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"Ich habe leider die Aufnahmeprüfung nie geschafft"

Eigentlich wollte Anne Köhler Kunst studieren. Bis die Mappen für die Aufnahmeprüfung fertig waren, hatte sie aber längst mit anderen Studien begonnen. Auch mit Diplom hangelt sie sich immer noch von Nebenjob zu Nebenjob. Und hat ein Buch darüber geschrieben.

Anne Köhler im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel | 21.12.2010
    Ulrike Burgwinkel: 15 Prozent aller Erwerbstätigen gaben in einer gestern veröffentlichten Forsa-Studie an, neben ihrem Hauptberuf einen Nebenjob zu haben. Und einer dieser Nebenerwerbstätigen möchte ich jetzt gern vorstellen in "Campus & Karriere", und das kann ich sogar kapitelweise, denn Anne Köhler hat ein Buch geschrieben über ihre Erfahrungen: von Kapitel eins, "Als ich Kellnerin war", über "Als ich vier mal Erstsemestlerin war" und "Als ich HiWi war", bis 19, "Als ich Köchin war". Dazwischen natürlich diverse andere Nebenjobs. "Nichts werden macht auch viel Arbeit", das ist der Titel des Buches, und Anne Köhler hat sich loseisen können für unser Telefongespräch - guten Tag nach Berlin!

    Anne Köhler: Hallo!

    Burgwinkel: Hallo, Frau Köhler, was arbeiten Sie denn gerade?

    Köhler: Ich mach gerade meinen saisonalen Winterjob und bin als Bürodame in einer Kreationsabteilung eines Schulbuchverlages.

    Burgwinkel: Und das ist aber nichts Festes, nehme ich an.

    Köhler: Das ist nichts Festes, nein.

    Burgwinkel: Ist es eigentlich so, Frau Köhler, das klingt für mich so ein bisschen - und nach dem, was ich gelesen habe, natürlich auch -, führen Sie eine klassische Künstlerexistenz zwischen Broterwerb und Berufung?

    Köhler: Ich glaube schon, dass das ein relativ klassisches Beispiel ist, und auch in meinem Freundeskreis ist es keine Seltenheit.

    Burgwinkel: Was suchen Sie sich denn aus, wie kommen Sie an die verschiedenen Broterwerbe?

    Köhler: Ganz unterschiedlich - manchmal wird einem natürlich was angetragen, weil die Leute wissen, dass man das gerne macht oder ganz gut kann, andere Sachen sind ganz normal in den Stellenanzeigen, dass man die durchschaut und sieht, was sich ergibt.

    Burgwinkel: Für uns in "Campus & Karriere" ist natürlich auch interessant, dass Sie vier Mal Erstsemestlerin waren - das ist ganz amüsant zu lesen, aber für Sie war das vermutlich nicht unbedingt so. Was hat Sie denn jemals zum Abbruch dann bewogen, da muss man sich ja auch durchringen?

    Köhler: Das stimmt. Also einfach war das auf gar keinen Fall, es war keine angenehme Zeit auch ganz oft. Bei mir war damals der Fall, dass ich eigentlich Kunst studieren wollte und aber natürlich man das nicht einfach anfangen kann, sondern die Mappen fertig machen muss, Aufnahmeprüfungen machen muss. Das heißt, es gab so einen Überbrückungszeitraum, und in diesem Zeitraum habe ich dann eben einfach artverwandte Studiengänge, sag ich mal, studiert, weil ich dachte, das bringt mich irgendwie weiter auch für die Mappenvorbereitung.

    Burgwinkel: Und, hat Sie weitergebracht?

    Köhler: Auf jeden Fall. Trotzdem hat es nie gereicht. Ich habe leider die Aufnahmeprüfung nie geschafft. Und mich dann letztendlich einfach für was anderes entscheiden müssen.

    Burgwinkel: Ja, da könnte ich jetzt drauf zu sprechen kommen, nämlich eigentlich stimmt der Buchtitel nicht mehr: Sie sind diplomierte Kulturwissenschaftlerin geworden. Hat Ihnen denn der Abschluss Ihres Studiums in Hildesheim weitergeholfen?

    Köhler: Ich glaube, mir persönlich irgendwie schon, aber ich fände es gut, ein Diplom zu haben und irgendwie so einen Titel, aber ehrlich gesagt, das Zeugnis musste ich noch nie jemandem zeigen.

    Burgwinkel: Dann, Frau Köhler, müssten wir aber jetzt mal auf ihre eigentliche Berufung zu sprechen kommen: Sie wollten immer schon Schriftstellerin werden?

    Köhler: Nee, überhaupt nicht, das ist eigentlich erst, so beim Studieren hat sich das immer weiter rauskristallisiert, ich hab mich da so hin entwickelt. Ich hab zwar schon immer geschrieben - so im Rückblick merkt man das ja auch -, hab das aber nie für was Besonderes gehalten. Ich wäre lieber Detektiv oder so was geworden oder Gauner oder was auch immer oder eben hätte gerne Kunst studiert. Aber das Schreiben hat sich eher so ergeben, aber es war schon immer da.

    Burgwinkel: Na gut, die vielen Erfahrungen, die Sie haben sammeln können, bieten ja auch eine gewisse Grundlage, um zu schreiben.

    Köhler: Auf jeden Fall. Also alles kann ja Grundlage sein, um zu schreiben. Ich denke schon, dass es hilft, wenn man ein bisschen was erlebt und gesehen hat. Was mir eben fremd ist, ist dieser Gedanke, ich kam nicht aus der Schule raus und habe gedacht, ich will Schriftstellerin werden, sondern das ist tatsächlich einfach ... hat sich mit den Jahren so entwickelt.

    Burgwinkel: Ich hab noch eine letzte Frage an Sie, wegen des letzten Kapitels: Muss man denn überhaupt irgendwas werden?

    Köhler: Zufrieden am besten, so mit sich selbst und auch mit der Lebensweise. Es gibt ja so Sachen, diese prekären Verhältnisse zum Beispiel, in denen ich mich bewege, das ist sehr anstrengend und so, hat aber natürlich auch Vorteile. Ich glaube, es hilft einem, wenn man sich eben so ein bisschen aussöhnt.

    Burgwinkel: Danke schön, Anne Köhler! Das Buch heißt "Nichts werden macht auch viel Arbeit. Mein Leben in Nebenjobs", ist erschienen im Dumont-Verlag 2010 und kostet 14,95 Euro, und wunderschöne Illustrationen, die sind auch dabei.

    Anne Köhler: "Nichts werden macht auch viel Arbeit. Mein Leben in Nebenjobs", mit Illustrationen von Katharina Bitzl, Dumont Verlag, 144 Seiten, 14,95 Euro