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"Ich fühle mich als Beruf: Franzose in Deutschland"

Alfons, der unsichere Franzose mit dem Puschelmikrofon, wurde mit seiner Sendung "Puschel-TV" bekannt. Er versucht mit Straßenumfragen die Deutschen zu verstehen und beschäftigt sich dabei immer wieder mit dem Vergleich zwischen seinem Geburtsland und seiner Wahlheimat Deutschland.

Emmanuel Peterfalvi im Gespräch |
    Marina Schweizer: Heute mein Thema: der Komiker Alfons. Hallo.

    Alfons: Hallo.
    Schweizer: Wären Sie lieber hauptberuflich Franzose oder Komiker?
    Alfons: Also eigentlich gar nicht Komiker. Ich fühle mich als Beruf: Franzose in Deutschland. Das ist schon ein Fulltime-Job, also, das reicht mir schon.
    Schweizer: Franzosen sind ja bekannt für ihre Mode. Wo findet man den Alfons-Look?
    Alfons: Der Alfons-Look ist einzigartig. Ich habe lange daran gearbeitet, man findet diese Jacke einfach nicht mehr. Das war eigentlich kein Einzelstück, die kommen aus der DDR, aber die hat niemand mehr. Leider, denn dann habe ich ein Problem. Aber: Das ist einzigartig.
    Schweizer: Das Gespräch mit der Figur Alfons ist jetzt schon beendet, dafür spreche ich jetzt mit dem Mann, der dahinter steht: Emmanuel Peterfalvi. Ist Alfons denn das deutsche Klischee eines Franzosen, wie es von Ihnen tatsächlich wahrgenommen wird?
    Alfons: Ich werde Sie ein bisschen enttäuschen, weil jetzt werden Sie wahrscheinlich keinen Unterschied merken, ob Sie mit Alfons oder Emmanuel sprechen. Non, nicht wirklich. Der Klischeefranzose der ist sehr elegant, der spricht schnell und der ist sehr höflich und et cetera. Und als Alfons bin ich so, wie ich bin. Das heißt: Nicht wirklich der Frauenheld und nicht wirklich der Geschickteste, aber so bin ich im Leben, insofern muss ich da nichts ändern und das ist auch praktisch.
    Schweizer: Sie sind ja jetzt schon seit über 20 Jahren in Deutschland. Ich hatte jetzt gedacht, Ihr Akzent ist normalerweise vielleicht ein bisschen weniger da, als Sie den als Alfons haben. Haben Sie tatsächlich noch so einen Akzent?
    Alfons: Es ist umgekehrt. Also: Wenn ich natürlich rede, dann ist das das, was Sie von Alfons kennen. Wenn ich mich im normalen Leben mit Deutschen unterhalte, strenge ich mich an. Relativ unbewusst, aber ich strenge mich so richtig an, so richtig den Akzent zu unterdrücken und möglichst wenig Akzent zu haben einfach. Wenn ich bei Alfons bin, entspanne ich mich und dann kommt das Natürliche letztendlich wieder hoch.
    Schweizer: Also, nicht verändert tatsächlich - pur. Emmanuel Peterfalvi ist auch im Prinzip wie er sich gibt ein bisschen wie Alfons?
    Alfons: Ich weiß es nicht, weil das habe ich zum Glück nicht wirklich unter Kontrolle. Das heißt: Ich mache mein Ding und dann gibt es Journalisten, die das so gerne analysieren und so. Ich habe keine Ahnung ehrlich gesagt.
    Schweizer: Bei Ihnen geht es ja viel um den Vergleich Deutsche und Franzosen. Und Sie sind ja jetzt nun seit über 20 Jahren hier in Deutschland. Inwiefern verkörpern Sie denn diese deutsch-französische Freundschaft?
    Alfons: Insofern, dass ich tatsächlich seit 20 Jahren in Deutschland lebe - freiwillig. Das ist schon mal eine Leistung für einen Franzosen. Und, dass ich eigentlich nichts anderes mache, als dass ich mir einfach das Leben in Deutschland von den Deutschen angucke und sehr viel Spaß daran habe, mir das anzugucken. Und dann Euch zu sagen, was ich da gesehen habe. Viel mehr mache ich nicht, aber viel mehr muss eine Freundschaft auch nicht machen.
    Schweizer: Also Sie sind im Prinzip mit den Deutschen schon befreundet, Sie begegnen denen nicht mit einem sehr kritischen Blick …
    Alfons: Ich bin viel mehr, als befreundet, ich bin mittlerweile eingedeutscht. Ich mache Dinge, wo meine französischen Freunde sagen: 'Hey, hast du sie noch alle?'
    Schweizer: Zum Beispiel?
    Alfons: Zum Beispiel: Ich erscheine pünktlich. Und wenn es eine Feier gibt und der Kumpel sagt: Um 20 Uhr treffen wir uns, bin ich der einzige, der um 20 Uhr da ist. Um 20 Uhr 45 kommt der Gastgeber an und dann der Rest eine Stunde später. Und die verstehen nicht, warum. Aber das vergesse ich: Stimmt, ich bin in Frankreich. Da muss man immer zwei Stunden plus zählen.
    Schweizer: In Ihrem Bühnenprogramm geht es ja auch genau um solche Beispiele, das ist ja auch ein Beispiel daraus. Es geht auch um Ihre Kindheit und um Ihre Kindheitsfreunde. Sie beschreiben, wie Sie ein Puschelmikrofon zu Weihnachten bekommen haben oder zum Geburtstag. Was war denn damals los? Wie kam diese Initialzündung?
    Alfons: Die Geschichte mit dem Puschelmikrofon die stimmt auch. Ich habe mit sechs ein Mikrofon mit einem Kassettenrekorder, es war noch kein großes Puschelmikrofon, aber ein Mikrofon, dann als Geschenk bekommen und gleich habe ich damit angefangen, Leute, Geräusche, Geschichten aufzunehmen. Da war ich schon sechs. Und dann habe ich Vorträge in der Schule und alles mit diesem Kassettenrekorder gemacht. Das war schon ein Großteil der Motivation sozusagen.
    Schweizer: Sind Sie dann darüber auch tatsächlich zu dem Beruf gekommen?
    Alfons: Ja, also der Beruf kam ein bisschen zufällig. Ich wollte immer im Radio arbeiten und dann im Fernsehen. Meine Mutter hat das nie gewollt, weil sie gesagt hat. Du musst erstmal studieren. Also habe ich Langweiliges studiert und auch Diplom tatsächlich gemacht. Nur, weil meine Mutter sagte: Du, also, es ist wichtig, ein Diplom zu haben, bevor du Clown wirst, so ungefähr.
    Schweizer: Also: Kind, lern' erstmal was Richtiges!
    Alfons: Genau. Aber dann habe ich das gemacht, aber immer parallel dazu habe ich tatsächlich mit zwei Freunden ein Piratenradio gegründet zum Beispiel oder für das ernsthafte Studium musste man oft ein Praktikum machen und das habe ich immer entweder in Radiostationen gemacht oder in Fernsehstationen. Ich bin auch nach Amerika für ein Praktikum gegangen und habe da in Amerika in einer TV-Station gearbeitet. Also, das habe ich nie losgelassen. Aber das nahm sehr viele Umwege.
    Schweizer: Heißt das, Sie wollten am Anfang eher Journalist werden?
    Alfons: Ich glaube, wenn Sie mich damals gefragt hätten, hätte ich gesagt: 'Ja, Journalist oder Moderator.' Und dann hat sich das irgendwie gewandelt.
    Schweizer: Teil Ihres Programms sind ja auch Einspielfilme, journalistische Form der Umfrage und diese Umfragen machen Sie mit dem Puschelmikro. Manchmal lassen die Leute da ja ganz schön krasse Sachen raus. Gab es da schon mal böse Reaktionen, wenn sich da jemand irgendwie bloßgestellt gefühlt hat?
    Alfons: Es gibt niemanden, der bloßgestellt wird. Das mache ich nicht. Und, wenn das mal passiert, dann sende ich das nicht und dann zeige ich das nicht. Mir ist es sogar sehr wichtig, dass meine Ansprechpartner in ihrer Kuriosität und in ihrer Skurrilität respektiert werden und dass man sich möglicherweise am Ende sagt: Was hat der denn da gemacht? Was hat der denn gesagt? Aber irgendwie ist er trotzdem sympathisch. Das ist mir sehr wichtig und egal, ob das tatsächlich Leute auf der Straße sind oder wer auch immer, dass ich die so zeige, wie die sind. Dass ich auch sage, wenn ich finde, wenn es nicht richtig ist oder wenn es merkwürdig ist. Aber ich will niemanden bloßstellen, das ist mir sehr wichtig.
    Schweizer: Sie haben mal gesagt, Ihnen ist es wichtig, dass die Menschen auf der Straße authentisch sind. Bei Ihnen scheinen sie ja fast hemmungslos zu sein. Das ist ja für mich als Journalistin ganz interessant: Könnten Sie mir da einen Tipp geben, wie Sie das anstellen?
    Alfons: Ja, Sie brauchen eine orange Jacke und ein Puschelmikrofon und mehr weiß ich nicht. Aber ich habe das schon versucht, als Journalist damals, ohne Puschelmikrofon und ohne Jacke und das funktioniert nicht. Die Leute fangen an, sehr langweilige Dinge zu erzählen, weil die das Gefühl haben: 'Oh, jetzt bin ich im Fernsehen oder im Radio - ich muss intelligente Dinge sagen.' Und dann wird das total langweilig. Man spürt, dass sind Dinge, die sie sonst nie sagen würden. Und bei mir mit dem Puschelmikrofon, mit dem Alfons, sprechen die, wie wenn die sonst zuhause oder am Stammtisch sprechen. Und das macht es, finde ich, sehr magisch. Sehr authentisch und sehr, na ja, anders. So was sieht man meistens nicht im Fernsehen.
    Schweizer: Haben Sie das Gefühl, die Leute erkennen Sie und sie reagieren deshalb so oder wollen die Leute Ihnen einfach helfen, weil Sie so ein hilfloser Umfragemacher sind?
    Alfons: Mittlerweile gibt es viele Leute, die mich erkennen, die mir auch helfen wollen. Das will ich auch. Also, ich will wirklich Deutsche verstehen und ich will Deutschland verstehen. Und ich will, dass die Leute mir helfen. Also: Helft mir und dann kommt ihr im Fernsehen!
    Schweizer: Verstehen Sie denn die Deutschen mittlerweile?
    Alfons: Ja, einige Dinge schon. Aber zum Glück bin ich immer noch auf der Suche nach Dingen, die mich immer wieder überraschen und die mir Spaß machen. Insofern: So lange das dauert, bleibe ich.
    Schweizer: Was hat Sie denn zuletzt noch am meisten an den Deutschen überrascht?
    Alfons: Also eigentlich tagtäglich. Ich glaube, das, was ich jetzt gezeigt habe mit den Nacktwanderern ist schon so ein Beispiel, wo ich sagen würde: Ok, so etwas gibt es eigentlich nur in Deutschland. Vielleicht stimmt das auch nicht, aber so in der Art, wie es gemacht wird. Aber auch dieser Skandal, den ich erzählt habe über Marseille und über die Polizisten in Marseille, die alles geklaut haben und Drogen und Bargeld von den Drogendealern genommen haben und einfach die Drogen dann wieder verkauft haben. Wenn ich das den Deutschen erzähle, die glauben es mir nicht. In Frankreich weiß jeder, dass es stimmt und ich kann es so viel erzählen, wie ich will: Der Deutsche kann das einfach nicht fassen, dass ein Polizist auch klauen kann. Aber das stimmt.
    Schweizer: Sie haben vorhin schon anklingen lassen: Sie sind selber schon so eingedeutscht. Was sind die Dinge, die Ihnen begegnen, wenn Sie nach Frankreich kommen, wo Sie es an sich selbst merken?
    Alfons: Also, es gibt Dinge, da schäme ich mich. Also ich habe mich erwischt: Letzte Woche war ich in Paris. Ich habe mich erwischt, eine Straße nicht zu überqueren, weil die Fußgängerampel rot war. Also, das war ein Reflex. Und alle gucken mich an, als ob ich eine Krankheit hätte und das könnte sogar ansteckend sein. Da hatte ich komplett vergessen, dass die Gefahr die Autos sind und nicht die rote Ampel. Also, so kann es einen ganz, ganz schnell überrennen.