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Hunde futtern verboten

Die Chinesen müssen künftig möglicherweise auf eine beliebte Spezialität verzichten: Katzen- und Hundefleisch. Einem neuen Gesetzentwurf gegen Tierquälerei zufolge sollen diese Fleischsorten von der Speisekarte gestrichen werden.

Von Beatrix Novy |
    Verirrte Wale, hungernde Meisen, ausgesetzte Katzen, zu Tode gehetzte Corrida-Stiere – alle haben ihre starke Lobby. Und der Hund? Ist sowieso der beste Freund des Menschen. In unserem Kulturkreis. Anderswo, und bei diesem Gedanken erschauert unser Kulturkreis, in China also ist der Hund eine Ware, die gesotten und gebraten auf den Tisch kommt. Die bloße Erwähnung dieser fernöstlichen Usancen provoziert den Reflex tiefen Abscheus.

    Wer jetzt ein Wort fallen lässt über kulturelle Differenzen oder über den massenmörderischen Umgang mit unserem intelligentesten Mitgeschöpf, dem Schwein, wird scheele Blicke ernten. Einem Künstler, der auf einer Webseite Hundefleisch zum Bestellen anbot, ist es fast so ergangen. Diese Webseite wirkte mit Preisliste, verschiedenen Hundesorten und sadistischen Zubereitungstipps sehr realistisch – war aber alles gefakt. Doch was ist mit dem Gericht "gekochte lebende Katze", angeblich ein Leckerbissen in einer gewissen chinesischen Provinz? Wir wollen auch das lieber unter dem Kapitel Medienlegenden ablegen.

    Aber das schaurige Rezept stand immerhin in einer chinesischen Zeitung. Und dass diese und andere belegte Tierquälereien im Dienst des Wohlgeschmacks in China neuerdings überhaupt ein Thema sind, sieht der Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung" als Zeichen eines Einstellungswandels. Hundeverzehr verträgt sich nicht mit den neuen städtischen Milieus und Lebensstilen, die der gesellschaftliche Umbruch ausbildet, es sind die Angehörigen des kleinen, aber tonangebenden Mittelstands, die ihre Wertvorstellungen einem neuen Hobby anpassen: sich Hund oder Katze zu halten statt sie zu essen. Sie machen Front gegen eine Tradition, die alles in den Kochtopf wirft, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, und die ihnen nun, im Zusammenleben mit dem Tier, barbarisch erscheint. Folge: Es kommt in chinesischen Städten zu Demos! Tierschützer stehen vor Fleischmärkten, Tierschützer belagern Restaurants, die Hundefleisch servieren. Ist womöglich der Tag nahe, an dem die erwähnten kulturellen Differenzen sich abgeschliffen haben werden? Dagegen steht der inzwischen erwachte Protest eingefleischter chinesischer Gourmets, die sich wegen ihrer Vorliebe für Hunderagout nicht beschimpfen lassen wollen.

    Und dafür besteht ja auch kein Grund. Wohlgeschmack oder Widerwillen, Tabu oder Delikatesse - das halten Völker, Religionen und Kulturen überall anders. Der Europäer ekelt sich vor der gebackenen Qualle, die Indonesierin vor der Schweinshaxe: Welch unglücklicher Anblick. Nein, es sollte keine Frage interkultureller Höflichkeit sein, sich an den ungewohnten Esssitten anderer jederzeit beteiligen zu müssen.

    Sieht man von der grundsätzlichen ethischen Problematik des Fleischverzehrs ab, ist nicht das Essen von Tieren das Problem, sondern der Umgang mit ihnen. Die von Geburt an festgekettete, vegetierende Promenadenmischung im griechischen Dorf wird gern als Fall kultureller Differenz gedeutet: in derlei ländlichen Regionen ist das Verhältnis zum Tier halt unsentimental. Das ist richtig, aber nicht akzeptabel. In deutschen Dörfern gehörte es vor ein paar Jahrzehnten für Buben zum guten Ton, Frösche bis zum Platzen aufzublasen – auch nicht akzeptabel. Es gibt nämlich überhaupt keine akzeptable Begründung für Tierquälerei, ob Dorf oder Stadt, und im Prozess der Humanisierung spielt der Tierschutz, den Arthur Schopenhauer schon zu seiner Zeit leidenschaftlich forderte, eine tragende Rolle.

    Aber solange diese Einsicht sich verträgt mit Massentierhaltung und Billigfleischproduktion, gekoppelt mit hysterischer Tierliebe und vereinzelten Wellen öffentlicher Anteilnahme für verirrte Wale, solange bleibt sie ein Zynismus. Wer Schweine quält, soll über Hunde nicht zu viel sprechen.