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Hungrige Putztruppe

Mikrobiologie. - Eigentlich sind Kläranlagen dazu da, das Abwasser zu reinigen. Aber machen sie das auch gründlich genug? Spätestens seit EHEC-Erreger in einem Fluss aufgetaucht sind, steht das, zumindest was Bakterien betrifft, in Frage. Wimpertierchen könnten bei den Mikroben helfen, denn sie mögen sie zum Fressen gern.

Von Miriam Ruhenstroth |
    Mit dem bloßen Auge ist sie nur als kleines Pünktchen zu erkennen. Wer Tetrahymena pyriformis aber unter dem Elektronenmikroskop anschaut, der sieht ihr borstiges Cilienkleid, ihren langen Schlund und ihr gefräßiges Maul. Tetrahymena sind Einzeller, gehören zur Gruppe der Wimpertierchen, auch Ciliaten genannt, und leben im Wasser.

    "Im Prinzip sehen sie so aus wie eine Birne, deswegen heißen sie auch Tetrahymena pyriformis, die birnenförmige Tetrahymena: Diese Tetrahymena hat aus umgeformten Cilien ein Schaufelorgan, mit dem sie in einen echten Zellmund alles reinschaufeln kann, was an einer bestimmten Teilchengröße an ihr vorbeikommt","

    sagt Wolfgang Eichler vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen. Er hat die kleinen Einzeller vor langer Zeit für ein Forschungsprojekt kultiviert und dabei eines festgestellt: Sie fressen gerne und viel, am allerliebsten Bakterien. Das hat ihn vor ein paar Jahren auf die Idee gebracht, die hungrigen Tierchen dort einzusetzen, wo man Bakterien gerne loswerden möchte. Im gereinigten Abwasser von Kläranlagen.

    ""Die Grundlage der Idee ist, dass die bisher etablierten Methoden – da hat es einmal die Membranfiltration und die UV-Behandlung, gegebenenfalls auch noch Ozonbehandlung – dass die zwar wirksam sind, aber sehr viel Geld kosten, und wie bei der UV-Behandlung nicht 100 Prozent wirksam sind, weil da zu viele Störstoffe im Abwasser, im geklärten Abwasser sind."

    Im geklärten Abwasser sind in der Regel noch eine ganze Menge Bakterien. Die gelangen dann am Klärwerksausgang in das nächstgelegene Fließgewässer und so in die Umwelt. Ob die Ciliaten diese Bakterienlast reduzieren könnten, hat Wolfgang Eichler in Zusammenarbeit mit Arno Tiedtke von der Universität Münster ausprobiert. Im Labormaßstab, mit drei verschiedenen Bakterienarten als Testfutter.

    "Und wir konnten zum Schluss sagen, dass das eine Methode ist, die man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Praxis einsetzen kann. Und das ist der aktuelle Stand: Die Laboruntersuchungen sind gemacht, und ich hoffe, dass demnächst eine Untersuchung auf einer Modellkläranlage stattfinden kann Und wenn das funktioniert, dann kann man wirklich sagen: Es funktioniert oder es funktioniert nicht."

    Wie genau diese biologische Endreinigung in der Praxis aussehen könnte, ist noch nicht ganz klar. Denkbar wäre ein extra Becken am Ende des Reinigungsprozesses, oder eine drehbare Trommel mit einem Siebgitter, damit die Ciliaten nicht weggespült werden. In jedem Fall hätte die Methode einen großen Vorteil. Eichler:

    "Ja, sie ist eigentlich relativ billig, wenn man an Energieeinsatz denkt, dann wäre das höchstens das Anzüchten der Animpfkultur und der Strom, wenn man eine solche Filtertrommel einsetzt."

    Und während zum Beispiel bei der Reinigung mit Membranfiltern nur Bakterien entfernt werden, geht es bei den Ciliaten auch freier DNA an den Kragen.
    "Tetrahymen ist ein Süßschlecker, alles wo Zucker drin ist, wird von denen bevorzugt aufgefressen, wenn also keine Bakterien oder wenig Bakterien vorhanden sind. Und in diesem Zusammenhang ist die DNA relevant: weil DNA besteht ja vor allem aus Zucker, aus der Ribose, aus der Desoxyribose."

    Freie DNA kommt aus toten und geplatzten Bakterien ins Wasser und kann von anderen Bakterien aufgenommen werden. So können sich unerwünschte Eigenschaften, zum Beispiel Antibiotikaresistenzen, auf Bakterien in der Umwelt ausbreiten. Die Reinigung mit Tetrahymena könnte diesen Vorgang eindämmen. Ob sie die Bakterienmischung aus dem Abwasser auch so gierig fressen wie die Testbakterien, muss sich zeigen. Jetzt sucht Wolfgang Eichler erst mal geeignete Projektpartner – solche die sich mit hungrigen Ciliaten auskennen.