Hartwig Tegeler: Meine Frau meinte gestern zu mir: Herbert Knaup. Sag mal, Herbert Knaup, das war doch der Sparkassendirektor in dem Film ...
Herbert Knaup: Sparkassendirektor? Ja, klar. LOLA RENNT.
Tegeler: Erinnern Sie denn noch jede Rolle? Oder ist die Frage absurd?
Knaup: Die ist wahrscheinlich absurd. Das sind ja über 110 Filme, glaube ich. Und ... also in dieser Zeit von 1993 bis jetzt kann man fast sagen: in zwanzig Jahren ... eigentlich undenkbar, wie man das eigentlich machen kann ...
Tegeler: In zwanzig Jahren 110 Filme?
Knaup: Ja, so ungefähr.
Tegeler: Herbert Knaup, wenn Sie am Abend vor Ihrem ersten Drehtag beispielsweise zum "Eichmann"-Film oder am Abend vor Ihrem ersten Drehtag zu Agnieszka Hollands Film "In Darkness", nehmen wir mal die schweren Filme aus Ihrer Filmografie. Wie fühlt sich Herbert Knaup an diesem Abend vorher?
Knaup: Aufgeregt. Das ist aufregend, ja, und auch noch verunsichernd, weil man noch nicht ganz genau weiß, wie das Zusammenwirken dieser einzelnen Kräfte ist, die bei Dreharbeiten natürlich Voraussetzung sind. Das heißt, das ganze Team, wie man mit dem klarkommt. Und die erste Szene, wie man sie spielt. Ein unsicherer Zustand. Und ein freudiger Zustand, ja aber es ist zugleich ...
Tegeler: Schlafen Sie gut?
Knaup: Ja, ich ... mittlerweile. Früher konnte ich nicht schlafen. Also, das war vor Premieren, was so ein erster Drehtag ja auch immer irgendwo ist. Es ist ja jeden Tag ein bisschen so eine Premiere. Ich kann da eigentlich gut schlafen.
Tegeler: Und dann ist der Moment. Dann werden Sie hingefahren, wenn es eine große Produktion ist, oder fahren hin.
Knaup: Na ja, das ist eben so eine Erfahrung über die Jahre mit diesem Beruf. Da hört sich das fast so absurd an, aber es ist wirklich so, dass ich in dem Fall, aber es gibt bestimmt auch viele andere Schauspieler, die, sagen wir mal, Profis sind, dass sie in dem Moment, wo sie vor der Kamera sind, am entspanntesten sind. Weil die Kamera, wenn du die über die Jahre erfährst, ein Schutz für dich ist. Und dein Partner wird ...
Tegeler: Das hat sich aber verändert in den Jahren?
Knaup: Ja, natürlich. Am Anfang ist wie beim Theater auch ein Horror ...
Tegeler: Die Kamera, wenn sie zum Freund wird, wie Sie eben gesagt haben, ist das ... muss man sich das vorstellen, wenn es denn gelingt, dass quasi dann die Welt sich wirklich abschottet gegen die andere Welt.
Knaup: Ja, genau, so wie Sie es beschreiben, ist das genau das Richtige. Die schottet sich ab.
Tegeler: Sehen Sie dann noch die Technik, diesen ganzen technischen Apparat. Oder blendet der sich quasi wie weg.
Knaup: Ja, der blendet sich weg. Das tut er. Dafür sorgt man selber. Es gibt so eine gewisse eye-line, nennt man das. Das ist so eine kleines Dreieck neben der Kamera. Manche brauchen das nicht, aber ich brauche das. Das ist mein einziger Schutz, den ich noch manchmal anfordere. Ein halber Meter ist das, wo wirklich in der Fluchtlinie möglichst nichts ist, was ablenkt. Wo du so einen Art freien Blick hast. Freie Möglichkeit.
Tegeler: Der wird auch hergestellt?
Knaup: Der wird hergestellt.
Tegeler: Das ist Ihr Haltepunkt ... Haltepunkt in der Zeit sozusagen.
Knaup: Genau.
Tegeler: In der Illusion?
Knaup: In der Illusion dieser Filmwelt, in der ich mich befinde.
Tegeler: Ich hatte eben nach dem Abend vor dem ersten Tag zum Dreh des Filmes X gefragt. Was mich noch mal genauso grundsätzlich interessiert: Der Schauspieler Herbert Knaup - nach all diesen Jahren - ... was brauchen Sie vom Regisseur.
Knaup: Na ja ... Meinen idealen Regisseur, dem ich wirklich des Öfteren begegne, das ist der Regisseur, der mich erkennt, der weiß, wie ich spiele, der weiß, wie ich meine Rolle angelegt habe, warum ich so spiele. Und der mir dann letztendlich auf die Schliche kommt, wie ich spiele, und dann mir noch sagen kann, nee, da machst du vielleicht ein bisschen weniger. Das ist was ganz Handwerkliches dann dieses Gespräch. Und da verrate mir doch nicht das Geheimnis, was du da eigentlich gerade doch erfunden hast, sondern behalte es für dich. Ich möchte es gar nicht wissen. Oder solche Gespräche sind das dann, wo das Gefühl da ist, dass ein Regisseur einen "lesen" kann, den Schauspieler lesen kann, die Mimik des Schauspielers, das, was er denkt, ergründet und letztendlich dem Schauspieler weiter hilft.
Tegeler: Herbert Knaup, was ist denn der - am jetzigen Punkt Ihrer Karriere - der schlechteste Regisseur? Was macht der denn so, dass Sie es eigentlich nicht wollen?
Knaup: Ein schlechter Regisseur, der macht gar nichts. Der ist nur in der Technik, der nimmt das einfach so, wie es kommt, der filmt es ab und sagt sich, das mache ich schon beim Schnitt, was die Gefahr oft bei Film- und Fernsehregisseuren ist, der hat sich auf die Seite der Technik geschlagen. Und hat gar nicht eine Möglichkeit, in die schauspielerische Welt einzutauchen. Ist auch legitim. Gibt es ganz Viele, die nicht in der Lage sind; die gehen davon aus, dass sie sagen, du bist doch Schauspieler, also du lernst den Text und dann spielst du mir den vor, und so muss es doch in der Form sein, ja, ich weiß jetzt auch nicht wie, ja, machen wir halt den Schatten irgendwie anders oder das Licht anders, das kriegen wir schon irgendwie hin.
Tegeler: Der ideale Regisseur für Sie sagt nicht, spiel doch, sondern er sagt: Ich würde gerne, dass du so spielst?
Knaup: Der sagt auch, ich würde gerne, dass du so spielst, wenn er sieht, dass das, wie ich spiele, zu viel ist, zu wenig ist. Also, ich habe noch nicht mit ihm gearbeitet, der Dietl zum Beispiel, von dem weiß ich, der weiß ganz genau, wie er sich was vorstellt. Der ist jetzt ein bisschen in die Kontroverse geraten mit seinem letzten Film, aber es ist ein sehr, sehr guter Regisseur, der mit den Schauspielern wahnsinnig gut umgehen kann. Der taucht eben absolut in die Schauspielerwelt ein.
Tegeler: Herbert Knaup, kommen wir doch mal zu so unterschiedlichen Rollen wie dem Eichmann, den Sie gespielt haben. Wie kommt man denn rein in so eine Rolle?
Knaup: Das ist schwer. Aber es ...
Tegeler: In was muss man da steigen?
Knaup: Man steigt natürlich in die Aussagen, die dieser Mann getroffen hat. Als Schauspieler kannst du natürlich über eine Sprache auch in den Charakter finden und den darstellen. Und das habe ich eben versucht.
Tegeler: Ja, und was rührt das an?
Knaup: Wie, was das anrührt. Wie meinen Sie das?
Tegeler: In Ihnen, wenn Sie das spielen?
Knaup: Meine Aufgabe. Ich bin ein Menschendarsteller. Ich habe die Aufgabe, den Fächer möglichst breitzumachen. Ich kann Jesus Christus spielen, ich kann aber auch das Gegenteil spielen, eben einen Eichmann.
Tegeler: Aber was ist, wenn an dem Tag der Dreh vorbei ist. Und Sie nach Hause gehen?
Knaup: Dann hänge ich den Mantel an den Nagel wie der Handwerker, wie der Schreiner. Und das ist die Arbeit als Handwerker. So ist er Beruf zu verstehen.
Tegeler: Wobei es diese ...
Knaup: Und das geht.
Tegeler: ... zwei vollkommen unterschiedlichen Richtungen gibt. Der Tobias Moretti hat gesagt, als er den Albert Speer gespielt hat, als der Dreh fertig war, musste er mit dem Fahrrad, glaube ich, von woher auch immer nach Paris fahren, um die Rolle los zu werden.
Knaup: Na ja, ich nicht. Bei mir ist das nicht so. Ich werde die anders los. Oder ich muss sie gar nicht loswerden, weil die mich gar nicht so anzieht.
Tegeler: Es gibt ja die wunderbare Anekdote, die Sie mit Sicherheit kennen, wenn Sir Laurence Olivier zu Dustin Hoffman sagt bei den Dreharbeiten zum MARATONMANN, und Dustin Hoffman method acting eben pur ist, und Sir Laurence sagt, wie wäre es denn, wenn du es mal mit Schauspielen versuchst ...
Knaup: Ja: Versuch´s doch mit Schauspielerei.
Tegeler: Sie sind also eher derjenige ...
Knaup: Ja, genau, ich bin eher der Laurence Olivier in dem Falle. Das hat mich mehr überzeugt schon auf der Schauspielschule ...
Tegeler: Also, Sie müssen nicht die "Banalität des Bösen" in sich entdecken, um Adolf Eichmann zu spielen?
Knaup: Das muss ich nicht. Ich setze es voraus, dass diese Anlagen, da ich ein Mensch bin, irgendwo in mir drin sind. Jeder sie irgendwo hat.
Tegeler: Michael Fassbender, einer der aufsteigenden großen Stars des Weltkinos, zu sehen in einem sehr schönen Film - SHAME -, wo er einen Sexsüchtigen spielt, sagte im Zusammenhang mit diesem Film, natürlich sei es eine schreckliche Vorstellung, an den Set zu gehen, um masturbieren zu müssen, aber das sei der Job, das gehöre dazu. Ist das dann schwieriger, den nackten Peter Francke in diesem Film KOMM, SCHÖNER TOD zu tragen, oder ist das einfach nur Schauspiel-Handwerk?
Knaup: Das ist nicht einmal Schauspiel-Handwerk, das ist einfach menschlich in der Situation, weil man ja in diesen Rollen drin ist ...
Tegeler: Der Dienst der Rolle?
Knaup: Der Dienst der Rolle.
Tegeler: Also schon ein bisschen so, wie Michael Fassbender das mit der Masturbation sagt, man stellt sich in den Dienst der Rolle?
Knaup: Na klar!
Tegeler: Herbert Knaup, der Film ist im Kasten, und Sie gehen nach Hause?
Knaup: Es ist so ein bisschen wie ... bei mir ist das immer so ein bisschen wie Sisyphos. Dieser Sisyphos, der hatte diesen Auftrag, immer diesen Stein da hoch zu rollen. Den Berg hoch zu rollen. Und dann rollt er diesen Stein hoch auf diesen Gipfel. Und dann, wenn er eben auf seinem Gipfel, auf seinem Höhepunkt das ist, fällt der Stein ja wieder runter. Und dann muss er wieder - hat der Camus geschrieben - ... Wenn der Sisyphus oben wieder am Gipfel steht zuschaut, wenn der Stein da wieder runter rollt, und da ist eigentlich dieser Zustand, wo der Sisyphos am glücklichsten ist. Und so ein Zustand ist es eher nach den Dreharbeiten. Man hat etwas gemacht, war auf einem Berg, dann geht man wieder irgendwo hin, fängt aber eigentlich wieder von vorne an wie so ein Stehaufmännchen. Und sagt sich, nächstes Mal, aber ja, macht Sinn. Hat alles einen Sinn, wieso man das macht.
Das Drama "Komm schöner Tod", heute Abend, 5. April, um 22.15 Uhr im ZDF
Herbert Knaup: Sparkassendirektor? Ja, klar. LOLA RENNT.
Tegeler: Erinnern Sie denn noch jede Rolle? Oder ist die Frage absurd?
Knaup: Die ist wahrscheinlich absurd. Das sind ja über 110 Filme, glaube ich. Und ... also in dieser Zeit von 1993 bis jetzt kann man fast sagen: in zwanzig Jahren ... eigentlich undenkbar, wie man das eigentlich machen kann ...
Tegeler: In zwanzig Jahren 110 Filme?
Knaup: Ja, so ungefähr.
Tegeler: Herbert Knaup, wenn Sie am Abend vor Ihrem ersten Drehtag beispielsweise zum "Eichmann"-Film oder am Abend vor Ihrem ersten Drehtag zu Agnieszka Hollands Film "In Darkness", nehmen wir mal die schweren Filme aus Ihrer Filmografie. Wie fühlt sich Herbert Knaup an diesem Abend vorher?
Knaup: Aufgeregt. Das ist aufregend, ja, und auch noch verunsichernd, weil man noch nicht ganz genau weiß, wie das Zusammenwirken dieser einzelnen Kräfte ist, die bei Dreharbeiten natürlich Voraussetzung sind. Das heißt, das ganze Team, wie man mit dem klarkommt. Und die erste Szene, wie man sie spielt. Ein unsicherer Zustand. Und ein freudiger Zustand, ja aber es ist zugleich ...
Tegeler: Schlafen Sie gut?
Knaup: Ja, ich ... mittlerweile. Früher konnte ich nicht schlafen. Also, das war vor Premieren, was so ein erster Drehtag ja auch immer irgendwo ist. Es ist ja jeden Tag ein bisschen so eine Premiere. Ich kann da eigentlich gut schlafen.
Tegeler: Und dann ist der Moment. Dann werden Sie hingefahren, wenn es eine große Produktion ist, oder fahren hin.
Knaup: Na ja, das ist eben so eine Erfahrung über die Jahre mit diesem Beruf. Da hört sich das fast so absurd an, aber es ist wirklich so, dass ich in dem Fall, aber es gibt bestimmt auch viele andere Schauspieler, die, sagen wir mal, Profis sind, dass sie in dem Moment, wo sie vor der Kamera sind, am entspanntesten sind. Weil die Kamera, wenn du die über die Jahre erfährst, ein Schutz für dich ist. Und dein Partner wird ...
Tegeler: Das hat sich aber verändert in den Jahren?
Knaup: Ja, natürlich. Am Anfang ist wie beim Theater auch ein Horror ...
Tegeler: Die Kamera, wenn sie zum Freund wird, wie Sie eben gesagt haben, ist das ... muss man sich das vorstellen, wenn es denn gelingt, dass quasi dann die Welt sich wirklich abschottet gegen die andere Welt.
Knaup: Ja, genau, so wie Sie es beschreiben, ist das genau das Richtige. Die schottet sich ab.
Tegeler: Sehen Sie dann noch die Technik, diesen ganzen technischen Apparat. Oder blendet der sich quasi wie weg.
Knaup: Ja, der blendet sich weg. Das tut er. Dafür sorgt man selber. Es gibt so eine gewisse eye-line, nennt man das. Das ist so eine kleines Dreieck neben der Kamera. Manche brauchen das nicht, aber ich brauche das. Das ist mein einziger Schutz, den ich noch manchmal anfordere. Ein halber Meter ist das, wo wirklich in der Fluchtlinie möglichst nichts ist, was ablenkt. Wo du so einen Art freien Blick hast. Freie Möglichkeit.
Tegeler: Der wird auch hergestellt?
Knaup: Der wird hergestellt.
Tegeler: Das ist Ihr Haltepunkt ... Haltepunkt in der Zeit sozusagen.
Knaup: Genau.
Tegeler: In der Illusion?
Knaup: In der Illusion dieser Filmwelt, in der ich mich befinde.
Tegeler: Ich hatte eben nach dem Abend vor dem ersten Tag zum Dreh des Filmes X gefragt. Was mich noch mal genauso grundsätzlich interessiert: Der Schauspieler Herbert Knaup - nach all diesen Jahren - ... was brauchen Sie vom Regisseur.
Knaup: Na ja ... Meinen idealen Regisseur, dem ich wirklich des Öfteren begegne, das ist der Regisseur, der mich erkennt, der weiß, wie ich spiele, der weiß, wie ich meine Rolle angelegt habe, warum ich so spiele. Und der mir dann letztendlich auf die Schliche kommt, wie ich spiele, und dann mir noch sagen kann, nee, da machst du vielleicht ein bisschen weniger. Das ist was ganz Handwerkliches dann dieses Gespräch. Und da verrate mir doch nicht das Geheimnis, was du da eigentlich gerade doch erfunden hast, sondern behalte es für dich. Ich möchte es gar nicht wissen. Oder solche Gespräche sind das dann, wo das Gefühl da ist, dass ein Regisseur einen "lesen" kann, den Schauspieler lesen kann, die Mimik des Schauspielers, das, was er denkt, ergründet und letztendlich dem Schauspieler weiter hilft.
Tegeler: Herbert Knaup, was ist denn der - am jetzigen Punkt Ihrer Karriere - der schlechteste Regisseur? Was macht der denn so, dass Sie es eigentlich nicht wollen?
Knaup: Ein schlechter Regisseur, der macht gar nichts. Der ist nur in der Technik, der nimmt das einfach so, wie es kommt, der filmt es ab und sagt sich, das mache ich schon beim Schnitt, was die Gefahr oft bei Film- und Fernsehregisseuren ist, der hat sich auf die Seite der Technik geschlagen. Und hat gar nicht eine Möglichkeit, in die schauspielerische Welt einzutauchen. Ist auch legitim. Gibt es ganz Viele, die nicht in der Lage sind; die gehen davon aus, dass sie sagen, du bist doch Schauspieler, also du lernst den Text und dann spielst du mir den vor, und so muss es doch in der Form sein, ja, ich weiß jetzt auch nicht wie, ja, machen wir halt den Schatten irgendwie anders oder das Licht anders, das kriegen wir schon irgendwie hin.
Tegeler: Der ideale Regisseur für Sie sagt nicht, spiel doch, sondern er sagt: Ich würde gerne, dass du so spielst?
Knaup: Der sagt auch, ich würde gerne, dass du so spielst, wenn er sieht, dass das, wie ich spiele, zu viel ist, zu wenig ist. Also, ich habe noch nicht mit ihm gearbeitet, der Dietl zum Beispiel, von dem weiß ich, der weiß ganz genau, wie er sich was vorstellt. Der ist jetzt ein bisschen in die Kontroverse geraten mit seinem letzten Film, aber es ist ein sehr, sehr guter Regisseur, der mit den Schauspielern wahnsinnig gut umgehen kann. Der taucht eben absolut in die Schauspielerwelt ein.
Tegeler: Herbert Knaup, kommen wir doch mal zu so unterschiedlichen Rollen wie dem Eichmann, den Sie gespielt haben. Wie kommt man denn rein in so eine Rolle?
Knaup: Das ist schwer. Aber es ...
Tegeler: In was muss man da steigen?
Knaup: Man steigt natürlich in die Aussagen, die dieser Mann getroffen hat. Als Schauspieler kannst du natürlich über eine Sprache auch in den Charakter finden und den darstellen. Und das habe ich eben versucht.
Tegeler: Ja, und was rührt das an?
Knaup: Wie, was das anrührt. Wie meinen Sie das?
Tegeler: In Ihnen, wenn Sie das spielen?
Knaup: Meine Aufgabe. Ich bin ein Menschendarsteller. Ich habe die Aufgabe, den Fächer möglichst breitzumachen. Ich kann Jesus Christus spielen, ich kann aber auch das Gegenteil spielen, eben einen Eichmann.
Tegeler: Aber was ist, wenn an dem Tag der Dreh vorbei ist. Und Sie nach Hause gehen?
Knaup: Dann hänge ich den Mantel an den Nagel wie der Handwerker, wie der Schreiner. Und das ist die Arbeit als Handwerker. So ist er Beruf zu verstehen.
Tegeler: Wobei es diese ...
Knaup: Und das geht.
Tegeler: ... zwei vollkommen unterschiedlichen Richtungen gibt. Der Tobias Moretti hat gesagt, als er den Albert Speer gespielt hat, als der Dreh fertig war, musste er mit dem Fahrrad, glaube ich, von woher auch immer nach Paris fahren, um die Rolle los zu werden.
Knaup: Na ja, ich nicht. Bei mir ist das nicht so. Ich werde die anders los. Oder ich muss sie gar nicht loswerden, weil die mich gar nicht so anzieht.
Tegeler: Es gibt ja die wunderbare Anekdote, die Sie mit Sicherheit kennen, wenn Sir Laurence Olivier zu Dustin Hoffman sagt bei den Dreharbeiten zum MARATONMANN, und Dustin Hoffman method acting eben pur ist, und Sir Laurence sagt, wie wäre es denn, wenn du es mal mit Schauspielen versuchst ...
Knaup: Ja: Versuch´s doch mit Schauspielerei.
Tegeler: Sie sind also eher derjenige ...
Knaup: Ja, genau, ich bin eher der Laurence Olivier in dem Falle. Das hat mich mehr überzeugt schon auf der Schauspielschule ...
Tegeler: Also, Sie müssen nicht die "Banalität des Bösen" in sich entdecken, um Adolf Eichmann zu spielen?
Knaup: Das muss ich nicht. Ich setze es voraus, dass diese Anlagen, da ich ein Mensch bin, irgendwo in mir drin sind. Jeder sie irgendwo hat.
Tegeler: Michael Fassbender, einer der aufsteigenden großen Stars des Weltkinos, zu sehen in einem sehr schönen Film - SHAME -, wo er einen Sexsüchtigen spielt, sagte im Zusammenhang mit diesem Film, natürlich sei es eine schreckliche Vorstellung, an den Set zu gehen, um masturbieren zu müssen, aber das sei der Job, das gehöre dazu. Ist das dann schwieriger, den nackten Peter Francke in diesem Film KOMM, SCHÖNER TOD zu tragen, oder ist das einfach nur Schauspiel-Handwerk?
Knaup: Das ist nicht einmal Schauspiel-Handwerk, das ist einfach menschlich in der Situation, weil man ja in diesen Rollen drin ist ...
Tegeler: Der Dienst der Rolle?
Knaup: Der Dienst der Rolle.
Tegeler: Also schon ein bisschen so, wie Michael Fassbender das mit der Masturbation sagt, man stellt sich in den Dienst der Rolle?
Knaup: Na klar!
Tegeler: Herbert Knaup, der Film ist im Kasten, und Sie gehen nach Hause?
Knaup: Es ist so ein bisschen wie ... bei mir ist das immer so ein bisschen wie Sisyphos. Dieser Sisyphos, der hatte diesen Auftrag, immer diesen Stein da hoch zu rollen. Den Berg hoch zu rollen. Und dann rollt er diesen Stein hoch auf diesen Gipfel. Und dann, wenn er eben auf seinem Gipfel, auf seinem Höhepunkt das ist, fällt der Stein ja wieder runter. Und dann muss er wieder - hat der Camus geschrieben - ... Wenn der Sisyphus oben wieder am Gipfel steht zuschaut, wenn der Stein da wieder runter rollt, und da ist eigentlich dieser Zustand, wo der Sisyphos am glücklichsten ist. Und so ein Zustand ist es eher nach den Dreharbeiten. Man hat etwas gemacht, war auf einem Berg, dann geht man wieder irgendwo hin, fängt aber eigentlich wieder von vorne an wie so ein Stehaufmännchen. Und sagt sich, nächstes Mal, aber ja, macht Sinn. Hat alles einen Sinn, wieso man das macht.
Das Drama "Komm schöner Tod", heute Abend, 5. April, um 22.15 Uhr im ZDF