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Ibtissam Berto Suleiman Al-Dakhil (Kuwait)

August 1990. Saddam Husseins Truppen dringen in das Nachbarland Kuwait ein. Ihr Vorgehen zeichnet sich durch einen deutlichen Mangel an Rücksichtnahme aus. Es wird geplündert, gemordet und vergewaltigt. Ganz Kuwait ist der irakischen Willkür ausgeliefert. Wer sich nicht unterordnet, muß um sein Leben fürchten. Während die Weltöffentlichkeit in den Abendnachrichten George Bush, Margaret Thatcher und hohe UN-Mitarbeiter bei der Diskussion über ein Eingreifen des Westens am Golf zuschaut, vollzieht sich das Unrecht der irakischen Besatzung im Geheimen. Und so gibt es keine Fernsehaufnahmen, Fotos oder glaubwürdige Augenzeugenberichte Dritter über den Tag, an dem irakische Soldaten die kuwaitische Zeitung Al Quabas besetzen und sämtliche Angestellte nötigen, unter ihrer Herrschaft zu arbeiten. Al Quabas wird in Al Nida umbenannt und ist fortan ein irakisches Propagandablatt, weiß Regina Spöttel, Nahost-Expertin von Amnesty international.

Dorothea Jung |
    August 1990. Saddam Husseins Truppen dringen in das Nachbarland Kuwait ein. Ihr Vorgehen zeichnet sich durch einen deutlichen Mangel an Rücksichtnahme aus. Es wird geplündert, gemordet und vergewaltigt. Ganz Kuwait ist der irakischen Willkür ausgeliefert. Wer sich nicht unterordnet, muß um sein Leben fürchten. Während die Weltöffentlichkeit in den Abendnachrichten George Bush, Margaret Thatcher und hohe UN-Mitarbeiter bei der Diskussion über ein Eingreifen des Westens am Golf zuschaut, vollzieht sich das Unrecht der irakischen Besatzung im Geheimen. Und so gibt es keine Fernsehaufnahmen, Fotos oder glaubwürdige Augenzeugenberichte Dritter über den Tag, an dem irakische Soldaten die kuwaitische Zeitung Al Quabas besetzen und sämtliche Angestellte nötigen, unter ihrer Herrschaft zu arbeiten. Al Quabas wird in Al Nida umbenannt und ist fortan ein irakisches Propagandablatt, weiß Regina Spöttel, Nahost-Expertin von Amnesty international.

    O-Ton Regina Spöttel Die Angestellten, die Journalisten, die Kopierer, die Mitarbeiter wurden mehr oder weniger zwangsverpfichtet, weiterhin für diese Zeitung zu arbeitet, muten das auch teilweise aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen tun; wurden auch bedroht. Und nach dem Abmarsch der irakischen Besatzungsmächte wurden diese Leute der Kollaboration bezichtigt , weil sie eben unter irakischer Herrschaft gedient haben und dafür auch ihr Gehalt bezogen haben. Es handelt sich dabei um überwiegend Angehörige von arabischen Nachbarstaaten , es waren also Iraker darunter, Jordanier, Palästinenser, natürlich auch einige Kuwaitis.

    Nach dem Rückzug der Iraker im Februar 1991, verhängt der Emir von Kuwait über seinen Staat ein dreimonatiges Kriegsrecht, das aber erst Ende Juni aufgehoben wird. Sondergerichte werden installiert. Unter dem Verdacht der Kollaboration stehen fast alle der in Kuwait lebenden Ausländer. Das sind immerhin fast 60 Prozent der Einwohner des Landes, die (oft seit Jahrzehnten) mit ihrer Arbeit zum gesellschaftlichen Wohlstands des Emirats beitragen. Nach dem Golfkrieg offenbart sich ihre Rechtlosigkeit. Amnesty international gehen in der Zeit des Kriegsrechts Berichte über Erschießungen ohne Gerichtsverfahren zu, über Todesurteile in Schnellprozessen, über das Verschwinden von Menschen und über eine Vielzahl ungerechtfertigter Verhaftungen. Darunter auch die der damals 30jährigen Al Quabas-Redakteurin Ibtissam Berto Suleiman Al-Dakhil. Die Journalistin ist geschieden und verdient ihren Lebensunterhalt selbst. Al Dakhil ist eine der wenigen Frauen in Kuwait, der es aus eigener Kraft gelungen ist, sich in einem männlich dominierten islamischen Staat durch ihre Arbeit Respekt zu verschaffen. Wegen ihrer Mitwirkung an der feindlichen Propagandazeitung Al Nida wird sie im Juni '91zum Tode verurteilt, wenig später wird die Strafe in eine lebenslange Hat umgewandelt. Von Rechtsstaatlichkeit kann bei ihrem Verfahren nicht die Rede sein, teilt Sylvia Fürst aus dem österreichischen Linz mit, die sich gemeinsam mit anderen seit Jahren für eine Freilassung von Ibtissam Berto Suleiman Al-Dakhil einsetzt.

    O-Ton Sylvia Fürst: Das Verfahren, das war sehr unfair, es hat eben nicht den internationalen Standards entsprochen, wie zum Beispiel, daß die Rechtsanwälte sehr spät bestellt worden sind, und die eigentlich keine Zeit gehabt haben, sich auf diesen Fall vorzubereiten. Und dann wurden zum Beispiel Aussagen zugelassen, die ausschließlich auf Hörensagen beruht haben.

    Gegen alle einstigen Al-Nida-Mitarbeiter dauert der Prozeß nur einen Tag. Zeugen der Anklage können nicht befragt werden, weil ihre Identität - angeblich aus Gründen der Staatsräson - nicht preisgegeben werden darf. Die Anwälte erhalten keine Akteneinsicht. Als Beweismittel gegen die Angeklagte gelten Zeitungsartikel, die Al-Dakhil gegen die Kuwaitis geschrieben haben soll. Doch weder sie noch ihre Anwälte können diese Beweismittel in Augenschein nehmen. Die Redakteurin versichert immer wieder, von den Irakern bedroht worden zu sein, ihr wird kein Glauben geschenkt. Das Urteil steht schon fest. Eine Revision ist für Kriegsrechtsurteile nicht vorgesehen. Seit Juni '91 muß Ibtissam Berto Suleiman Al-Dakhil also ihr Leben im Zentral-Gefängnis von Kuwait verbringen. Ein Gefängnis, das lediglich die internationalen Mindeststandards für Haftbedingungen erfüllt, sagt Regina Spöttel.

    O-Ton Regina Spöttel Das kann man natürlich auf keinen Fall mit den Zuständen oder mit den Bedingungen in unseren Gefängnissen im Westen vergleichen. Problem ist eine ständige Überfüllung der Gefängnisse, teilweise ein Drogen- und Waffenschmuggel, der natürlich auch für Unruhe sorgt; es gibt auch gelegentliche Übergriffe des Wachpersonals das kann aber nicht verallgemeinert werden.

    1996 startet Amnesty International eine Kampagne für Ibtissam Berto Suleiman AL-Dakhil. Die Organisation 'Reporter ohne Grenzen' und verschiedene Journalistenverbände schließen sich an. Gemeinsam will man eine Wiederaufnahme des Verfahrens erreichen.

    O-Ton Regina Spöttel Aber die kuwaitische Regierung stellt sich da ziemlich stur und behauptet, es sei damals eben so gewesen, und Prozesse, die vor dem Militärgericht verhandelt werden, bedürfen keiner Revision, sind endgültig. Wir hoffen immer noch auf eine Amnestie, es sind diverse Journalisten und Angestellte der Zeitung Al Nida bereits freigekommen, auf Grund von Amnestien; aber auf rechtlichem Weg seh ich leider keine Hoffnung.

    Im Oktober dieses Jahres sah es für kurze Zeit so aus, als sei Ibtissam Berto Suleiman Al-Dakhil in Freiheit. Der Minister für Nationale Angelegenheiten Kuwaits teilte den Unterstützergruppen mit, sie sei aus der Haft entlassen worden. Doch das war eine Fehlinformation, berichtet Sylvia Fürst.

    O-Ton Sylvia Fürst Ihr jetziger Ex-Mann lebt in Londan; sie hat einen Sohn, der ebenfalls in London lebt; ihr Sohn und ihr Mann haben laufend Kontakt mit ihr über das Rote Kreuz, also man weiß ganz sicher, daß sie zur Zeit noch im Gefängnis ist.

    Das Kuwaitische Herrscherhaus und hohe Regierungsvertreter haben den Vereinten Nationen und den Vereinigten Staaten nach dem Golfkrieg die Zusage gemacht, sich für mehr Menschenrechte und mehr Pressefreiheit im Land zu engagieren. Trotz einiger Fortschritte (wie zum Beispiel einer parlamentarischen Menschenrechtskommission) gibt es in diesen Bereichen aber auch heute noch Mißstände. Die Versammlungsfreiheit ist beschnitten, eine Zensur findet selbstverständlich statt - und nach wie vor hat Ibtissam Suleiman Al Dakhil keine Chance, ihre Unschuld in einem fairen Gerichtsverfahren zu beweisen.