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Hype mit Ansage: Der OECD-Bildungsbericht

Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück. Trotz leichter Verbesserungen ist Deutschland im Bildungsbereich international nur mittelmäßig. Das bescheinigt die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa, den deutschen Schulen und Hochschulen in ihrem gestern vorgelegten Jahresbericht "Bildung auf einen Blick". Und prompt melden sich alle diejenigen zu Wort, die meinen, eine fachlich begründete Meinung zum Thema Bildung zu haben - und das ist ja nun bekanntlich fast jeder.

Von Armin Himmelrath |
    Jetzt heulen und jammern und jaulen sie wieder, wie jedes Jahr im September, immer dann, wenn der neue OECD-Bildungsbericht veröffentlicht wird. "Platz 20 im internationalen Vergleich! Eine Schande! Das wäre mit der Gesamtschule nicht passiert!", zetern die einen. "Ja, eine Schande! Aber doch nur wegen der fatalen Gesamtschulexperimente! Ein klares dreigliedriges Schulsystem, und der Niedergang wäre uns erspart geblieben!", kreischen die anderen. Das Ritual funktioniert so: Erst wird der politische Gegner für das schlechte Abschneiden des deutschen Bildungswesens verantwortlich gemacht, und dann werden genauso formelhaft die eigenen genialen Reformideen als Ausweg aus der Misere lobgepriesen.

    Verlogenes politisches Geheule ist das, mehr nicht. Denn der OECD-Bildungsbericht macht doch nichts anderes, als einen Überblick über die nationalen Bildungsdaten zu geben. Er fasst also zusammen, was aus Einzelstudien längst allgemein bekannt ist. Und so bescheinigt er Deutschland auch in diesem Jahr erwartungsgemäß eine niedrige Abiturienten- und Studierendenquote, benennt als Folge den Fachkräftemangel etwa im Ingenieurbereich und regt an, über Reformen zur Behebung dieser Misere nachzudenken. Nicht mehr und nicht weniger leistet dieser Bericht, und damit ist er eigentlich auch nicht mehr als eine Fachstudie für Experten, die sich einen Überblick über Veränderungstendenzen in nationalen Bildungssystem verschaffen wollen.

    Aber weil seit der ersten PISA-Studie vor sechs Jahren jeder Hinterbänkler meint, sich in Sachen Schule, Hochschule und Berufsbildung auszukennen, geraten auch solche Fachstudien zum Anlass für mehr oder wenige qualifizierte Wortmeldungen. Dabei müsste den selbsternannten Rettern des deutschen Bildungssystems eines eigentlich klar sein: Schul- und Hochschulstrukturen lassen sich nicht in wenigen Wochen oder Monaten verändern - und entsprechend blödsinnig ist es, jährliche Überblicksberichte zum Indikator für den Erfolg von Reformen zu machen. Setzen, Mund halten, Hausaufgaben machen: Das ist es, was echte und vermeintliche Bildungspolitiker aus dem OECD-Bericht lernen können. Und keine Sorge: Der nächste Anlass zum Aufregen kommt bestimmt. Im Dezember werden schließlich die neuesten PISA-Ergebnisse veröffentlicht.