nach außen wächst und das eben sehr, sehr langsam. Ein Exemplar ist schon an die 150 Jahre alt."
Wie ein Fossil sieht sie auch aus mit ihren rund 20 Zentimeter breiten, gewellten Blättern, die wie Lappen auf dem sandigen Untergrund liegen und trotz ihrer blaugrünen Farbe irgendwie leblos wirken. Hässlich möchte Henrike Wilke sie nicht nennen.
"Ich finde sie einfach interessant. Durchaus gibt es schönere Exemplare."
Für sie ist es selbstverständlich, mit den Pflanzen zu sprechen, Stämme zu streicheln, mit der Faust an einem Baum zu klopfen.
"Ja, also, wie ein guter alter Freund, der schon seine 80, 90 Jahre auf dem Buckel hat."
Auch im großen Tropenhaus wachsen die Pflanzen auf ihren Erdteilen. Und wenn die Palmensinfonien erklingen, dann kommt es vor, dass auch die Musiker Siebenmeilenstiefel tragen und von Asien nach Amerika wandern.
Wer die Geschichte nicht glaubt, kann ja bei einem Besuch des botanischen Gartens an der Kasse nach den Stiefeln fragen.