Freitag, 19. April 2024

Archiv

Humor im Kölner Karneval
Schluss mit lustig

Wo fängt der Witz an? Wo hört der Spaß auf? Auch im Karneval ist Humor eine Frage des Geschmacks, insbesondere bei heiklen Themen. Unsere Autorin Beatrix Novy aber stärkt dem Spaß den Rücken. Sie meint: Gerade wenn’s ernst wird, ist der Frohsinn in der Pflicht.

Von Beatrix Novy | 04.03.2019
Motivwagen beim Kölner Rosenmontagszug 2019. Köln, 04.03.2019
Nicht selten bekommen Politiker im Karneval ihr Fett weg (imago / J.Krick / Future Image)
Es ist also mal wieder gutgegangen: Die meisten Rosenmontagszüge fanden, wenn auch etwas abgespeckt, statt. Historische Beispiele für wirklich ganz abgesagte Züge sind bisher selten, deshalb bleiben sie aber auch im Gedächtnis. Und das ist jetzt die Gelegenheit, an eine seinerzeit heiß diskutierte Absage in Köln zu erinnern: Hier fiel 1991 der Rosenmontagszug aus, weil der erste Golfkrieg, also die große Politik, einen so deprimierenden Schatten warf, dass ausgelassenes Feiern als deplatziert empfunden wurde.
Nicht von allen natürlich. Das Feiern ließ sich, hinter geschlossenen Türen, in Sitzungssälen und Kneipen, kaum einer nehmen. Expliziter Widerstand gegen die Entscheidung kam aber ausgerechnet aus der Szene, die kurz zuvor noch weiße Betttücher als Zeichen antimilitaristischen Protests aus den Fenstern gehängt hatte. Die Mitglieder des Kollektivs "Stunksitzung", das seit den 80er Jahren karnevalistisches Terrain vom verhassten Honoratiorenkarneval zurückeroberte und dessen oft unsägliche Spießbürgerrassismen so lustvoll aufgriff wie die politische Korrektheit im eigenen Lager - sie kündigten einen Ersatzzug an, erinnerten an die politische Protestgeschichte des Karnevals - die Preußen damals! - und reicherten ihre parodistische Sitzung an mit Slogans wie "Wehrt euch, leistet Widerstand / gegen die Betroffenheit im Land".
Karnevalsdebatten in ernsten Zeiten
Gerade wenn's ernst wird, hat der Frohsinn die tendenziell widerständigen Lebensgeister zu wecken, hat Satire ihre Pflicht zu tun. An dieser Botschaft haben sich immer wieder Karnevalsdebatten entzündet. Etwa bei der Absage eines Mottowagens zum Fall Charlie Hebdo, der 2015 als Bekenntnis zur Meinungsfreiheit mitfahren sollte, aber nicht durfte.
Auf wesentlich kleinerer Flamme köcheln die alten Diskussionen um Büttenredner, Komiker auf dem schmalen Grat zwischen Volkstümlichkeit und Provokation, zwischen Wohlfühlhumor und Aufmerksamkeitsstreben. Den überregionalen Debattenhit dieses Jahres lieferte ein eher müder Scherz des Altmeisters Bernd Stelter über Doppelnamen und ihre Folgen - AKK beziehungsweise die Reaktion einer Weimarer Besucherin, die nach eigenem Bekunden "selbst einen Doppelnamen" trägt - genug Anlass, die Bühne zu stürmen und sich solche Witze zu verbitten.
Bisher verzichtet offenbar die Mehrheit der Doppelnamenträger auf diese Chance, ihren Status als Minderheit mit der Forderung nach Satireverboten zu verknüpfen - wozu es im Karneval Anlässe und Beispiele genug gab und gibt.
Kein Karneval ohne Angriffe auf den guten Geschmack
Wer das Recht hat, sich Witze zu verbitten, obwohl ja Satire nach Tucholskys Worten eigentlich "alles darf", das ist ein weites Feld. Gehört die Karnevalsgesellschaft mit dem N-Wort im Namen umbenannt? Sind Indianerkostüme beleidigend? Was ist mit den Cowboys? Auch im Karneval haben diese Themen schon viel verändert und auch abgeschafft; auch im Karneval muss immer neu verhandelt und austariert werden, wo der Witz aufhört. Und auch im Karneval muss der Witz sich immer wieder verteidigen. Als einmal der Kölner Stadt-Anzeiger mit dem Foto einer Frau titelte - ein Mitglied der legendären Fußtruppe "Ahl Säu" -, die sich Schweineköpfe als Brüste vorgebunden hatte, hagelte es Leserbriefe. Einer gipfelte im Urteil, dieses Kostüm sei "frauenfeindlich und tierfeindlich". Da hat jemand etwas nicht begriffen. Ohne Angriffe auf den guten Geschmack wäre der Karneval doch gar nicht entstanden.