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"Ich bin nicht zurückgetreten"

Udo Corts will nicht noch einmal für das Amt des Wissenschaftsministers von Hessen kandidieren. Auch für den Landtag will er im nächsten Jahr nicht wieder antreten. Der Grund für den Rückzug ist nach Corts' Aussage rein persönlicher Natur. Er habe sich in der Regierung Koch sehr wohl gefühlt, wolle aber nun eine neue Karriere in der Wirtschaft beginnen, erklärte der CDU-Politiker.

Moderation: Jörg Biesler |
    Jörg Biesler: Michael Siebel von der SPD hat gerade im Beitrag gesagt, Sie passten nicht in die stockkonservative CDU in Hessen. Das hat er, glaube ich, als Lob gemeint?

    Udo Corts: Das mag durchaus sein. Ich finde mich auch als Liberaler in einer konservativen Partei wieder, aber wir sind eine Volkspartei, und wir decken ein breites Spektrum ab. Ich habe mich in meiner Landesregierung unter Ministerpräsident Koch sehr wohl gefühlt, ich habe große Unterstützung gehabt bei den Vorhaben für die Wissenschaftspolitik Hessens, das heißt insbesondere - und darauf wird immer viel Wert gelegt und daran wird man gemessen -, das große Programm Heureka, drei Milliarden, all diese Dinge, ich will sie jetzt nicht wiederholen. Man hat seine persönliche Einstellung innerhalb einer Volkspartei, aber ich fühlte mich gut aufgehoben und nachhaltig unterstützt.

    Biesler: Der Rücktritt kam aber überraschend, offenbar auch für den Ministerpräsidenten. Es heißt, es gebe da ein Angebot aus der Wirtschaft. Ist das die Ursache für den Rücktritt oder nur der Auslöser?

    Corts: Es gibt verschiedene Angebote, aber es gibt keine Verträge, keine Vereinbarung, sondern ich hatte immer vor, nach einem gewissen Zeitraum wieder aus der Politik auszusteigen. Ich denke, viel zu wenig Politiker machen das, und zwar auch in beide Richtungen, auch aus der Wirtschaft wieder in die Politik. Ich hatte mir vorgenommen immer, fünf Jahre, vielleicht länger. Jetzt ist ein Zeitpunkt - ich bin 52 Jahre alt und habe jetzt noch mal durchaus eine Chance, eine neue, eine zweite Karriere anzufangen. Das habe ich mir reiflich in den letzten zwei, drei Monaten überlegt, zusammen mit meiner Frau. Es gibt drei Abschnitte: als hauptamtlicher Staatsrat in Frankfurt, vier Jahre als Staatssekretär im Innenministerium und jetzt fünf Jahre dann am Wissenschaftsministerium. Und das ist eine klare Zäsur. Mir ging es darum - und es ist vielleicht auch überraschend, weil es heißt sonst immer, die Politiker sichern sich ab und so weiter -, ich wollte frühzeitig Klarheit schaffen. Ich hätte mich nominieren lassen können, hätte Wahlkampf machen können, wäre abgesichert worden. Und dann sagen, ich gehe, das fand ich nicht fair. Und deswegen: Vier Wochen vor einem Nominierungsparteitag wollte ich sagen, ich stehe nicht mehr zur Verfügung. Keine negativen Gründe dafür, sondern es war einfach für mich die Entscheidung, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.

    Biesler: Sie haben heute auch der FAZ gesagt, Sie wollen bis zum April 2008 Ihr Amt mit unverändert großem Engagement ausfüllen, weil Ihnen dieses Amt einen Riesenspaß mache. Das klingt aber doch so, wenn Sie das mit dem Rücktritt verbinden, als ob das mit dem Riesenspaß zumindest nicht die ganze Wahrheit sei.

    Corts: Ich bin nicht zurückgetreten, da muss man genau drauf achten.

    Biesler: Sie haben ihn angekündigt?

    Corts: Ich teile mit, dass ich nicht weiter zur Verfügung stehe. Wir haben ein Mandat auf Zeit, auf fünf Jahre. Und Riesenspaß: Es ist so, es macht sehr viel Spaß, Dinge zu entscheiden, zu bewegen, neue Ideen zu entwickeln. Es gibt durchaus vergnügungssteuerpflichtigere Dinge als beispielsweise in einen Pulk von 300 schreienden Studenten zu gehen und dann versuchen, aufrecht da wieder rauszukommen. Das muss man nicht jeden Tag haben, aber das gehört dazu und das habe ich auch gemacht. Aber es gibt im kulturellen Bereich - ich habe sehr viel mitgenommen, auch für mich persönlich, aber auch für das Land. Wir haben neue Ideen, das Literaturland Hessen, das Leseland Hessen, eine Museumslandschaft in Kassel zu entwickeln und 200 Millionen an Investitionen zu generieren, die diesen Museumsstandort zum viertgrößten und wichtigsten in Deutschland machen konnten. Das sind Sachen, die mir sehr viel Spaß und Freude gemacht haben. Natürlich, dann gibt es Tage, wo man sagt, das muss nicht sein, aber das müssen wir auch machen.

    Biesler: Also viele Studierende haben Sie sicherlich nicht als sehr kooperativ empfunden. Glauben Sie sozusagen schon fast im Rückblick, dass das trotzdem die richtige Herangehensweise war?

    Corts: Es ist ein Paradigmenwechsel, den ich vollzogen habe, der in Hessen ein bisschen lauter war, aber wir sprechen von 160.000 Studenten, die wir in Hessen haben. Ich habe im Prinzip 2-, 300 Protestler, die mich begleiten. Ich sage manchmal spaßeshalber, ich kenne sie fast alle schon mit dem Vornamen. Es sind teilweise auch Militante dabei, aber die große Menge versteht und erwartet - und da lege ich großen Wert drauf - erwartet tatsächlich auch Verbesserungen im Herbst. Darüber haben wir heute Morgen auch wieder mit dem Präsidenten der Universität Gießen hier in Gießen gesprochen, dass diese Verbesserungen tatsächlich kommen müssen. Und wenn die Studierenden erkennen, mit den 500 Euro im Semester tut sich einiges - mehr Tutorien, mehr Bücher, Laptops usw. -, ich glaube, dann wird das auch akzeptiert. Und weltweit ist es ausgestanden. Die sagen immer, wenn ich international unterwegs bin, 500 Euro, das ist bei uns die Verwaltungsgebühr und nicht die Studiengebühr oder Studienbeitrag. Da trage ich die Verantwortung für, dass ich das eingeführt habe, das macht nicht nur Freude, aber ich halte es für notwendig. Wir haben dadurch den Etat auch noch mal um 10, 12 Prozent erhöhen können.