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Hydrologie
Abholzung kann Gewässer positiv beeinflussen

Abholzungen könnten für die Entwicklung mancher Feuchtbiotope eine größere Rolle spielen als angenommen - und durchaus auch eine positive. Ein Beispiel ist das Naturschutzgebiet des Little Llangothlin in Australien, als wichtiger Lebensraum für Wasser- und Watvögel von internationaler Bedeutung. Dieses Gebiet ist ein - wenn auch unbeabsichtigtes - Geschenk des Menschen an die Natur.

Von Dagmar Röhrlich | 15.01.2015
    1996 stufte die UNESCO den Little Llangothlin Lake in New South Wales als Feuchtbiotop von internationaler Bedeutung ein. Dort leben Sumpfwallabies, Australische Rohrdommeln, blauschnäbelige Ruderenten und die fast ausgestorbenen Gelbgefleckten Laubfrösche:
    "Wenn wir solche Gebiete haben, die wir schützen wollen, gehen wir normalerweise davon aus, dass ein Wald im Einzugsgebiet eine gute Sache ist."
    Schließlich verbessern Bäume die Wasserqualität, beschreibt Craig Woodward, Ökologe an der University of Queensland. Bislang galt deshalb die These: Aufforstung ist gut, Abholzung schlecht. Und zwar, weil durch Abholzung plötzlich Massen an Sediment und Nährstoffen die empfindlichen Biotope aus dem Gleichgewicht bringen. Die Effekte auf die Menge des Wassers fanden bislang jedoch kaum Beachtung, sagt Craig Woodward:
    "Wir haben deshalb einige Fallstudien durchgeführt. Unser Ausgangspunkt war Neuseeland, weil der Mensch dort erst um 1250 n. Chr. angekommen ist und sich die Natur bis dahin unbeeinflusst entwickeln konnte. Wir haben aber auch die Auswirkungen von Abholzungen in Europa untersucht oder in Australien, das einer der trockensten Kontinente der Erde ist."
    Neben diesen Arbeiten im Gelände und im Labor durchforsteten die Wissenschaftler auch die Literatur und simulierten anhand der zur Verfügung stehenden Daten, wie sich im Einzugsgebiet eines Feuchtbiotops durch Abholzung die Wassermenge verändert.
    "Das Abschlagen eines Walds kann genauso wirken, als ob ein Fünftel mehr Regen fallen würde. Denn dadurch wächst die Wassermenge im Feuchtbiotop um den Anteil, den die Bäume zuvor aufgenommen und verdunstet haben. Im Fall des Little Llangothlin stellten wir aufgrund unserer Geländearbeit fest, dass dieses Feuchtbiotop vor der Abholzung durch die europäischen Siedler nur ein sehr vergängliches Phänomen war. Hin und wieder entstanden sumpfiges Land, das sofort darauf austrocknete."
    Denn dort wuchs ein Eukalyptuswald, der das Wasser verbrauchte. Und so zeigen die Untersuchungen von Craig Woodward und seinen Kollegen, dass Abholzungen in Feuchtgebieten durchaus positive Aspekte haben können:
    "Auf den ersten Blick scheinen unsere Analysen zu belegen, dass Abholzung gut für Feuchtgebiete ist. Und mit Blick auf die Wassermenge kann das auch stimmen. Wird im Einzugsgebiet eines Sumpfes oder Sees einmal abgeholzt und die Fläche danach in Weideland verwandelt, kann diese eine Abholzung auf lange Sicht die Hydrologie in dem Feuchtgebiet stützen."
    Und zwar, wenn das Feuchtgebiet in einer Region liegt, in der es vergleichsweise trocken ist. Rund um die Erde machten die Forscher Gebiete aus, für die das der Fall ist: In Australien ebenso wie in Nordamerika, in Europa ebenso wie in Afrika. Den Analysen zufolge hat von den 317 Feuchtbiotopen, die in die Studie eingegangen sind, etwa jedes zehnte von der Abholzung profitiert.
    "Im Fall des Little Llangothlin stellt sich damit für das Management eine interessante Frage: Dieses Biotop, das zu den weltweit bedeutendsten zählt, existiert nur durch Eingriffe des Menschen, und das ist eine Zwickmühle für jeden Umweltmanager: Soll er dieses unnatürliche System erhalten oder es durch Aufforstung wieder in einen natürlichen Zustand bringen."
    Derzeit seien rund um Welt viele Aufforstungsprojekte geplant, um die Wasserqualität in Feuchtbiotopen zu verbessern, erzählt Craig Woodward. Die sollten nun aufgrund der Ergebnisse im Vorfeld überprüft werden - auch mit Blick auf die Veränderungen in den Niederschlägen, die durch den Klimawandel zu erwarten sind: Sonst könnte es durchaus unangenehme Überraschungen geben.