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"Ich finde den Film sehr gut"

WDR-Intendant Fritz Pleitgen betrachtet den Film "Mein Führer" als gelungene Entlarvung des Nationalsozialismus. "Da ist diese Primitivität und Perfidität oder auch Amoralität und Kriminalität dieses Regimes auf eine sehr eindrucksvolle Weise bloßgestellt worden", sagte Pleitgen. Insbesondere lobte er die schauspielerischen Leistung der Hauptdarsteller Helge Schneider und Ulrich Mühe.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Herr Pleitgen, hatten Sie genug Anlass zum Lachen?

    Fritz Pleitgen: Ja, natürlich habe ich gelacht. Ich war allerdings insgesamt schon ein bisschen angespannt, ich hatte die erwähnten kontroversen Darstellungen in den Feuilletons gelesen und nun mir vorgenommen, davon unbeeinflusst mir das anzuschauen, sehr aufmerksam dabei zu sein. Diese Kontroversen werden ja heute noch fortgesetzt. Der Film wird in der "FAZ" etwa gönnerhaft verrissen und in der" Süddeutschen Zeitung" wohlwollend behandelt.

    Was ist meine Meinung? Ich war am Ende doch sehr angetan, wie es Dani Levy gelungen ist, dieses Wagnis nun durchzustehen. Sie hatten es ja vorhin gesagt, es ist ja die Frage gestellt worden, ob man über Hitler lachen kann. Die Menschen haben ja schon damals in der Nazizeit über ihn gelacht, leider konnten sie es nur heimlich tun, weil ihnen sonst möglicherweise ein Garaus bereit worden wäre.

    Ich finde den Film sehr gut. Warum? Ich wusste, es ist ein Wagnis, Dani Levy hat da Neuland betreten. Wir haben im WDR uns in zig Sendungen mit Hitler auseinandergesetzt, aber nie auf diese Art und Weise. Und Helge Schneider den Hitler ausgesprochen gut gespielt, Ulrich Mühe als der Gegenspieler war auch eine starke Besetzung. Es ging ja darum, diesen Rassenwahn der Nazis zu entlarven, ihre Überheblichkeit, ihr Überlegenheitsgefühl, das wurde ja in das Gegenteil verkehrt, und das ist in diesem Film gelungen, da ist diese Primitivität und Perfidität oder auch Amoralität und Kriminalität dieses Regimes auf eine sehr eindrucksvolle Weise bloßgestellt worden.

    Heckmann: Der Geschäftsführer der Filmstiftung NRW meinte, der Film sorge durchaus auch für Beklemmung, man gehe aus dem Film doch nachdenklich hinaus. Ist Ihnen das auch so ergangen, oder ist der Film dann doch eher an der Oberfläche geblieben?

    Pleitgen: Ja, natürlich. Ich meine, man merkte natürlich schon dem Film an, Dani Levy hat sich immer bemüht, nun das nicht in eine einzige und völlige oder, um einen Begriff aus der Nazizeit zu benutzen, totale Clownerie entgleisen zu lassen. Er hat immer wieder nach moralischen Streben gesucht. Und dabei ist natürlich auch sehr viel Nachdenklichkeit erzeugt worden, vor allen Dingen das Ende, wo der Jude Grünbaum nun Hitlers Rede spricht, aber ihn am Ende dann völlig entlarvt vor diesen Millionen, eine Million Menschen sollten angeblich dort zusammengebracht worden sein für Hitlers große Abschlussrede, dann doch entlarvt. Dafür wird er umgebracht. Alleine schon dieses Ende sorgt für große Nachdenklichkeit, zwischendurch auch.

    Heckmann: Ein Anklang im Übrigen an den Film von Charlie Chaplin.

    Pleitgen: Ja, ich will Ihnen sagen, diese Vergleiche mit Chaplin, Lubitsch, diese Filme sind ja zu anderen Zeiten entstanden, da sind natürlich Elemente übernommen, auch von Brecht. Klar, das wird immer wieder gemacht, aber es ist ein Dani-Levy-Film, und ich habe vollkommen den Eindruck gewonnen, dass das Publikum diesen Film richtig verstanden hat. Ich habe heute in der Zeitung gelesen, na ja, vielleicht kann man zweieinhalb Mal lachen. Das Publikum hat viel öfter gelacht, ist aber auch sehr nachdenklich aus diesem Film herausgekommen, und deshalb bin ich davon überzeugt, dass es hier gar keine Missverständnisse gegeben hat.

    Heckmann: Aber, Herr Pleitgen, Helge Schneider hat sich vom Film distanziert, sein Hitler komme nach dem Schnitt des Films viel zu harmlos daher, nämlich als Schwächling, das sei ihm viel zu profan. Der Filme reiße außerdem nichts mehr auf, so seine Formulierung. Können Sie seiner Kritik etwas abgewinnen?

    Pleitgen: Na ja, Helge Schneider ist nun Helge Schneider, der mit seinen Bemerkungen vielleicht hier auch für diesen Film bewusst oder unbewusst nochmal Reklame gemacht hat, denn nun ist man wirklich interessiert, hat er damit Recht? Meines Erachtens hat er den Hitler, also diese Form von Hitler sehr überzeugend gespielt, vor allen Dingen als Gegenüber von Ulrich Mühe, dem Professor Grünbaum, der ja auch immer wieder betont, ich bin Professor, um zu sagen, ich bin dir überlegen, um das umzudrehen, was die Nazis immer behauptet haben, dass sie die überlegene Rasse repräsentieren. Also ich kann da Helge Schneider Gott sei Dank nicht Recht geben. Er hat das prima gemacht, und es ist aus sehr viel Hitler sein Hitler übriggeblieben. Ich denke, dass das Publikum kommen wird. Und wir haben ja immer die Sorge, dass solche Filme möglicherweise bei jungen Menschen falsche Reaktionen hervorrufen, Mitleid oder ein Gefühl, da ist ein verlassener Held. Hier ist Hitler in einer Weise dargestellt worden, diesem Mann wird man sicher nicht nacheifern wollen.

    Heckmann: Aber Ralph Giordano beispielsweise hat formuliert, das könne Schaden anrichten, wenn das Publikum denkt, Hitler sei eine Witzfigur.

    Pleitgen: Ich verstehe Ralph Giordano angesichts seines Schicksals, was er unter den Nazis erlitten hat. Da muss er besorgt sein, dass hier bei dieser gewagten Form, sich mit Hitler auseinanderzusetzen, Missverständnisse auftauchen können. Ich weiß nicht, ob Ralph Giordano den Film gesehen hat. Wenn er den gesehen hätte, ich glaube, da wäre er sehr beruhigt nach Hause gegangen und auch zufrieden.