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Hydroxymethylfurfural - Zungenbrecher mit Aroma

Das Molekül dieser Woche heißt Hydroxymethylfurfural. Vielleicht stimmt es, dass noch kein Normalsterblicher von diesem Molekül gehört hat. Auch nicht von seiner Abkürzung HMF. Doch in der Nase hatte es jeder von uns schon mal.

Von Volker Mrasek | 15.06.2011
    "Das ist das, was Sie kennen, wenn Sie Karamell in der Pfanne machen."

    Hydroxymethylfurfural entsteht nämlich bei der thermischen Zersetzung von Zuckern.

    "Das heißt, Sie geben Zucker in eine Pfanne, erhitzen das, und irgendwann wird das so gelb und fängt an, karamellartig zu riechen."

    Das sind dann HMF und einige chemisch ähnliche Verbindungen.

    Doch nicht als Küchenaroma könnte das süßliche Molekül bald häufiger von sich reden machen. Sondern als wichtiger Grundstoff einer neuen Industriechemie. Sie wird Kunst- und Kraftstoffe nicht mehr aus der endlichen Ressource Erdöl gewinnen, sondern aus pflanzlicher Biomasse.

    Ein Labor im Institut für Technische Chemie der RWTH Aachen:

    "Also, wir füllen jetzt das HMF aus dem Schnappdeckelgläschen in den Autoklaven."

    "Ein Metallgefäß, das hohen Druck aushalten kann, wo man chemische Reaktionen drin durchführen kann."

    "Dann wird das HMF da reingegeben, plus ein Lösungsmittel. Der Autoklav wird zugeschraubt, und das Ganze wird unter Druck gesetzt."

    An dem Aachener Institut dreht sich schon heute viel um Hydroxymethylfurfural.

    "Ja, das ist ein ganz faszinierendes Molekül, das man relativ simpel aus einfachen Zuckern gewinnen kann."

    Zuckern wie Glukose zum Beispiel, fährt Regina Palkovits fort, Chemie-Professorin an der RWTH Aachen:

    "Im weitesten Sinne kann man sogar Zellulose, also praktisch einen Baumstamm, in dieses Molekül umsetzen. Diese Zellulose, die Sie auch vom Papier kennen, die besteht praktisch einfach nur aus Glukose-Einheiten. Das ist also ein Zucker-Polymer."

    Genau das ist auch der Reiz an HMF: Die ringförmigen Moleküle haben zwei Seitenarme und lassen sich damit ebenfalls zu langen Polymer-Ketten verknüpfen. Man könnte auch sagen: zu Bio-Kunststoffen. Die sind heute mehr denn je gefragt ...

    "Und HMF hat jetzt den Vorteil: Wenn man diese zwei funktionellen Gruppen gezielt umsetzt in Säuregruppen, dann kommt man zu einem Molekül, das sieht einem anderen Molekül, was wir schon kennen, ganz ähnlich. Und das ist PET."

    Stimmt, kennen wir von Plastikflaschen:

    Das ist Polyethylenterephthalat. So würde Ihre Cola-Flasche in lang heißen. Und das Hintere, dieses Terephthalat, das ist im Prinzip auch wieder nichts anderes als ein Ring mit zwei Säuregruppen dran. Und dementsprechend konnte man auch wirklich schon PET-Äquivalente mit dem HMF mit den zwei Säuregruppen dran herstellen. Das könnte also wirklich mal einen Zugang bieten zu Cola-Flaschen aus Zucker."

    Für Regina Palkovits ist Hydroxymethylfurfural aber nicht nur ein potenzieller Plastikersatz wie zum Beispiel Polymilchsäure, ein Bio-Kunststoff, der schon auf dem Markt ist. Die Chemie-Ingenieurin und andere Forscher sehen in HMF weit mehr. So ließen sich aus dem Molekül auch Bio-Kraftstoffe machen.

    "Ein Beispiel wäre Dimethylfuran. Ist praktisch direkt kompatibel mit Benzinmotoren."

    Hydroxymethylfurfural - ein Kandidat

    "auch für Basischemikalien der chemischen Industrie. Und wenn das mal klappt, dann wäre das in Mengen verfügbar, die für die chemische Industrie tatsächlich auch einen Rohstoff für die Zukunft darstellen könnten."

    Noch fehlen aber die richtigen Prozesskatalysatoren, um HMF bei milden Bedingungen und mit genügender Ausbeute herzustellen. Chemiker und Verfahrenstechniker entwickeln sie zurzeit.

    Links zum Thema

    Weitere Beiträge der Reihe: Molekül der Woche
    Deutschlandfunk-Reihe zum UN-Jahr der Chemie 2011