Michael Köhler: Ein festlicher Abschluss der Spielzeit 2011/2012 sollte es werden, eine multimediales Ereignis mit Public Viewing und Picknick: Stuttgarts neuer "Don Giovanni". Thomas Voigt, Sie haben mir gestanden, die erste Hälfte der Inszenierung haben Sie auf dem grünen Rasen in Wärme bei Picknick verbracht. Was hat diese leitende Regisseurin Andrea Moses denn aus dem "Don Giovanni" alles gemacht?
Thomas Voigt: Also das Picknick war nett, muss ich gleich sagen, der Public-Viewing-Teil war wirklich prima, und ich hab die Atmosphäre sehr genossen, und das Screening und auch die Akustik waren in Ordnung.
Köhler: Am See?
Voigt: Am See. Voll besetzt, eine Riesenmenge ist erschienen.
Köhler: Schöner Sommerabend.
Voigt: Wunderbar. Was die Regisseurin gemacht hat, wurde dann eher sekundär. Also das ganze Paket hat da gestimmt. Was mich dann verstimmt hat, war in der Pause eben – Sie haben es gesagt – Pausenclown Harald Schmidt, wie er dann einige Leute interviewte, und es kriegte so eine flache – es wurde so flach, dass ich sagte, nee, also da klinke ich mich aus. Ich sollte ursprünglich auch noch ein Statement zu den Sängern oder zum musikalischen Teil geben und dachte, nee. Das war mir dann wirklich einfach zu trivial. Und da hätte ich mir gewünscht, dass man eben nicht dem Publikum oder dem Massengeschmack nachrennt und dann das liefert, was die erwarten, sondern dass man vielleicht auch mal versucht, die Leute zu interessieren für die Inhalte. Für die Inszenierung zum Beispiel oder für die Musik von Mozart oder was vielleicht auch irgendwie tiefer geht als jetzt nur ein Public Viewing. Ich möchte das damit nicht gering schätzen, ich finde es klasse, wenn man Leute dafür interessiert und auf diese Art und Weise heranholt, aber dann müsste man ihnen auch die Möglichkeit geben, sich ein bisschen zu vertiefen und ein bisschen mehr noch mitzukriegen vom Stück und von dieser gewaltigen Dimension, die ja der "Don Giovanni" hat. Was die Inszenierung betrifft – ja, da gab's Momente, wo ich wirklich lachen musste, zum Beispiel wenn Elvira ausflippt und da auf der Hochzeit von Masetto und Zerlina mit Bratwürstchen und Ketchupflaschen um sich wirft. Aber dann ...
Köhler: Das hat ja die Regisseurin angekündigt, sie wollte es als heitere Komödie inszenieren.
Voigt: Ja, das war eine Boulevardkomödie mit ein paar netten Sachen, aber auch mit welchen, die mich wirklich geärgert haben, zum Beispiel bei folgender schwierigen Arie:
((Musikeinspielung))
Ja, das sind die berühmt-berüchtigten Koloraturen der Donna Anna. Jede Sängerin zündet danach innerlich drei Kerzen an, wenn sie das hinter sich hat, das ist die absolute Teststelle. Und da sollte man auch wirklich alles tun, damit da nicht von der Musik und von der Konzentration abgelenkt wird. Was passiert in der Stuttgarter Inszenierung? Ottavio, der immer wieder abgewiesene Verlobte von Donna Anna, dem sie sich verweigert, sexuell verweigert, steht im Hintergrund und holt sich einen runter. Sie macht so eine Wischnummer zu der Arie, mit so einem Putzlappen, und als es dann bei ihm so weit ist, wirft sie ihm schnell den Lappen hin: Da - putz dich ab! Das ist ein solcher Schlag ins Gesicht, wenn man die Musik liebt, wenn man weiß, wie schwierig das zu singen ist. Also wenn ich die Donna Anna gewesen wäre, ich hätte mir das verbeten und gesagt, dieser Quatsch im Hintergrund hört sofort auf oder ich verlass hier die Bühne.
Köhler: Diese Rollen, der Don Giovanni, die Donna Anna, die Sie gerade erwähnt haben, und die Donna Elvira, das sind Rollen, mit denen auch Referenzaufnahmen verbunden sind. Wir haben eben mal so kurz vorher gesprochen, das sind einfach Namen wie Fritz Wunderlich, Elisabeth Grümmer, Elisabeth Schwarzkopf, man denkt an so was. Das ist eigentlich eine der heiligsten Opern, die denn da so ein bisschen verhunzt wurde in Stuttgart?
Voigt: Nein, da holen Sie aber auch schon ganz scharfe Geschosse aus der Waffenkammer, also das kann man mit der Sängergeneration nicht mehr vergleichen, finde ich, also was die Persönlichkeit betrifft. Es gibt viele gute Mozartsänger heute, die technisch enorm viel können, aber Persönlichkeiten wie Siepi, London, Grümmer, Schwarzkopf, wie Sie alle genannt haben, da wird es schon schwierig heute. In Stuttgart, muss ich sagen, war ein sehr gutes Ensemble, und gerade die Donna Anna, die wir gerade gehört haben, Simone Schneider: Donnerwetter, dass man mit so einer großen Stimme doch diese kleinen vertrackten Noten so noch artikulieren konnte. Das ist wirklich etwas Ungewöhnliches, und das muss man wirklich anerkennen. Auch die Ensembleleistungen, das ist im Finale eins und in diesen Quartetten, Quintetten, Sextetten, dass das harmonierte, das ist durchaus nicht selbstverständlich. Und insofern muss ich sagen, Hut ab für den musikalischen Teil.
Köhler: Ensembleleistung geht in Ordnung, schöner Sommerabend war es auch, aber ein bisschen zu sehr popularisiert, meint Thomas Voigt zum "Don Giovanni" aus Stuttgart. Danke für Ihre Einschätzungen und Erlebnisse, die Sie uns geschildert haben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Thomas Voigt: Also das Picknick war nett, muss ich gleich sagen, der Public-Viewing-Teil war wirklich prima, und ich hab die Atmosphäre sehr genossen, und das Screening und auch die Akustik waren in Ordnung.
Köhler: Am See?
Voigt: Am See. Voll besetzt, eine Riesenmenge ist erschienen.
Köhler: Schöner Sommerabend.
Voigt: Wunderbar. Was die Regisseurin gemacht hat, wurde dann eher sekundär. Also das ganze Paket hat da gestimmt. Was mich dann verstimmt hat, war in der Pause eben – Sie haben es gesagt – Pausenclown Harald Schmidt, wie er dann einige Leute interviewte, und es kriegte so eine flache – es wurde so flach, dass ich sagte, nee, also da klinke ich mich aus. Ich sollte ursprünglich auch noch ein Statement zu den Sängern oder zum musikalischen Teil geben und dachte, nee. Das war mir dann wirklich einfach zu trivial. Und da hätte ich mir gewünscht, dass man eben nicht dem Publikum oder dem Massengeschmack nachrennt und dann das liefert, was die erwarten, sondern dass man vielleicht auch mal versucht, die Leute zu interessieren für die Inhalte. Für die Inszenierung zum Beispiel oder für die Musik von Mozart oder was vielleicht auch irgendwie tiefer geht als jetzt nur ein Public Viewing. Ich möchte das damit nicht gering schätzen, ich finde es klasse, wenn man Leute dafür interessiert und auf diese Art und Weise heranholt, aber dann müsste man ihnen auch die Möglichkeit geben, sich ein bisschen zu vertiefen und ein bisschen mehr noch mitzukriegen vom Stück und von dieser gewaltigen Dimension, die ja der "Don Giovanni" hat. Was die Inszenierung betrifft – ja, da gab's Momente, wo ich wirklich lachen musste, zum Beispiel wenn Elvira ausflippt und da auf der Hochzeit von Masetto und Zerlina mit Bratwürstchen und Ketchupflaschen um sich wirft. Aber dann ...
Köhler: Das hat ja die Regisseurin angekündigt, sie wollte es als heitere Komödie inszenieren.
Voigt: Ja, das war eine Boulevardkomödie mit ein paar netten Sachen, aber auch mit welchen, die mich wirklich geärgert haben, zum Beispiel bei folgender schwierigen Arie:
((Musikeinspielung))
Ja, das sind die berühmt-berüchtigten Koloraturen der Donna Anna. Jede Sängerin zündet danach innerlich drei Kerzen an, wenn sie das hinter sich hat, das ist die absolute Teststelle. Und da sollte man auch wirklich alles tun, damit da nicht von der Musik und von der Konzentration abgelenkt wird. Was passiert in der Stuttgarter Inszenierung? Ottavio, der immer wieder abgewiesene Verlobte von Donna Anna, dem sie sich verweigert, sexuell verweigert, steht im Hintergrund und holt sich einen runter. Sie macht so eine Wischnummer zu der Arie, mit so einem Putzlappen, und als es dann bei ihm so weit ist, wirft sie ihm schnell den Lappen hin: Da - putz dich ab! Das ist ein solcher Schlag ins Gesicht, wenn man die Musik liebt, wenn man weiß, wie schwierig das zu singen ist. Also wenn ich die Donna Anna gewesen wäre, ich hätte mir das verbeten und gesagt, dieser Quatsch im Hintergrund hört sofort auf oder ich verlass hier die Bühne.
Köhler: Diese Rollen, der Don Giovanni, die Donna Anna, die Sie gerade erwähnt haben, und die Donna Elvira, das sind Rollen, mit denen auch Referenzaufnahmen verbunden sind. Wir haben eben mal so kurz vorher gesprochen, das sind einfach Namen wie Fritz Wunderlich, Elisabeth Grümmer, Elisabeth Schwarzkopf, man denkt an so was. Das ist eigentlich eine der heiligsten Opern, die denn da so ein bisschen verhunzt wurde in Stuttgart?
Voigt: Nein, da holen Sie aber auch schon ganz scharfe Geschosse aus der Waffenkammer, also das kann man mit der Sängergeneration nicht mehr vergleichen, finde ich, also was die Persönlichkeit betrifft. Es gibt viele gute Mozartsänger heute, die technisch enorm viel können, aber Persönlichkeiten wie Siepi, London, Grümmer, Schwarzkopf, wie Sie alle genannt haben, da wird es schon schwierig heute. In Stuttgart, muss ich sagen, war ein sehr gutes Ensemble, und gerade die Donna Anna, die wir gerade gehört haben, Simone Schneider: Donnerwetter, dass man mit so einer großen Stimme doch diese kleinen vertrackten Noten so noch artikulieren konnte. Das ist wirklich etwas Ungewöhnliches, und das muss man wirklich anerkennen. Auch die Ensembleleistungen, das ist im Finale eins und in diesen Quartetten, Quintetten, Sextetten, dass das harmonierte, das ist durchaus nicht selbstverständlich. Und insofern muss ich sagen, Hut ab für den musikalischen Teil.
Köhler: Ensembleleistung geht in Ordnung, schöner Sommerabend war es auch, aber ein bisschen zu sehr popularisiert, meint Thomas Voigt zum "Don Giovanni" aus Stuttgart. Danke für Ihre Einschätzungen und Erlebnisse, die Sie uns geschildert haben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.