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Humborg: Transparenz im Rohstoffmarkt ist vorteilhaft für Deutschland

Obwohl in den USA ein Gesetz zur Offenlegung im Rohstoffsektor gekippt wurde, wird die EU an ihren Transparenzvorschriften festhalten. Für Deutschland sei die Regelung gut, sagt Christian Humborg von Transparency International. Denn als Abnehmermarkt, sei Vergleichbarkeit im Rohstoffbereich sinnvoll für die deutsche Industrie.

Christian Humborg im Gespräch mit Jule Reimer |
    Jule Reimer: Kleines Gericht, große Wirkung! Eigentlich sollten Ölkonzerne es in den USA nicht mehr geheim halten können, wie viel Geld sie an staatliche Stellen in ihren ausländischen Fördergebieten zahlen. Doch ein Bezirksrichter in Washington D.C. hat jetzt ein Regelwerk der US-Börsenaufsicht für nichtig erklärt, das die Multis dazu zwingen sollte, derartige Geldströme offenzulegen. Am Telefon bin ich mit Christian Humborg verbunden, Geschäftsführer der Antikorruptionsinitiative Transparency International hier in Deutschland.
    Herr Humborg, welche Folgen hat denn das Kippen dieses Gesetzes in den USA?

    Christian Humborg: Ich denke, es hat zunächst eigentlich erst mal nur eine Verzögerung zur Folge, weil die SEC [Anm. d. Redaktion: Securities and Exchange Commission]– das ist die amerikanische Börsenaufsicht – jetzt noch mal die Möglichkeit hat nachzuarbeiten. Insofern erhoffen wir, dass es einfach nur zu einer zeitlichen Verzögerung kommt und dass es dann weitergeht, wie das ursprünglich geplant war.

    Reimer: Dieser Passus gehörte ja zu einem größeren Gesetz, einer umfassenden Regelung, Neuregelung, auch für die Finanzmärkte, den Dodd-Frank Act. Warum hat man ihn in den USA überhaupt eingefügt?

    Humborg: Ja, man hat in den USA gesehen, dass es an der Stelle Handlungsbedarf gibt. Wir haben das riesige Problem, dass in vielen Ländern Raubbau getrieben wird an der Natur, an der Umwelt – die Menschen verlieren ihre Umgebung –, und nicht selten ist da Korruption mit im Spiel. Und damit man da mehr Transparenz reinbringen kann, damit man erfahren kann, wo gibt es Beziehungen zwischen Regierungen in diesen Ländern, wo Raubbau an der Natur betrieben wird, und möglicherweise internationalen Konzernen, dass da mehr Transparenz reinkommt. Deswegen hat man diese Regelung einführen wollen.

    Reimer: Die Europäische Union hat vor knapp drei Wochen ein ähnliches Gesetz beschlossen. Es gibt einen Beschluss des Europaparlamentes, aber bisher schienen auch die Regierungen und die Kommissionen damit einverstanden, dass nämlich Zahlungen ab dem Betrag von 100.000 Euro offengelegt werden müssen. Wirkt sich diese Entscheidung der USA jetzt hier auf den weiteren Verlauf aus, was glauben Sie?

    Humborg: Wir denken nicht. Das Gesetz ist schon veröffentlicht worden, insofern müssten jetzt, wenn man das verzögern oder verändern wollte, müsste das Gesetz noch mal geändert werden, aber es ist ja auch noch gar nicht umgesetzt, weil diese Richtlinie der EU muss jetzt in nationales Recht umgesetzt werden. Da kann es sein, dass es dann deswegen jetzt noch mal ein bisschen mehr Ziehen gibt in verschiedene Richtungen, aber im Kern muss jetzt diese Richtlinie zügig in nationales Recht umgesetzt werden. Und ich denke, es führt letztlich eigentlich nur dazu, dass die Einführung in den USA und EU vielleicht jetzt etwas paralleler erfolgt, weil die USA hatte ja einen Zeitvorsprung.

    Reimer: Deutsche Unternehmen werden jetzt wahrscheinlich argumentieren, dass sie benachteiligt werden.

    Humborg: Also ich glaube, es ist eigentlich eher das Gegenteil. Wir haben ja in Deutschland relativ wenig Unternehmen, die tatsächlich selbst Rohstoffe irgendwo in der Welt abbauen, Deutschland ist eher ein Abnehmermarkt, wo Unternehmen Rohstoffe einkaufen müssen. Und wenn man in einem Markt nicht aktiv ist und vielleicht auch rein will – und das ist ja auch die Perspektive der Bundesregierung –, dann ist es eigentlich meistens gut, wenn ein Markt auch transparent wird. Insofern glaube ich, dass eigentlich mehr Transparenz im Rohstoffmarkt doch sehr im Sinne der deutschen Industrie ist, die Rohstoffe braucht.

    Reimer: Was hilft es, wenn europäische und US-amerikanische Unternehmen, börsennotierte Unternehmen ihre Zahlungen offenlegen müssen und die großen chinesischen Unternehmen oder auch andere Unternehmen aus Lateinamerika et cetera nicht?

    Humborg: Also zunächst mal müssen wir feststellen, dass es einen internationalen Trend gibt, es ist nicht nur USA und Deutschland – es gibt Diskussionen in der Schweiz und auch in Kanada, also in immer mehr Ländern. Aber was man auch nicht vergessen darf: Einige der größten chinesischen Rohstoffkonzerne sind auch in den USA notiert und unterliegen damit auch diesen Regelungen des Dodd-Frank Act. Insofern, glaube ich, kann man nicht davon ausgehen, dass jetzt alle chinesischen Unternehmen sich dem komplett entziehen können, aber man muss natürlich auf internationaler Ebene in den internationalen Organisationen auch dafür sorgen, dass jetzt auch die Länder nachziehen und es auch dort ähnliche Gesetze gibt.

    Reimer: Warum hat Deutschland so lange gebraucht, sich dieser EU-Regelung anzuschließen?

    Humborg: Ja, das ist mir auch ein wenig schleierhaft. Deutschland gehört ja zu denen, die in der EU da eher auf der Bremse standen. Ich hab das nie verstehen können, weil ich glaube, dass es im Interesse der deutschen Industrie ist – vielleicht ist das so ein Pawlow’scher Reflex, dass man sagt, sobald es irgendwo mehr Regeln gibt für Wirtschaft, sind wir erst mal dagegen. Das ist eigentlich die einzige Erklärung, die mir dazu einfällt.

    Reimer: Das war Christian Humborg, Geschäftsführer der Antikorruptionsinitiative Transparency International, über die aktuellen Initiativen für mehr Transparenz im Rohstoffbereich.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.