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"Ich bin fast ein Berliner"

Der Italiener Franco Stella erhielt mit seinem Vorschlag den Zuschlag für den Neubau des Berliner Stadtschlosses. Mit seinem Entwurf will Stella das Neue mit dem Alten verbinden. Stella, der sich bereits an mehreren Wettbewerben um Berliner Neubauten bewarb, pflegt seit den 70er-Jahren enge Beziehungen zu der Stadt.

Von Tomas Fitzel |
    Franco Stella wählte für seinen Entwurf für das Berliner Stadtschloss als Motto einen Satz von Karl Friedrich Schinkel, das im Prinzip seine ganze Haltung ausdrückt: "In der Naht liegt die Tugend." Er will das Alte mit dem Neuen versöhnen. Kontinuität ist für ihn ein wichtiges Wort. Dabei versteht er sich durchaus der Architektur der klassischen Moderne zugehörig, aber –

    "nicht eine Moderne, die alles vergisst, was bis gestern geschehen ist, so wie eine Idiolatrie, des Neuen, diese superstizione des Neuen, wie sagt man? Superstizione ist …"

    Der Aberglauben des Neuen. Auch wenn sein Deutsch nicht gerade flüssig ist, Franco Stella möchte nicht in seine Muttersprache wechseln, vielleicht auch um seine innerliche Verbundenheit mit Berlin auszudrücken.

    "Als Architekt könnte ich fast sagen: ich bin fast ein Berliner."

    Seit den 70er-Jahren hält er sich regelmäßig in Berlin auf und ist auch seit langem mit dem ehemaligen Senatsbaudirektor Hans Stimmann befreundet, der wie kein anderer die Stadtentwicklung nach dem Mauerfall prägte. In zwei großen Architekturwettbewerben war Stella in die Fachjury eingeladen worden, einmal zum Spreebogen, also dem Kanzleramt, und zur Spreeinsel, bei dem bereits das Thema Berliner Stadtschloss diskutiert wurde. Als Architekt bewarb er sich unter anderem bei den Wettbewerben für das Außenministerium und die Bibliothek der Humboldt-Universität, doch bisher stets ohne Erfolg, umso größer jetzt eben seine Freude.

    "Projekte sind bis vorgestern immer in Papier, in Schublade gefallen, auch große Projekte, das ist zum ersten Mal größte, unvergleichbar größte Gelegenheit, vielleicht war auch der letzte unheimlich wichtige Zug nach Berlin für mich."

    Man sieht ihm deutlich die unbändige Freude an, das Glück, das er immer noch nicht richtig fassen kann, dass er den Wettbewerb für das wichtigste Bauvorhaben Berlins und der Bundesrepublik gewonnen hat. Nicht ganz Ironie findet er die Tatsache, dass er erst einen Preis gewann, nachdem Hans Stimmann nicht mehr im Amt war, aber zufällig gerade neben ihm stand, als in Berlin die Entscheidung fiel, der Umschlag mit seinem Namen geöffnet wurde und Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee zum Telefon griff.

    "Diese Telefonate ist nicht direkt zu mir angekommen, war aber zu erst zu Dr. Stimmann und plötzlich kam zu ihm plötzlich hat geklingelt, ich weiß nicht Preisgericht, dann Minister oder so ein merkwürdige Zufall nicht?"

    Mit Hans Stimmann verbinden ihn auch viele Grundüberzeugungen. Dass Architektur politische Verhältnisse widerspiegelt und in einer Demokratie ein anderes Gesicht, als z.B. in einer Monarchie haben sollte, dieser Gedanke ist ihm eher fremd.

    "Demokratische Architektur ist Glasarchitektur, transparent, finde ich ganz idiotisch, ist vielleicht zu stark, aber ideologisch."

    Auch alles, was unter dem Stichwort ökologisches Bauen läuft, Bauten, die ihre Energie selbst erzeugen, hält er eher für einen Irrweg. Es reiche so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen. Rekonstruktion heißt für ihn mehr als nur die optische Wiederherstellung.

    "Ich habe versucht keine Attrappe zu machen. Ich wollte für Fassade wollte wie die Haut einen Körper. Das ist nicht eine Wiedererrichtung von Fassade, das ist eine Wiedererrichtung von Mauer- von Baukörper."

    In Italien baute er zuletzt zwei Ausstellungspavillons für die Messe in Padua, sonst bisher nicht viel. Er sieht sich damit in einer Reihe mit vielen großen italienischen Architekten, die wie Aldo Rossi, Renzo Piano oder Giorgio Grassi, die alle in ihrem Heimatland nur wenige Projekte verwirklichen konnten, dafür aber in Deutschland. Und nun baut er sein erstes großes Projekt, das Berliner Stadtschloss. Mit seiner großen, runden Brille erinnert Franco Stella ein klein wenig an Harry Potter, nur dass er eben weißes Haar hat. Der Eindruck durchaus sympathisch. In Berlin wird er allerdings mit mehr als nur bösen Zauberkräften zu kämpfen haben. Und in dieser Rolle vermag man sich ihn doch nicht so recht vorzustellen.