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"Ich halte die Frauenquote für sehr notwendig"

Der Gesetzentwurf für eine gesetzliche Frauenquote in Führungspositionen ist im Bundestag gescheitert. Nur durch eine solche Regelung könne aber die Chancengleichheit von Frauen mit gleicher Qualifikation bei Stellenbestezungen gewahrt werden, sagt die Soziologin Ute Gerhard.

Ute Gerhard im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich |
    Burkhard Müller-Ullrich: Über zwei Dinge hat der Bundestag heute entschieden: ein paar Milliarden für Zypern – Kleinigkeit! – und das große Gesellschaftsproblem unserer Zeit, die Frauenquote in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen. Letzteres sorgte für politischen Wirbel: Bundesarbeitsministerin von der Leyen brachte ihre eigene Partei, die CDU, an den Rand des Nervenzusammenbruchs, die Grünen führten mit einem eigenen Antrag die Regierung vor, und zum Schluss ging alles aus wie das Hornberger Schießen; die Frauenquote bleibt eine freiwillige Pflicht; Gesetz wurde sie heute nicht. - Frage an die Soziologin Ute Gerhard, Mitbegründerin der Fachzeitschrift "Feministische Studien": Sind Sie für oder gegen die Frauenquote?

    Ute Gerhard: Ja, ich halte die Frauenquote für sehr notwendig, weil es von selbst und automatisch offenbar nicht geht. Das beweist jetzt die Geschichte der ganzen Debatte und es beweist nicht zuletzt vor allem der letzte gescheiterte Versuch, diese freiwillige Quote in einer Vereinbarung mit den Unternehmen zustande zu bringen, die ja 2001 getroffen wurde.

    Müller-Ullrich: Frau Gerhard, als Sie Professorin wurden, als Sie einen Ruf auf einen deutschen Universitätslehrstuhl bekamen, da haben Sie das nicht aufgrund einer Quote, sondern aufgrund eigener Leistung bekommen. Ist es nicht ein bisschen demütigend, später für Frauen, sich sagen zu müssen, ja vielleicht war es doch nicht die eigene Leistung?

    Gerhard: Dieses Argument verstehe ich überhaupt nicht, weil es geht immer, auch bei der Quote, um die Leistung. Die Leistung, die gleiche Qualifikation ist ja immer Voraussetzung, um überhaupt in die Quotenregelung hineinzukommen. Es ist bisher einfach sehr viel schwieriger für Frauen, Führungspositionen zu übernehmen, das ist auch unbestritten, und da es so viel schwieriger ist, muss es andere Regelungen geben, die diese selbstverständlichen Mechanismen ausschalten.

    Müller-Ullrich: Die Gesellschaft verändert sich rapide, die Frauen sind ja überall im Kommen, man sieht es an den Studentenzahlen, man sieht es in vielen Feldern. Warum jetzt mit einer Quote etwas erreichen wollen, was vielleicht sowieso von selber kommt?

    Gerhard: Nun, ich bin der Meinung, es kommt nicht von selbst. Es wird jetzt mit einem versehen, dann geht es natürlich, weil wir jetzt sehr viel mehr qualifizierte Frauen haben als noch vor 20 Jahren, in irgendeiner Weise ein wenig, ein bisschen weiter. Aber das ist ja schon ausgerechnet worden, wie lange es dauern wird, bis wir 40 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt haben. Das geht bis zum Jahr 2100. Ich denke, die Notwendigkeit, diese Vorrechte zu verändern, zeigt, dass wir eine gesetzliche Regelung brauchen. Gesetzlich heißt ja nichts anderes als eine Notstandsregelung, die vereinbart, dass die Verfahren zur Besetzung dieser Stellen gerechter zugehen. Mehr heißt es doch eigentlich nicht. Denn welche Kriterien gelten denn bisher bei Besetzung von Stellen? Das sind natürlich einerseits irgendwelche Noten, Plusnoten, auf der anderen Seite aber sind es natürlich die Führungsgremien selber, die haben bestimmte Vorurteile, haben gar nicht Frauen im Blick, kennen gar keine Frauen. Insofern muss man Regelungen vorsehen, um Gerechtigkeit gerade schon im Bewerbungsverfahren zu garantieren.

    Müller-Ullrich: Glauben Sie, dass Wirtschaftsunternehmen prinzipiell ungeeignete Leute nehmen, bloß wie es Männer sind?

    Gerhard: Das würde ich natürlich nicht sagen. Aber es ist ja nun nachgewiesen, dass Geschlechtermix oder auch Diversity, wie es heute heißt, sich wirtschaftlich ja auch rechnet. Diese Wirtschaftskultur oder Unkultur männlichen Wirtschaftens hat sich ja nun in der Krise deutlich gezeigt, dass es offenbar falsche Mentalitäten sind, die an bestimmten Stellen am Werke sind, und es in den Unternehmen, in denen schon Frauen beteiligt sind, durchaus krisenfester zuging, dass Frauen offenbar auch andere Haushälterinnen sind als Männer. Es könnte auch sein, dass die Eigenarten, die Frauen durch ihre Sozialisation erworben haben, gerade auch dem wirtschaftlichen Haushalten sehr gut tun.

    Müller-Ullrich: Nun geht es bei diesem Gesetzesprojekt ja um Aufsichtsräte. Ich weiß nicht, wie viele, es gibt verschiedene Rechnungen, aber ungefähr betrifft es vielleicht 100 Frauen in der Bundesrepublik Deutschland. Ist das nicht ein Schaukampf?

    Gerhard: Ja, das sicher. Es wird immer gesagt, das ist ja auch ein Elitenproblem oder eine symbolische Debatte. Das stimmt, es betrifft überhaupt nicht alle Frauen. Aber es heißt doch, dass Frauen auf diese Weise, auch andere Frauen, Frauen, die aufwachsen, die in die Ausbildungssysteme kommen, Vorbilder haben können, Ermutigung und Ermächtigung, würde ich sagen, und auch Zusicherung der Chancengleichheit.

    Müller-Ullrich: ... , sagt die Soziologin Ute Gerhard. Vielen Dank für die Auskünfte.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.