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"Ich dachte, der Knast ist chillig"

Gewalt auf den Schulhof ist in vielen Städten keine Seltenheit. Handys und MP3-Player werden geklaut, Prügeleien sind an der Tagesordnung. Oft sind besonders Förder- und Hauptschulen betroffen, in denen der Ausländeranteil hoch ist und wo die Schüler Gewalt schon aus ihrer Familie kennen. Mit seinem Projekt "Sprache gegen Gewalt" möchte Dirk Heinrichs die Gewaltbereitschaft der Jugendlichen senken.

Von Britta Mersch | 05.04.2008
    "Ich habe einen Sohn, der wird jetzt zwei Jahre, das ist schon traurig, wenn man nicht alles mitkriegen kann, die ersten Schritte, die ersten Zähne..."

    Den zweijährigen Sohn nicht sehen, weil man im Gefängnis sitzt. Der Film, den Dirk Heinrichs in der Förderschule "An der Kleestraße" in Wuppertal vorführt, zeigt den Knast-Alltag von jugendlichen Straftätern. Ihr Leben ist von Gewalt geprägt - und von Einsamkeit. 23 Stunden sitzen die Jugendlichen in ihrer Zelle, ohne Fernseher und ohne Handy. Und in den einstündigen Freigängen müssen sie sich vor Übergriffen der anderen Häftlinge schützen.

    Der 23-minütige Film soll abschrecken. Er zeigt Pascal, einen Jugendlichen aus Köln, der sich viel prügelt - und der, wenn er nicht aufpasst, irgendwann im Gefängnis landen könnte. Einige der Jugendlichen in der Wuppertaler Förderschule finden den Knast cool. Dirk Heinrichs möchte den Schülern zeigen, dass Gewalt und Gefängnis alles andere als cool sind.

    "Die Realität im Knast ist viel brutaler als das, was wir hier gerade gesehen haben."

    Im Knast gibt es Gangs, die sich mit aller Macht durchsetzen. Schlägereien gehören zur Tagesordnung. Im November 2006 machte der Fall eines Jugendlichen Schlagzeilen, der von seinen Mithäftlingen in der JVA Siegburg geschlagen, missbraucht und schließlich ermordet wurde. Die Schüler der Wuppertaler Förderschule sind nach dem Film still. Dirk Heinrichs fragt sie nach ihren Eindrücken.

    "Heinrichs: Was war cool daran, erzähl mal? Was glaubst du, wie lange du da aushalten würdest?
    Schüler: Ich würde nicht mal einen Tag aushalten."

    Nicht mal einen Tag würde es dieser Schüler im Knast aushalten, sagt er nach dem Film. Die Vorführung wirkt. Die Schüler machen sich Gedanken und können sich vorstellen, wie Pascal, der nur einen Tag im Knast war, es dort empfunden hat. Der Film hat sie nachdenklich gemacht.

    "Gut. Ängstlich. Wirkt auch anders auf uns. Er zeigt die Wahrheit.
    Was glaubst du, wie der Junge sich da gefühlt hat?
    Der hatte keine Freunde, der wusste nicht, wo er hingehen sollte, der hatte keine Ahnung von irgendetwas, was da abging im Knast.

    Das ist echt so Scheiße da drinne. Da ist immer Stress, (...), ich war noch nicht da drinne, fast jeder meint zu mir, das ist gut da drin, aber ich habe echt gedacht, da drinnen ist so chillig und so, man kann alles machen. Und jetzt habe ich das gerade im Video gesehen. Das ist nicht so gut."

    Der Film soll abschrecken - und das hat er geschafft. Er soll die Schüler zum Nachdenken bringen. Gewalt spielt bei vielen im Alltag eine Rolle, sagen die Schüler.

    "Ich erlebe das schon, dass die sich hier so schlagen. Aber ich selbst habe noch nie Gewalt gemacht.
    Wie findest du das, wenn sich die Leute hier schlagen?
    Scheiße.
    Warum?
    Weil es nicht gut ist. (...) Weil sie denken, die wären dann cool. Mit cool macht man nichts. Man muss einfach reden. Ist besser so."

    Viele Schüler der Förderschule erleben Gewalt auf dem Schulhof und auch zu Hause bei ihren Eltern. Einige greifen auch ein, wie dieser Schüler der Klasse 9, der schon mal in eine Prügelei geraten ist.

    "Ja, mit einer, da habe ich aber mich nicht selbst geprügelt, da habe ich höchstens geholfen mit anderen, damit die sich nicht prügeln, auseinander gehalten.
    Wie machst du das? Was sagst du denen dann, damit die sich nicht prügeln?
    Ich sage denen, die sollen aufhören, ich halte sie auseinander oder nehme den einen, der damit angefangen hat und halte ihn fest und nimm den mit einem Polizeigriff."

    Einige der Schüler kennen auch Jugendliche, die schon im Gefängnis waren.

    "Für den war das auch nicht so ok, weil die haben auch wegen Schlägerei, so sind die da hereingekommen."

    Die Schüler wollen etwas gegen die Gewalt machen. In einem eigenen Filmprojekt möchten sie darstellen, wie es auch anders gehen kann. Diese Schülerin hofft:

    "Dass das bald nicht mehr so wird, mit Schlägerei, Drohungen und so."

    Das Projekt "Sprache gegen Gewalt" kann hoffentlich helfen.