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Humor als Selbsthilfe im Beruf

Wer lacht, der lebt länger. Lachen hält aber nicht nur gesundheitlich fit. Es hilft auch, seelisch mit schweren Situationen besser umzugehen. Beispielsweise dann, wenn man tagtäglich mit menschlichen Schicksalen konfrontiert wird. Vom Pfarrer, über den Mitarbeiter in der Arbeitsagentur bis zum Krebsarzt - für bestimmte Berufsgruppen gehört Schmerz und Leid zur Arbeit einfach dazu. Warum ist Humor für sie so wichtig, auch wenn es augenscheinlich nichts zu lachen gibt?

Von Susann Blum |
    Wenn Uwe Schütz zur Arbeit geht, macht er Tag für Tag eine Verwandlung durch. Er stülpt die viel zu großen Schuhe über, schnürt die Hosenträger fest und schminkt sich das Gesicht in bunten Farben. Innerhalb von wenigen Minuten wird aus dem eher ruhig wirkenden Mann der strahlende "Trampolini". Uwe Schütz ist Klinikclown, er bringt kranke Kinder in Krankenhäusern in ganz Mitteldeutschland zum Lachen. Regelmäßig besucht er die Kinder auf den Krebsstationen und lässt sie für einige Minuten ihr Schicksal vergessen. Doch auch dem Clown ist nicht immer zum Lachen zumute. Für Uwe Schütz war es am Anfang schwer zu ertragen, die Kinder und ihre Familien leiden zu sehen. Besonders hart war es, als das erste Kind starb, erzählt Schütz. Ein halbes Jahr lang hatte er es betreut. Im Laufe der Jahre hat er gelernt, mit diesen Schicksalen umzugehen. Geholfen hat ihm persönlich dabei der Humor. Denn indem er seine eigene Arbeit mit einem Augenzwinkern betrachtet, erlebe er viele Dinge anders, intensiver.

    " Mit dem Tod muss man sich erst mal auseinandersetzen und begreifen, dass der Tod nichts anderes ist als das Ende vom Leben und den so akzeptieren wie er ist, genau wie eine Geburt. Wichtig ist eigentlich nicht, dass man den Tod in seinen Gedanken hat sondern das, was vorher passiert, nämlich das Leben. Und wenn man das weiß, kann man mit dem Leben gut und humorvoll umgehen. "

    Für die meisten Ärzte und Wissenschaftler ist längst klar, dass durch Humor und Lachen Selbstheilungskräfte frei gesetzt werden. Und die helfen eben nicht nur den Patienten, sondern auch dem Arzt auf der Krebsstation, mit Tod und Leid umzugehen, erklärt Klinikpsychologin Petra Nickel.

    " Richtiges Lachen, herzhaftes Lachen kann auflockern, kann befreien, kann Ängste oder auch viele Hemmungen lösen, nehmen, entspannend sein und kann frei machen für viele andere Dinge. Für andere Dinge wahrzunehmen aus der Umwelt oder umzugehen auch mit schwierigen Situationen. Das ist ein ganz wichtiges Phänomen, so dass auf der seelischen Seite zu beobachten ist, dass Lachen auflockern und entspannen kann. "

    In Besprechungen und selbst in Kaffeepausen versucht die Psychologin deshalb selbst immer, den belastenden Arbeitsalltag mit einem Augenzwinkern aufzuarbeiten. Da werden eigene Fehler bei der Arbeit ausgepackt und es wird, quasi als Selbsttherapie, herzhaft darüber gelacht.

    Humor und Arbeit, diese beiden Dinge gehören auch für Rolf-Michael Turek untrennbar zueinander. Der Theologe arbeitet seit acht Jahren als Krankenhausseelsorger. Zu ihm kommen Patienten und deren Angehörige, aber auch Ärzte und Schwestern, um sich den Kummer von der Seele zu reden. Auf positive Art und Weise versucht Turek eine Lösung zu finden. Und auch er selbst lacht oft bei der Arbeit. Denn so könne er bestimmte Situationen aus anderen Perspektiven beurteilen. Dabei hilft ihm auch sein so genanntes Humortagebuch. Hierbei versucht er, alltäglichen Situationen etwas Kurioses abzugewinnen und genau diese kuriosen Erlebnisse aufzuschreiben.

    " Das Humortagebuch besteht darin, täglich aufmerksam zu sein auf kuriose Zusammenhänge. Also allein wenn sie die Zeitung lesen können sie die Zeitung betrachten nach dem üblichen Muster "Was ist denn heute wieder alles Schlimmes passiert?". Sie können die Zeitung aber auch lesen, nach dem "Was ist alles kurioses passiert?". Ich bekomme einen Blick für die kuriosen Dinge. "

    Kurioses erlebt auch Gisela Künzel tagtäglich. Sie arbeitet bei der Leipziger Agentur für Arbeit. Ihr Arbeitsplatz ist seit vielen Jahren der Empfangstresen im Eingangsbereich der Agentur. Also der Ort, an dem die Arbeitslosen zuallererst ihren Frust ablassen. Gisela Künzel wird regelmäßig beschimpft und persönlich beleidigt. Und obwohl sie in der Zwischenzeit ein dickes Fell bekommen hat, beschäftigen manche Fälle sie noch lange.

    " Also in letzter Zeit hatte ich eine junge Frau, die hatte ein großes Problem, wie das so war, kein Geld bekommen, und war dann ziemlich ungehalten. Sie kam hier an und hat geschimpft. Ehe ich irgendetwas sagen konnte, waren wir alles mögliche nur keine Menschen mehr. Und jedes Mal, wenn ich einen Satz dazu sagen wollte, fing sie wieder an zu schreien und sagte dann zu mir, also sie sieht nicht ein warum sie hier hundert Jahre warten muss, nur dass sie endlich zu ihrer Kohle kommt. Und dann habe ich gesagt: 'Wie wärs denn mit zehn Jahren, reicht das?’ und habe ein bisschen gelächelt. Und wir haben dann beide gelächelt und gesagt 'Sehen Sie, es geht alles zu klären, man muss nur etwas die Ruhe bewahren’. "

    Solche Fälle erlebt Gisela Künzel regelmäßig. Um den nötigen Abstand zu bekommen, wertet sie extreme Fälle im Nachhinein mit ihren Kollegen aus. Dann ist Gisela Künzel selbst mal dran, den Frust abzulassen. Und dabei hat sie dann meistens einen deftigen Spruch auf den Lippen, der sich aber nie gegen die Arbeitslosen, sondern meist gegen sie selbst richtet.

    " Wenn wir den Humor verlieren würden, dann könnten wir unsere Arbeit an den Nagel hängen, weil dann wären wir hier sicherlich fehl am Platz. Wir müssen ja auch irgendwie leben und wir halten uns ja nur an das, was uns der Gesetzgeber vorschreibt und deswegen können wir auch unseren Humor nicht verlieren. "