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IAA Hannover
Nutzfahrzeuge sollen elektrisch durchstarten

Summis statt Brummis - auch Busse und Lkw sollen künftig vermehrt elektrisch unterwegs sein. Doch auf der Messe IAA Nutzfahrzeuge in Hannover zeigt sich: Die Hersteller müssen dafür noch einiges tun.

Von Alexander Budde | 19.09.2018
    Ein neuer Urban eTruck von Mercedes Menz steht während eines «Product Experience» im Vorfeld der Automesse IAA Nutzfahrzeuge in einem Hangar auf dem Flughafen Hannover - zur IAA.
    Mercedes Benz stellt auf der IAA einen eTruck vor (Hauke-Christian Dittrich/dpa)
    Online-Handel und Güterverkehr wachsen rapide –die Nutzfahrzeughersteller verkünden zum Messestart weltweit steigende Absatzzahlen. Die Märkte in Europa laufen weiterhin rund, in China können sie um acht, in den USA gar um 18 Prozent zulegen. Was droht, sind Klimakollaps und Verkehrsinfarkt – doch MAN-Chef Joachim Drees ist in Hannover nicht der einzige Manager, der in martialischer Bühnenshow bekundet:
    "Wir sind nicht Teil des Problems, wir sind Teil der Lösung."
    Unter dem Namen Traton drängt die neue VW-Nutzfahrzeugsparte an die Börse – zuvor werden noch eifrig Allianzen geschmiedet. Mit dem MAN-Partner Sinotruck will man einen rein elektrisch betriebenen Lkw für den chinesischen Markt entwickeln.
    Elektrobusse noch immer sehr teuer
    Kein Wunder, dass die Elektrifizierung der Nutzfahrzeuge das alles überragende Thema ist. Im Gegensatz zum großen Taktgeber China haben deutsche Hersteller den Trend komplett verschlafen. Heute liegt der Anteil der Stromer in der gesamten Produktpalette der Transporter und Lkw noch unter zehn Prozent – nun aber wird Fahrt aufgenommen, sagt Bernhard Mattes, Präsident des Verbands der Automobilindustrie VDA. 15 bis 25 Prozent bis 2030 ist das Flottenziel:
    "Das ist eine ganze Menge, wenn man sich vorstellt, dass ein Großteil der Nutzfahrzeuge auch in der Strecke unterwegs ist, wo die Elektrifizierung schwerer darstellbar ist als beim Pkw."
    Mehr Sinn als 40-Tonnen schwere Lkw im Fernverkehr mit Batterien zu bestücken machen kleine elektrische Transporter und Busse für den städtischen Personen- und Verteilerverkehr. Stadtplaner und Mittelstand hoffen darauf, das Hauptproblem ist die Bezahlbarkeit. Ein Elektrobus kostet heute noch gut doppelt so viel wie ein vergleichbares Fahrzeug mit Verbrennungsmotor.
    "Nach wie vor ist die Batteriezelle und damit die gesamte Batterie das Teuerste am Elektroantrieb, aufgrund der sehr hochwertigen Rohstoffe, die hier verbaut werden, aber auch der kostenintensiven Herstellung der Bakteriellen und dann des Packages zur Batterie hin. Diese Preise werden sukzessive mit dem Volumen sinken."
    Anbieter halten EU-Klimaziele für zu ambitioniert
    Zugleich wettern VDA-Chef Mattes – und mit ihm die gesamte Branche – gegen die neuen Klimaziele. Im Frühsommer hat die EU-Kommission angekündigt, erstmals ambitionierte Obergrenzen für CO2-Emissionen von Lkw und Bussen einzuführen – in sieben Jahren soll der Ausstoß im Flottendurchschnitt um 15 Prozent unter dem aktuellen Wert liegen, bis zum Jahr 2020 sogar um mindestens 30 Prozent.
    Professor Günther Schuh von der RWTH Aachen, Mitbegründer des Elektrofahrzeug-Herstellers Streetscooter - produziert und im Einsatz der Post - ist nur einer dieser disruptiven Innovatoren, die sich im Messe-Forum New Mobility World tummeln. Im nächsten Frühjahr will sein Entwicklerteam ein agiles Elektrofahrzeug für unter 20.000 Euro auf den Markt werfen. Bestellungen werden schon angenommen:
    "Die Sensibilität, die Aufmerksamkeit in unserer Bevölkerung ist total breit gestreut. Jeder interessiert sich dafür - und meine Hypothese ist: in dem Moment, wo die Fahrzeuge nur attraktiv genug sind - das Hauptproblem ist Bezahlbarkeit - dann geht sozusagen die Post ab!"
    Rund 2.000 weitere Aussteller aus 50 Ländern stellen in Hannover neben Fahrzeugen in Serienreife auch autonom fahrende Prototypen und Assistenzsysteme zur Verhütung schwerer Unfälle etwa beim Abbiegen vor.