Avi Primor: Nein, eher weniger. Die Ausgangsposition, die Positionen, die Netanjahu hat und die Mahmud Abbas hat, sind gar nicht überwindbar, und ich glaube auch nicht, dass die beiden die Absicht haben, tatsächlich irgendeinen Vertrag zu schließen, irgendeinen Frieden zu schließen. Sie wissen ganz genau, dass sie miteinander gar nichts anfangen können. Aber es wird wie immer sehr schön aussehen, mit vielen Aussagen von Frieden und Hoffnungen und gutem Willen, aber das haben wir ja schon mehrfach erlebt, den Film haben wir schon mehrfach gesehen. Ich glaube nicht, dass es da wirklich eine Möglichkeit gibt, solange Obama sich nicht tatsächlich energisch einmischt, und dazu ist er zumindest jetzt nicht bereit.
Köhler: Wenn zwei sich streiten, dann haben sie etwas gemeinsam: Sie streiten nämlich. Das ist nicht schön, verbindet aber kommunikativ. Was ist anders heute, geopolitisch? Es geht ja um mehr als "nur" einen geopolitischen Streit im Nahen Osten, sondern es ist die Großregion und damit auch die Weltpolitik betroffen.
Primor: Aber sicher, und das ist auch der Grund, weshalb sie bei diesem Verhandlungstisch den ägyptischen Präsidenten Mubarak haben und den jordanischen König Abdallah. Wenn Sie sich die beiden Kontrahenten anschauen: Abbas will diese Verhandlungen nicht haben, weil er weiß, dass er von dem Ministerpräsidenten Israels gar nichts bekommen wird, nichts was er annehmen kann, und wenn die Verhandlungen scheitern, was er natürlich unter diesen Umständen fürchtet, dann wird er als Verräter in seinem Lager erklärt werden, er ist ja zum Feind gegangen, ohne was zu bekommen. Warum kommt er dann, wenn das so ist? – Weil man ihn gezwungen hat. Die Arabische Liga hat ihn dazu gezwungen, Ägypten und Jordanien und hinter den Kulissen auch Saudi-Arabien haben ihn dazu gezwungen, weil sie eine ganz andere Sorge haben. Für sie lauert die Gefahr in dem Iran. Die Amerikaner haben Mahmud Abbas dazu gezwungen, weil Obama diese Verhandlungen braucht - aus seinen Gründen, und hat ihm sogar damit gedroht, dass die Amerikaner die wirtschaftliche Hilfe einstellen würden, und ohne diese wirtschaftliche Hilfe kann Mahmud Abbas und seine Regierung gar nicht überleben.
Köhler: Es gibt eine berühmte Anekdote aus dem bundesdeutschen Wahlkampf 1969, als der "Spiegel"-Chef und Herausgeber Rudolf Augstein den liberalen Politiker und Parteifreund Walter Scheel anruft und sagt, er soll in eine sozial-liberale Koalition treten. Er rät ihm das nach 20 Jahren CDU-Herrschaft. Chefredakteur Günter Gaus damals ruft Willy Brandt an und sagt, "Walter Scheel wartet auf Ihren Anruf", und so soll die sozial-liberale Koalition entstanden sein. Funktioniert Diplomatie nicht auch ein bisschen so, dass man die Verlobung auch ein bisschen hinter den Kulissen stiften muss? Funktioniert Diplomatie auch so?
Primor: Auch so. Ich würde das sogar als unentbehrlich bezeichnen. Aber alleine reicht das nicht aus. Wenn die beiden Seiten widersprüchliche Interessen haben, dann hilft das nichts. Die Vermittlung kann helfen, wenn es grundsätzlich einen guten Willen gibt. Ich würde sagen, im Nahen Osten gibt es heute einen guten Willen, den es vorher noch nie gab, aber in den Bevölkerungen. Die Mehrheit der Bevölkerung auf beiden Seiten ist zu Zugeständnissen, weitgehenden Zugeständnissen bereit, nicht aber die Regierungen, die zu schwach sind, nicht aber die Regierungen, die unter Druck der Extremisten und Fundamentalisten auf beiden Seiten stehen, und deshalb braucht man viel mehr als internationale Vermittlung. Man muss ein internationales Engagement, und zwar sehr energisch, dazu haben, und das könnte natürlich nur Obama sein. Obama heute ist nicht in diesem Lager, vielleicht nach November.
Köhler: Was erschwert eine Kultur des Dialogs so sehr? Ist es die Frage auch des Personals des Dialogs?
Primor: Nein. Ich glaube, dass wir heute schon Leute auf beiden Seiten haben, die zum Dialog bereit sind. Auch Netanjahu ist zum Dialog bereit. Die Frage ist, wie viel kann er sich leisten, wenn er von einer bestimmten Koalition abhängig ist, die eine rechte Koalition ist. Er hat ja schon versucht, in den 90er-Jahren, als er zum ersten Mal Ministerpräsident war, mit dem damaligen Palästinenserpräsidenten Arafat zu verhandeln, und wurde von seinem eigenen Lager gestürzt. Diesen Fehler will er natürlich nicht wiederholen, es sei denn, er könnte seinem Lager sagen, ich habe keine Alternative dazu, weil die Amerikaner dahinter stehen, und wir sind ja von den Amerikanern total abhängig. Aber wiederum ist das heute nicht der Fall.
Weitere Beiträge bei DRadio.de:
Netanjahu will "historischen Kompromiss" - Nahost-Friedensgespräche in Washington, Schwerpunkt vom 2.9.2010
Friedensverhandlungen in Nahost wieder aufgenommen - Neue Gespräche zwischen Amerikanern, Israelis und Palästinensern, Schwerpunkt vom 1.9.2010
Zwischen Skepsis und Ablehnung - Die Positionen der palästinensischen Gruppierungen vor den Nahost-Gesprächen in Washington, Hintergrund vom 1.9.2010
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Primor: Aber sicher, und das ist auch der Grund, weshalb sie bei diesem Verhandlungstisch den ägyptischen Präsidenten Mubarak haben und den jordanischen König Abdallah. Wenn Sie sich die beiden Kontrahenten anschauen: Abbas will diese Verhandlungen nicht haben, weil er weiß, dass er von dem Ministerpräsidenten Israels gar nichts bekommen wird, nichts was er annehmen kann, und wenn die Verhandlungen scheitern, was er natürlich unter diesen Umständen fürchtet, dann wird er als Verräter in seinem Lager erklärt werden, er ist ja zum Feind gegangen, ohne was zu bekommen. Warum kommt er dann, wenn das so ist? – Weil man ihn gezwungen hat. Die Arabische Liga hat ihn dazu gezwungen, Ägypten und Jordanien und hinter den Kulissen auch Saudi-Arabien haben ihn dazu gezwungen, weil sie eine ganz andere Sorge haben. Für sie lauert die Gefahr in dem Iran. Die Amerikaner haben Mahmud Abbas dazu gezwungen, weil Obama diese Verhandlungen braucht - aus seinen Gründen, und hat ihm sogar damit gedroht, dass die Amerikaner die wirtschaftliche Hilfe einstellen würden, und ohne diese wirtschaftliche Hilfe kann Mahmud Abbas und seine Regierung gar nicht überleben.
Köhler: Es gibt eine berühmte Anekdote aus dem bundesdeutschen Wahlkampf 1969, als der "Spiegel"-Chef und Herausgeber Rudolf Augstein den liberalen Politiker und Parteifreund Walter Scheel anruft und sagt, er soll in eine sozial-liberale Koalition treten. Er rät ihm das nach 20 Jahren CDU-Herrschaft. Chefredakteur Günter Gaus damals ruft Willy Brandt an und sagt, "Walter Scheel wartet auf Ihren Anruf", und so soll die sozial-liberale Koalition entstanden sein. Funktioniert Diplomatie nicht auch ein bisschen so, dass man die Verlobung auch ein bisschen hinter den Kulissen stiften muss? Funktioniert Diplomatie auch so?
Primor: Auch so. Ich würde das sogar als unentbehrlich bezeichnen. Aber alleine reicht das nicht aus. Wenn die beiden Seiten widersprüchliche Interessen haben, dann hilft das nichts. Die Vermittlung kann helfen, wenn es grundsätzlich einen guten Willen gibt. Ich würde sagen, im Nahen Osten gibt es heute einen guten Willen, den es vorher noch nie gab, aber in den Bevölkerungen. Die Mehrheit der Bevölkerung auf beiden Seiten ist zu Zugeständnissen, weitgehenden Zugeständnissen bereit, nicht aber die Regierungen, die zu schwach sind, nicht aber die Regierungen, die unter Druck der Extremisten und Fundamentalisten auf beiden Seiten stehen, und deshalb braucht man viel mehr als internationale Vermittlung. Man muss ein internationales Engagement, und zwar sehr energisch, dazu haben, und das könnte natürlich nur Obama sein. Obama heute ist nicht in diesem Lager, vielleicht nach November.
Köhler: Was erschwert eine Kultur des Dialogs so sehr? Ist es die Frage auch des Personals des Dialogs?
Primor: Nein. Ich glaube, dass wir heute schon Leute auf beiden Seiten haben, die zum Dialog bereit sind. Auch Netanjahu ist zum Dialog bereit. Die Frage ist, wie viel kann er sich leisten, wenn er von einer bestimmten Koalition abhängig ist, die eine rechte Koalition ist. Er hat ja schon versucht, in den 90er-Jahren, als er zum ersten Mal Ministerpräsident war, mit dem damaligen Palästinenserpräsidenten Arafat zu verhandeln, und wurde von seinem eigenen Lager gestürzt. Diesen Fehler will er natürlich nicht wiederholen, es sei denn, er könnte seinem Lager sagen, ich habe keine Alternative dazu, weil die Amerikaner dahinter stehen, und wir sind ja von den Amerikanern total abhängig. Aber wiederum ist das heute nicht der Fall.
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