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Icann

Entdeckt wurde das Internet von Wissenschaftlern. Gross gemacht haben es Unternehmer. Doch Politiker könnten das weltweite Netz nun zerstören. Das zumindest befürchten viele, die die Entwicklung des Internet beobachten. Anlass der Sorge ist ICANN, eine Organisation, die sich um die weltweite Verwaltung und Kontrolle von Internetadressen kümmert und um die Hauptverbindungswege. ICANN bringt das Unternehmensziel im Namen zum Ausdruck: International Corporation for Assigned Names and Numbers - eine Gesellschaft für die Zuweisung von Identifikationsdaten. ICANN ist die zentrale Schaltstelle des Netzes. Doch in Wahrheit, so die Kritiker, sei ICANN ein Instrument von Regierungen, um das bis dato freiheitlich strukturierte Internet an die Leine zu nehmen. Der auf das Internet spezialisierte Londoner Rechtsanwalt Nick Lockett:

Barbara Minderjahn |
    "Die Leute, die das Internet entwickelten, haben die langfristigen Auswirkungen der technischen Entwicklung gekannt. Aus diesem Grund haben sie darauf geachtet, das Internet nicht überzuregulieren. Regierungen aber tendieren dazu, das Internet kontrollieren zu wollen. Das unterdrückt Wachstum und Innovation. Nehmen Sie das Beispiel Verschlüsselungstechnologien. Um E-commerce voranzutreiben müssen Sie sichere Möglichkeiten einführen, wie man Nachrichten verschicken kann. Aber sämtliche Regierungen haben versucht, die Verschlüsselungstechnik zu regulieren und vorzuschreiben, welche Technik verwendet werden soll, um so die Schlüssel in die Hand zu bekommen ."

    Experten warnen also vor zu viel Regierungskontrolle im Netz. Doch um zu verstehen, warum gerade ICANN das geeignete Instrument sein soll, um das Internet zu kontrollieren, ein Blick zurück in die Geschichte.

    Bis heute streiten sich die Experten darüber, wer das Internet erfunden hat. Denn die Entwicklung des weltweiten Kommunikationssystems ist nicht die Leistung eines Einzelnen. Die Ursprünge des Internet liegen vor allem bei amerikanischen Universitäten und beim amerikanischen Verteidigungsministerium, genauer: bei einer kleinen Unterabteilung des Ministeriums, der ARPA. Die Abkürzung ARPA steht für "Advanced Research Projects Agency" - hier geht es um Forschung und Entwicklung.

    1965 fiel die Entscheidung, die als erster Schritt in Richtung "vernetzte Computerwelt" zu sehen ist: Im Gebäude von ARPA sollten die drei bis dahin getrennt voneinander laufenden Computer zu einem Netzwerk zusammengeschaltet werden. Doch das, was uns heute beinahe wie eine alltägliche Handlung vorkommt, war damals nicht einfach durch einige Kabel zu bewerkstelligen. Jeder dieser drei Computer war mit einer Universität verbunden. Jeder der Wissenschaftler hatte seinen Rechner in einer anderen Sprache programmiert. Damit sie miteinander kommunizieren konnten, musste ein gemeinsames Programm entwickelt werden als Mittler zwischen den Systemen. Ein aufwendiges Unterfangen - doch am Ende war die Kommunikation zwischen den Experten einfacher geworden. Und: Teure Computerspeicher konnten gemeinsam genutzt werden. Die Zahl dieser Nutzer bestand damals allerdings nur aus einer Handvoll Eingeweihter. Das sollte bald anders werden.

    Während in Amerika noch über die Vorteile des neuen Systems diskutiert wurde, hatten europäische Wissenschaftler bereits - unabhängig von den Amerikanern - über technische Details elektronischer Datennetze nachgedacht. Sie erkannten, dass elektronische Datenübertragung schneller und sicherer werden könnte, wenn Daten nicht, wie z.B. beim Telefon, über eine Leitung transportiert würden, sondern über ein ganzes Netz von Wegen. Diese Erkenntnis war der zweite wichtige Schritt zu dem, was heute das Internet ist: Vereinfacht gesprochen ist das world wide web ein Netzwerk aus Tausenden von Computern. Unermesslich große Datenströme irren zwischen ihnen umher. Aber zusammengenommen, in einzelne Datenpakete verpackt und an den richtigen Adressaten weitergeleitet, ergibt das Ganze ein System.

    Jon Postel, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität von Los Angeles, erkannte bereits Ende der 60er Jahre, dass dieses Datennetz nur funktionieren kann, wenn Daten zwar verschiedene Wege nehmen können, aber in gewisser Weise auch geordnet sind und der einzelne Computer jedes dieser Datenpakete auch verarbeiten kann. Aus diesem Grunde entwickelten er und seine Kollegen ein sogenanntes Protokoll, das heißt eine Vereinbarung darüber, welche Form die übermittelten Daten haben sollen.

    Einige Jahre später gründete Jon Postel die IANA, die "Internet Assigned Numbers Authority", die ebenfalls dazu beitragen sollte das Datenchaos im neuen Netz zu regeln. IANA hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Identifikationsadressen, die sogenannten "IP-Adressen", zu verwalten und die Arbeit der Länderdomänen-Manager zu koordinieren. Ein Zitat aus dem Nachruf des am 16. Oktober 1998 verstorbenen Wissenschaftlers belegt den Ruf Jon Postells innerhalb der Internetgemeinschaft. Einer seiner engsten Kollegen, Vint Cerf schrieb:

    "Vor langer Zeit fand in einem Netzwerk, weit, weit weg, ein großartiges Abenteuer statt. Aus dem Chaos neuer Kommunikationsideen, der Experimente und verlockenden Entwürfe heraus, tauchte ein Wirrwarr von Netzwerken auf. Beginnend beim ARPANET entwickelte sich eine unendliche Flut von Netzen, die schließlich zusammengefasst wurden, um das Internet zu kreieren. Irgend jemand musste eine Übersicht über die Protokolle behalten, über die Netzwerke, die Adressen und letztlich die Namen all der neuen Dinge im Internet Universum. Und jemand musste eine Übersicht behalten über all die Informationen, die mit vulkanischer Kraft aus den Diskussionsrunden heraus brachen und über die endlosen Erfindungen, die unvermindert seit 30 Jahren anhalten. Dieser Jemand war Jonathan B. Postel, unsere Internet Assigned Numbers Autorität: Freund, Vertrauter, Anführer, Techniker, Ikone und nun der Erste, der aus unserer Mitte reist. Jon, unser geliebter IANA, ist von uns gegangen."


    Für die Internetgemeinde waren Jon Postel und IANA mehr als Verwalter von Internetadressen. Der Wissenschaftler und seine Organisation galten als Garanten für ein freiheitlich und demokratisch strukturiertes Internet. Wie die meisten der Gründerväter versuchte er zu verhindern, dass Regierungen die Kontrolle des Netzes übernehmen konnten. Und obwohl auch IANA schon Verträge mit dem amerikanischen Wirtschaftministerium abgeschlossen hat, um die Finanzierung zu sichern, konnte Jon Postel die Einflussnahme der Regierung weitgehend verhindern. Bis zur Einführung von ICANN. Im Oktober 1998 hatte die amerikanische Regierung ICANN ins Leben gerufen. Sämtliche Verwaltungsfunktionen, die bisher die Organisation Jon Postels inne hatte, sind auf die ICANN übergegangen. Für viele Kritiker bedeutet dies das Ende des chaotischen und freiheitlichen Internet.

    Vor dem Hintergrund der Entwicklungsgeschichte des Internet ist zu verstehen, warum die Übergabe aller Verwaltungsfunktionen an ICANN einen Aufschrei in der Internetgemeinde ausgelöst hat. Es waren Wissenschaftler, die das Internet erfunden haben. Damit ein weltweites Netz funktionieren kann, haben sie Regeln aufgestellt. Doch die Kontrolle dieser Regeln sollte nicht dazu dienen, die Freiheit der Internetnutzer einzuschränken. Im Gegenteil: Die Freiheit der Kommunikation war ihr oberstes Ziel. Erst in dem Moment, in dem Wirtschaft und Regierungen die Bedeutung des Netzes erkannt haben, in dem Moment, in dem das Internet tatsächlich ein weltumspannendes Kommunikationsmedium geworden war, entbrannte der Streit über Kontrolle, Rechte und Nutzung des Internet. Der Vorstandsvorsitzende der englischen Länderdomänenverwaltung nominet, William Black:

    "IANA bestand aus einer Gruppe Freiwilliger, einer Gruppe sehr gutmütiger und engagierter Leute. Letztendlich mussten sie irgendwann eine Firma gründen. Das alles ist zu wichtig geworden - E-commerce wird allmählich wirklich bedeutend. Die Domäne ist in jedem Land ein wichtiger infrastruktureller Bereich bei der Entwicklung des E-commerce geworden. Ich glaube, IANA hätte nicht einfach nur eine nette Gruppe gutwilliger Individualisten bleiben können. Man musste eine Unternehmensstruktur einführen. Es ist wichtig, die Regeln zu verstehen, und das ist es, was ICANN versucht hat zu leisten. Ich glaube nicht, dass man zurück gehen kann, aber ich glaube wir können versuchen, aus ICANN ein ähnlich leichtes Organ zu machen, wie es IANA war. Nicht ein ständig eingreifendes, die Welt dominieren wollendes Organ."

    Einer der größten Kritikpunkte gegenüber ICANN ist die Machtposition, die die Organisation inne hat. Bisher existierte neben IANA noch eine weitere Gesellschaft, die sich um die Infrastruktur des Netzes kümmerte: Die Network Solutions Incorporated, kurz NSI. Sie war für die Vergabe sämtlicher "dot com", "dot org" und "dot net" Adressen zuständig, das heißt für den Teil, der durch Gebühren bereits früh Geld einbrachte. In der Vergangenheit ist NSI immer wieder dafür kritisiert worden, die zentrale Stellung bei der Vergabe von Internetdomänen ausgenutzt und zu hohe Gebühren kassiert zu haben.

    Der offizielle Grund, warum ICANN entstanden ist, lautete dann auch: Zerschlagung des Monopols der beiden historisch entstandenen Vorgänger- Organisationen. ICANN sollte ein nichtstaatlicher, selbstregierter, demokratisch strukturierter Verein sein, der die Regierung des Internet auf eine internationale Ebene stellt. Da ICANN mittlerweile aber die Aufgabe beider Organisationen übernommen hat, ist ICANN selbst zum größten Monopolisten geworden. Und Kritiker behaupten, dass ICANN von den im Gründungsdokument aufgezählten Zielen bislang keines erreicht hat. William Black:

    "Ich habe beobachtet, dass ICANN sehr stark umherirrt. Ich glaube, eine Sache, bei der sich die Organisation nicht sicher ist, ist: Wem gehören sie derzeit? Es wird von einer breiten Mitgliedschaft geredet. Was bedeutet das? Jeder Bewohner der Erde, jeder Internetnutzer? Ich habe noch keine überzeugenden Konzepte über den Wahlkreis gehört. Und dieser Wahlkreis soll die Hälfte des Vorstandes wählen. Ich beobachte, dass Regierungen einen gewissen Einfluss haben. Natürlich, wir können es nicht verhindern, dass Regierungen darüber bestimmen, was wir in unseren Ländern machen. Und im grossen und ganzen versuchen die Regierungen nicht zu interventionistisch zu sein, auch sie wollen, dass ICANN ein Erfolg wird. Aber wir haben alle Sorge, dass, sagen wir mal, einige unerwünschte Leute am Ende die Kontrolle übernehmen - wir sind alle besorgt über den Verlust von Kontrolle und darüber, dass wir durch persönliche Interessen anderer Leute gesteuert werden."


    Bereits 1998 gab es bei der Einführung von ICANN durch das amerikanische Wirtschaftsministerium große Proteste innerhalb der Internetgemeinde. Jon Postel, einer der größten Gegner von Regierungskontrolle im Internet, hatte am Ende seinen Widerstand aufgegeben. Die noch aus der Anfangszeit des Internet bestehenden Verträge von IANA und NSI mit dem amerikanischen Wirtschaftsministerium sollten binnen kurzer Frist auslaufen. Jon Postel willigte ein, bei der Gestaltung von ICANN mitzuwirken, und rettete einige der Grundverhaltensregeln von IANA in das Reglement von ICANN hinüber. Nick Lockett, Internetanwalt aus London:

    "Traditionally IANA made its rules by suggesting... IANA hat seine Regeln aufgestellt, indem es ein Regelwerk vor-geschlagen hat und dann zur Kommentierung freigegeben hat. Regeln wurden nur auf der Grundlage von Konsensentscheidungen eingeführt. ICANN hat diese Konsensregelung in seinen Statuten übernommen. Aber in Wirklichkeit arbeiten sie nicht damit. Es gibt jetzt zum Beispiel neue Regeln in Bezug auf den Schutz von Warenzeichnen. Darüber hat man in den Committees ein ganzes Jahr lang beraten. Die Öffentlichkeit hat nun vier Wochen Zeit, dies zu kommentieren. Die Internetjuristen brauchen schon 2 Wochen nur um diese Regeln zu verdauen, bevor wir sie kommentieren können. Und das sind Spezialisten."

    Die Verhaltensregeln von IANA dienten dazu, die Meinung aller betroffenen Parteien einfließen zu lassen. Auf diese Weise sollten Ungerechtigkeiten verhindert werden. Niemand sollte sich mit seinen Interessen gegen eine andere Partei durchsetzen können. Nur Jon Postel selbst hatte eine übergeordnete Autorität. Auch dies wurde bereits kritisiert. Bei ICANN, so die Kritiker, gibt es die oft zeitraubende Art der Entscheidungsfindung nicht. Viel stärker als bei IANA herrscht bei ICANN die Sprache der Macht. Macht aber kann missbraucht werden.

    Eine der Funktionen, die von IANA auf ICANN übergegangen ist, ist die Kontrolle des sogenannten A-root-server. Das heisst: Es gibt einen zentralen Rechner, auf dem sämtliche Internetadressen gespeichert sind, mit den dazugehörigen Hauptrouten, die den Weg zu diesen Adressen zeigen. Indem man die Informationen in diesem A-Root-Server verändert, könnte man Nachrichten an eine mail-adresse oder Zugriffsversuche auf eine bestimmte Seite woanders hin leiten. Ganze Home-Pages könnten sogar vom Server verschwinden. Selbst die Kritiker gehen nicht davon aus, dass ICANN von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würde. Be-ängstigend ist die Vorstellung dennoch. Nick Lockett:

    "Theoretisch könnte im Fall eines Krieges oder bei Handels-Sanktionen ein Land ganz ausgeschaltet werden. Aber ICANN könnte das nur einmal tun. Jedes Land würde danach darauf bestehen, seine eigenen Verzweigungen zu kontrollieren. Die Koordinierung der weltweiten Adressdatei würde fast unmöglich."

    Realistischer dagegen scheint die Sorge, dass der Einfluss des amerikanischen Wirtschaftsministeriums auf ICANN wirtschafts-politisch genutzt werden könnte. Laut den Statuten ist ICANN unabhängig. Das heisst, selbst Regierungen sollen dem Organ nicht vorschreiben können, welche Regelungen es einführt. In Wirklichkeit aber habe die amerikanische Regierung einen grossen Einfluss auf ICANN.

    Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Seit einiger Zeit versuchen die Palästinenser eine eigene Länderdomäne im inter-net zu bekommen. Ende letzten Jahres willigte das amerikanische Wirtschaftsministerium ein. Palästina ist zwar kein unabhängiger Staat, dafür aber eine eigene Webadresse: ps Die Ent-Scheidung des amerikanischen Wirtschaftsministeriums, die eigentlich eine Entscheidung von ICANN gewesen wäre, ist ein symbolträchtiger Akt mit starken politischen Implikationen.

    Als oberste Autorität im weltweiten Netz ist ICANN auch für die Gestaltung der zukünftigen Spielregeln im Internet verantwortlich. Wenn das amerikanische Wirtschaftsministerium einen so grossen Einfluss auf die Politik von ICANN hat, wie das die Kritiker behaupten, könnten diese Spielregeln amerikanisch gestaltet sein. Nick Lockett:

    "Die Regeln werden hauptsächlich von amerikanischen Anwälten geschrieben. Daher tendieren sie leicht in Richtung der amerikanischen Gesetzgebung. Ich denke, was wir feststellen werden, ist, dass amerikanische Firmen dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil haben. Allein weil die ICANN Regeln der amerikanischen Rechtssprechung angepasst sind. Das Problem ist: Man kann unter amerikanischem Recht Beschwerde einreichen bei Fällen, wo man bei europäischem Recht keine Chance hätte. Aus all diesen Gründen haben die Amerikaner Vorteile im Bereich des E-commerce, weil die Regeln rund um das amerikanische Recht gestrickt sind."

    Seitdem mit dem Internet Geld zu verdienen ist, spielen diese Interessen eine große Rolle. Die Erfinder des Netzes sind - bis auf einige Ausnahmen - nicht als Millionäre aus der Entwicklung hervorgegangen. Die Glücksritter sind die neuen Firmen. Aber auch Internetprovider und all diejenigen, die die Infrastruktur des Netzes in den letzten Jahren weiterentwickelt haben, verdienen jetzt viel Geld. Ein Grund, warum gerade sie über die Entwicklung bei ICANN besorgt sind, ist die mögliche Umverteilung von Profit. Die alteingesessene Internetgemeinde befürchtet, dass Regierungen das Geschäft am Internet verhindern könnten oder zumindest mitreden wollen, wenn es um die Verteilung des Gewinnes geht.

    Nach dem Reglement, das ICANN erlassen hat, darf ICANN die Leitung der sogenannten "country-code top level domains", kurz cctld neu besetzen. Cctld-Manager sind die Verwalter der Länderdomänen des Internet. Sie werden dafür bezahlt, die Internetnutzer innerhalb ihrer Domäne zu pflegen, das heißt, die Zuordnung der Internetadresse zum jeweiligen Nutzer festzuhalten. Sie setzen sich mit der Gesetzgebung in dem betreffenden Land auseinander. Sie sind sozusagen die Schnittstelle zwischen einem Land und der Welt des Internet. Die Neubesetzung dieser Verwaltung darf laut Reglement nur dann erfolgen, wenn das Management seine Aufgaben vernachlässigt hat. Nick Lockett:

    "Das Problem bei den bestehenden Regeln ist: Sie sehen keine Kompensation vor. Natürlich haben die Internetprovider Profitinteressen. Das ist der Grund, warum sie investieren. Aber wenn ihr Besitz beschlagnahmt wird oder Regeln geändert werden, sollten sie eine Entschädigung über den Marktwert erhalten. Das zweite Problem ist, dass die Regeln, nach denen die Umbenennung erfolgt, offen sind für Interpretation. Sie besagen nichts über die Vorgehensweise aus und definieren nicht, was Vernachlässigung von Aufgaben bedeutet. Das erzeugt Ungewissheit und das wiederum hat eine Wirkung auf zukünftige Investitionen."

    Welche weitreichenden Konsequenzen eine Umbenennung der Länder-Domänenverwaltung bedeuten kann, zeigt das folgende Beispiel: Bis vor kurzem lag die Leitung der Länderdomäne von Pittcan, einer kleinen Insel im Südpazifik, in Händen der britischen Firma Orichalk. Diese aber habe die Domäne nicht im Interesse der Einwohner von Pittcan gepflegt, kritisierte ICANN. Das Unternehmen widerspricht zwar dieser Darstellung und hat Rechtsmittel eingelegt. Die Angelegenheit ist jedoch bereits von ICANN im Sinne der Umbenennung entschieden. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung sieht die ICANN Regelung nicht vor. Wenn die vernetzte Welt aber tatsächlich eine internationale sein soll, braucht es Regeln, die nicht rein den amerikanischen Bedürfnissen angepasst sein dürfen. Und um beides zu erreichen, muss ICANN seine Politik ändern. Nick Lockett:

    "Überregulierung des Internet schafft eine Kostenbarriere. Das bedeutet, das die bestehenden Firmen, in der Hauptsache amerikanische, einen Vorteil haben, weil sie bereits eine etablierte Position haben."

    Das Internet wurde so erfolgreich, weil man ein E-commerce Geschäft im Schlafzimmer gründen kann. Wenn Firmen ein Vermögen ausgeben müssen, um die Regeln von ICANN einzuhalten, werden weniger Menschen neue Firmen gründen. Investitionshindernisse könnten die Entwicklung verlangsamen. Das wäre das Ende des Internet als Flaggschiff innovativer Technologien.