Rainer Bertold Schossig: Frage an Wolf-Dieter Peter: Sie haben sich das angesehen, Ravell und de Falla waren ja Zeitgenossen, beide Stücke gehören nicht zum Standardrepertoire - wie passt nun Ravells amouröse Oper von der schönen Uhrmachersfrau und ihrem perfekten Liebhaber zu Ravells musikalischem Sozialdrama vom betrogenen armen Mädchen?
Wolf-Dieter Peter: Ja, das erste Stück zeigt ja nun am Beispiel dieses Uhrmachers, der die Uhren der Stadt betreut und sein ganzes Zuhause von Uhren beherrschen lässt, dass wir alle im Zeitalter der Hochindustrialisierung von 1911, letztlich aber auch in unserer Zeit, natürlich von der Mechanik des Lebens, vom Rhythmus vorwärtsgetrieben werden, und das ist hier sozusagen zu spüren. Die enttäuschte Ehefrau sucht sich unterschiedliche Liebhaber, die alle nicht richtig ticken, bis auf den kräftig-bullig gebauten Zulieferer per Esel. Der ist ein richtiger viriler Mann, und da kommt nun die Liebe zu ihrem Recht. Aber am Schluss erkennen eigentlich alle, dass sie sich eben zum Sklaven ihrer Gefühle haben machen lassen. Sie treten aus dem Stück heraus. Und da beginnt nun eine sehr, sehr eindrucksvolle Idee der Frankfurter Aufführung: Der Bühnenbildner Christoph Hetzer hat nämlich durch sein Bild beide Stücke vernetzt. Wir sehen jetzt für das erste Stück ein Globus-Halbrund, auf dem statt der Weltuhrzeiten helle Leuchtringe uns zeigen, überall sind unterschiedliche Zeiten. Und nun treten diese Figuren aus diesem wohl situierten Lebensbereich dieses Globus heraus auf die Rückseite - Drehbühnenschwenk - und wir sind auf einmal auf der Schattenseite des Lebens. Und da singen sie ihre Boccaccio-artigen ironischen Abgesang auf den Sexus, der uns umtreibt. Gleichzeitig sind wir damit aber auf der Kehrseite der Welt. Wir sind auf einer Hinterhofstraße, wo Stadtstreicher herumlungern, es spielt auf der Nachtseite.
Schossig: Die Geschichte vom armen Mädchen dann in dem Stück "Das kurze Leben" von Manuel de Falla, das klingt folkloristisch, aber wie macht Manuel de Falla das?
Peter: Wir haben das arme, kleine, verlockende, schöne Mädchen, das von einem reichen Macho ausgenutzt wird. Wiederum ein großer Drehbühnenschwenk, wir sind zurück in der Welt der Reichen. Aber dort taucht dieses arme, schöne Mädchen auf, nun in einem bitteren Hochzeitskleid aus Plastikplanen, aus Müllsäcken eben - also wenn man so will, Seine Hoheit das Elend taucht auf der Party auf. Und es ist eine Party, die aber andererseits schon Spanien hereinnimmt, nämlich mit einem echten Flamenco-Sänger, der wurde extra aus Andalusien geholt, José Parrondo, mit Gitarristen. Und das Ganze endet in einem Desaster. Wir haben also die zwei Seiten, die sowohl das Theater leisten kann, nämlich das große Lachen und das Erschrecken vor den Abgründen des Lebens, an diesen beiden Werken erleben können.
Schossig: Ein echter Flamenco-Sänger und Musiker ist dabei, das haben Sie schon angedeutet. Da wären wir bei der Besetzung. Wie sieht es denn mit der inzwischen sprichwörtlichen Frankfurter Qualität dieser beiden Opern aus?
Peter: Auch gestern Abend wieder das übliche Frankfurter hohe Niveau mit einer Claudia Mahnke, die im ersten Teil die spanische unbefriedigte Frau ganz amüsant und auch mit durchaus packendem Körpereinsatz gespielt hat. Im zweiten Stück, im de Falla, dann eine sehr, sehr breite Palette von unterschiedlichen Charakteren, wunderbar bis ins Detail hinein besetzt mit Barbara Zechmeister als diesem scheiternden armen Mädchen und einem wunderbaren Macho-Kerl von Gustavo Porta. Das war ein spannender musikalischer Abend, der uns aber eben über das Vergnügen an schönem Gesang hinaus durchaus zu zwei bitteren Seiten unserer heutigen Welt geführt hat, und insofern einfach wieder ein Abend, wo Oper nicht als Vergnügen, sondern als Anstoß, musiktheatralische Analyse dieser unserer Welt uns beeindruckt hat.
Schossig: Soweit Wolf-Dieter Peter über die gestrige Doppelpremiere am Frankfurter Opernhaus.
Wolf-Dieter Peter: Ja, das erste Stück zeigt ja nun am Beispiel dieses Uhrmachers, der die Uhren der Stadt betreut und sein ganzes Zuhause von Uhren beherrschen lässt, dass wir alle im Zeitalter der Hochindustrialisierung von 1911, letztlich aber auch in unserer Zeit, natürlich von der Mechanik des Lebens, vom Rhythmus vorwärtsgetrieben werden, und das ist hier sozusagen zu spüren. Die enttäuschte Ehefrau sucht sich unterschiedliche Liebhaber, die alle nicht richtig ticken, bis auf den kräftig-bullig gebauten Zulieferer per Esel. Der ist ein richtiger viriler Mann, und da kommt nun die Liebe zu ihrem Recht. Aber am Schluss erkennen eigentlich alle, dass sie sich eben zum Sklaven ihrer Gefühle haben machen lassen. Sie treten aus dem Stück heraus. Und da beginnt nun eine sehr, sehr eindrucksvolle Idee der Frankfurter Aufführung: Der Bühnenbildner Christoph Hetzer hat nämlich durch sein Bild beide Stücke vernetzt. Wir sehen jetzt für das erste Stück ein Globus-Halbrund, auf dem statt der Weltuhrzeiten helle Leuchtringe uns zeigen, überall sind unterschiedliche Zeiten. Und nun treten diese Figuren aus diesem wohl situierten Lebensbereich dieses Globus heraus auf die Rückseite - Drehbühnenschwenk - und wir sind auf einmal auf der Schattenseite des Lebens. Und da singen sie ihre Boccaccio-artigen ironischen Abgesang auf den Sexus, der uns umtreibt. Gleichzeitig sind wir damit aber auf der Kehrseite der Welt. Wir sind auf einer Hinterhofstraße, wo Stadtstreicher herumlungern, es spielt auf der Nachtseite.
Schossig: Die Geschichte vom armen Mädchen dann in dem Stück "Das kurze Leben" von Manuel de Falla, das klingt folkloristisch, aber wie macht Manuel de Falla das?
Peter: Wir haben das arme, kleine, verlockende, schöne Mädchen, das von einem reichen Macho ausgenutzt wird. Wiederum ein großer Drehbühnenschwenk, wir sind zurück in der Welt der Reichen. Aber dort taucht dieses arme, schöne Mädchen auf, nun in einem bitteren Hochzeitskleid aus Plastikplanen, aus Müllsäcken eben - also wenn man so will, Seine Hoheit das Elend taucht auf der Party auf. Und es ist eine Party, die aber andererseits schon Spanien hereinnimmt, nämlich mit einem echten Flamenco-Sänger, der wurde extra aus Andalusien geholt, José Parrondo, mit Gitarristen. Und das Ganze endet in einem Desaster. Wir haben also die zwei Seiten, die sowohl das Theater leisten kann, nämlich das große Lachen und das Erschrecken vor den Abgründen des Lebens, an diesen beiden Werken erleben können.
Schossig: Ein echter Flamenco-Sänger und Musiker ist dabei, das haben Sie schon angedeutet. Da wären wir bei der Besetzung. Wie sieht es denn mit der inzwischen sprichwörtlichen Frankfurter Qualität dieser beiden Opern aus?
Peter: Auch gestern Abend wieder das übliche Frankfurter hohe Niveau mit einer Claudia Mahnke, die im ersten Teil die spanische unbefriedigte Frau ganz amüsant und auch mit durchaus packendem Körpereinsatz gespielt hat. Im zweiten Stück, im de Falla, dann eine sehr, sehr breite Palette von unterschiedlichen Charakteren, wunderbar bis ins Detail hinein besetzt mit Barbara Zechmeister als diesem scheiternden armen Mädchen und einem wunderbaren Macho-Kerl von Gustavo Porta. Das war ein spannender musikalischer Abend, der uns aber eben über das Vergnügen an schönem Gesang hinaus durchaus zu zwei bitteren Seiten unserer heutigen Welt geführt hat, und insofern einfach wieder ein Abend, wo Oper nicht als Vergnügen, sondern als Anstoß, musiktheatralische Analyse dieser unserer Welt uns beeindruckt hat.
Schossig: Soweit Wolf-Dieter Peter über die gestrige Doppelpremiere am Frankfurter Opernhaus.