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Ich bin mein eigener Herr

Die promovierte Physikerin Adriana Tamachkiarow arbeitete am Institut für Wasserwirtschaft der Uni Duisburg-Essen, als sie beschloss, sich selbständig zu machen. Ihr Produkt: ein Verfahren, lästige Ablagerungen in feuchtigkeitsführenden Leitungen zu finden und den günstigsten Zeitpunkt für die Entfernung zu berechnen. Ihre Kunden: die Getränkeindustrie. Vor dem Sprung in die Selbständigkeit sondierte sie die Marktlage dahingehend, ob sie ihr Wissen nicht auch in einem schon bestehenden Unternehmen unterbringen könnte.

Von Andrea Groß | 01.05.2004
    Nachdem ich gesehen habe, dass die Geschwindigkeit, mit der diese Ideen zur praktischen Realisierung unter der Obhut von einem anderen Unternehmen doch nicht so schnell war, wie ich mir das gewünscht habe, kam natürlich sofort an erster Stelle die Gründung eines eigenen Unternehmens.

    Obwohl Adriana Tamchkiarow auch BWL studiert hat, wollte sie nicht allein selbständig sein. Sie selbst kümmert sich um die technische Entwicklung, so ihre Überlegung, und ein Zweiter regelt die Finanzen. Alexander Schramm, ein entfernter Bekannter, hatte zu dem Zeitpunkt gerade sein Wirtschaftsstudium an der Uni Köln abgeschlossen und dachte sich: wieso eigentlich nicht.

    Zum einen hatte ich schon Blut geleckt, in verschiedenen anderen Selbständigkeiten, die zuvor schon stattgefunden haben. Das ging direkt nach dem Abitur los, während des Studiums gab es zwei kleinere Selbständigkeiten, dann war ich tatsächlich mitten im Bewerbungsprozess, den ich dann zum gegebenen Zeitpunkt abgebrochen hatte, nachdem dieser Kontakt zu meiner bis dato privaten Bekannten auch auf einer geschäftlichen Ebene sich etabliert hat.

    Alexander Schramm war nicht der einzige Kandidat auf der Wunschliste seiner Geschäftspartnerin. In einem strengen Auswahlverfahren hat er sich aber gegen die anderen durchgesetzt. Mit Inbrunst, so sagt er, arbeitet er im eigenen Unternehmen. Die Opfer, die beide Geschäftsleiter gebracht haben, sind privater Natur. Beziehungen sind in die Brüche gegangen. Rückblickend sagen beide, das hätte nicht sein müssen. Vielmehr muss es auch ein Leben außerhalb des Unternehmens geben.

    Auf der Haben-Seite der beiden Gründer wiederum stehen jede Menge Preise von Existenzgründerwettbewerben. Die wären – so Alexander Schramm – nicht möglich gewesen ohne die Hilfe von Hochschul-Gründerprogrammen. Als erstes hatte sich das Team an die Uni Köln gewandt, die es wiederum an ein Förderprogramm der Uni Wuppertal weiterverwiesen hat.

    In unserem Fall muss man sagen: ohne diese Unterstützung der Hochschule wäre die Gründung sehr schwierig bis wirklich fraglich gewesen. Wir haben im ersten Programm Unterstützung bei der Erstellung eines Business-Planes bekommen. Dieser Business-Plan hat uns dann verschiedene Erfolge bei Wettbewerben ermöglicht und im Anschluss an diesen Business-Plan hatten wir dann die Möglichkeit ein zweites Programm zu bekommen, wieder über die Hochschule, wo wir zum einen auch durch Seminare Unterstützung erfahren, zum anderen die Möglichkeit, verschiedene Beratungstätigkeiten einzukaufen, immer in den Fällen in denen wir bestimmtes Know-how nicht hier im Hause haben.

    Sebastian Hanny bezeichnet sich selbst als Gründungslotse. Er arbeitet für das Netzwerk G-DUR, eine Abkürzung, die für "Gründungen aus Dortmund und Region" steht. G-DUR ist eines der Netzwerke des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. 15 dieser Netzwerke sind über die ganze Bundesrepublik verteilt. Sebastian Hannys Arbeitsplatz ist auf dem Campus der Uni Dortmund. Die Wege, die zu Hanny führen, sind vielfältig. Zum einen kommen Studierende vom Campus zu ihm und sagen: wir haben eine tolle Geschäftsidee.

    Wir bieten konkrete Beratung für die Umsetzung einer Geschäftsidee an. Das heißt: sowohl Beratungssprechstunden, wo wir die Geschäftsidee auf Herz und Nieren prüfen, die Begleitung von Gründungswettbewerben, insbesondere hier am Standort Dortmund, in den Gründungswettbewerben von Start to Grow, als auch die Vermittlung von Büroflächen, die die Gründerinnen und Gründer für drei bis vier Monate kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen.

    An dem Wettbewerb "Start to Grow" hat auch das Team Tamachkiarow und Schramm erfolgreich teilgenommen. Der Preis bestand in Büroräumen für ein paar Monate. "Start to Grow" ist ein Wettbewerb, den die Stadt Dortmund ins Leben gerufen hat. Der Preis wird europaweit ausgeschrieben und der Hintergedanke ist: interessante und innovative Unternehmen mieten die Räume auch nach Ablauf der Wettbewerbsfrist und siedelt sich auf Dauer in der Stadt an. Im Fall des Gründerteams Tamachkiarow und Schramm hat das leider nicht geklappt. Deren Firma Onvida residiert mittlerweile im Duisburger Hafen. Noch vor wenigen Monaten plätscherte Rheinwasser vor den Fenstern vorbei. Wegen Unwirtschaftlichkeit einiger Wasserflächen ist inzwischen Gestein aufgeschüttet worden, so dass die Firma mittlerweile auf eine Steinwüste blickt. Die Gründer behindert das nicht in ihrem Enthusiasmus. Bei der Farbwahl der Beschreibung ihrer Motivation scheint es aber doch eine Rolle zu spielen.

    Es kommt natürlich so, dass man sich in verschiedenen Situationen sagt: warum habe ich es mir bloß so angetan. Es kommt natürlich auch in anderen Situationen, dass man sagt: Gott sei dank, dass ich es gemacht habe. Und unter dem Strich ist der Alltag eines Gründers so richtig grau in grau und es sind mehrere weiße und mehrere schwarze Punkte, die im Grunde genommen die Sache sehr spannend und sehr interessant machen.

    Buchtipp:

    Hans Emge: Wie werde ich Unternehmer? und die knallharte Antwort . Rowohlt Verlag, 7.50€