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Ian Paisley
Ein Hardliner mit späten Einsichten

Ian Paisley war über Jahrzehnte eine der protestantischen Schlüsselfiguren im Nordirland-Konflikt. Geradezu fanatisch lehnte er jede Aussöhnung mit Katholiken ab - bevor er doch zum Friedensstifter wurde. Der hagere, hochgewachsene Mann mit der großen Hornbrille starb am Freitag mit 88 Jahren.

Von Jochen Spengler | 13.09.2014
    Der nordirische Politiker und Prediger Dr. Ian Paisley im März 2010, kurz bevor er seinen Rücktritt aus dem britischen Parlament bekannt gibt.
    Der nordirische Politiker und Prediger Dr. Ian Paisley im März 2010, kurz bevor er seinen Rücktritt aus dem britischen Parlament bekannt gibt. (AFP PHOTO/ Peter Muhly)
    Er war ein Haudegen und Scharfmacher, ein Priester, Prediger und Politiker, ein wort- und stimmgewaltiger Fanatiker, der sich lange Jahre seines Lebens sperrte gegen die Versöhnung von Protestanten und Katholiken in Nordirland.
    "Ich möchte heute eine Frage stellen. Und die Frage ist simpel. Wo kommen die Terroristen her? Sie kommen aus der irischen Republik. Und doch erzählt uns Mrs. Thatcher, dass diese Republik in unserer Republik mitentscheiden soll. Wir sagen: Never, never, never."
    "Niemals", donnerte Ian Paisley vor Hunderttausenden in Belfast Premierministerin Thatcher entgegen, als sie Mitte der 80er-Jahre gemeinsam mit der Republik Irland vorsichtig versuchte, den Konflikt zwischen katholischer IRA und protestantischen Ultras zu entschärfen. Als Sohn eines baptistischen Pastors hielt Ian Paisley schon mit 16 seine erste Predigt. Nach seinem Theologiestudium gründete der Bibel-Fundamentalist Anfang der 50er-Jahre seine eigene, die Freie Presbyterianische Kirche. Bis vor drei Jahren predigte der fünffache Vater dreimal die Woche.
    Gegen die Gleichberechtigung von Katholiken
    "Ob Du religiös bist oder nicht - darauf kommt es nicht an. Du bist geboren von Natur als ein Kind des Zorns."
    Unablässig wetterte Ian Paisley gegen die römisch-katholische Kirche, der er das Abweichen von der Bibel und vom wahren Christentum vorwarf. Er wehrte sich gegen die Gleichberechtigung der Katholiken in Nordirland und brandmarkte jede Kooperation mit ihnen als Pakt mit dem Teufel.
    Religion und Politik waren für Reverend Paisley eins. Er war bei etlichen provokativen Orange-Umzügen der Protestanten dabei und 37 Jahre Vorsitzender der Demokratischen Unionistischen Partei. 25 Jahre gehörte er dem Europaparlament an. Und als Papst Johannes Paul II. dort 1988 eine Rede vor dem Parlament hielt, da unterbrach ihn Paisley, beschimpfte ihn als "Antichrist" und wurde des Saales verwiesen.
    Späte Einsichten eines Hardliners
    In Belfast blockierte der Hardliner und Haßprediger über Jahrzehnte alle Friedensabkommen. Noch 2006 wehrte er sich gegen eine gemeinsame Regierung mit den Katholiken: Als der Sinn-Fein-Politiker Gerry Adams Ian Paisley als Regierungschef vorschlug und den Katholiken Martin McGuinness als Stellvertreter, da lautete Paisleys unmissverständliche Absage:
    "Certainly not."
    Doch ein Jahr später aber, war es soweit. Mit 81 Jahren wurde der Protestant 2007 Erster Ministerpräsident einer Allparteienregierung in Nordirland. Sein Stellvertreter wurde der langjährige Intimfeind McGuinness, früher Anführer der IRA. Der zum Friedensstifter bekehrte Ian Paisley verkündete bei seiner Abschiedsrede vor dem britischen Unterhaus 2010 eine späte Erkenntnis:
    "Es gibt in Nordirland Menschen mit unterschiedlichen religiösen und politischen Überzeugungen. Aber sie können als Nachbarn zusammenleben. Ruhe und Frieden werden langsam aber sicher in Nordirland einkehren."