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''Ich halte diese Entscheidung für falsch''

Forschungspolitik. - Wissenschaftler haben im Labor das Vogelgrippevirus so verändert, dass es auch Frettchen ansteckt, manche Medien sprechen vom "Supervirus". Die wissenschaftlichen Berichte über ihre Vorgehensweise stehen zur Veröffentlichung an. Doch der Biosicherheits-Rat der US-Regierung hat empfohlen, nur die Schlussfolgerungen, nicht die Daten zu veröffentlichen. Der Marburger Virologe Hans-Dieter Klenk nimmt im Gespräch mit Jochen Steiner Stellung zu diesem Eingriff in die wissenschaftliche Transparenz.

Hans-Dieter Klenk im Gespräch mit Jochen Steiner |
    Steiner: Herr Professor Klenk, reicht eine Veröffentlichung aus, um Terroristen den Bauplan für eine Biowaffen zu liefern?

    Klenk: Im Prinzip ja, aber es ist natürlich in diesem Fall auch so, dass ja mehrere Publikationen zu dieser Fragestellung in der Pipeline sind, beziehungsweise eine ist sogar schon veröffentlicht, die eigentlich keine sehr große Beachtung gefunden hat. Die Arbeit, um die es hier vor allem geht, die Arbeit von Fouchier in Rotterdam, und es gibt eine zweite Arbeit von Kawaoka in den USA, die sind beide nicht veröffentlicht, und für die trifft das zu, was jetzt allgemein diskutiert wird: dass die Schlussfolgerungen veröffentlicht werden, aber nicht die Daten.

    Steiner: Ist das Ihrer Meinung nach gerechtfertigt, oder sollten nicht doch alle Studienergebnisse veröffentlicht werden, um auch anderen Forscherteams wichtige Erkenntnisse nicht vorzuenthalten?

    Klenk: Ich halte diese Entscheidung die Daten nicht zu veröffentlichen für falsch. Aus wissenschaftlicher Hinsicht auf jeden Fall für falsch, weil wir das nur richtig beurteilen können, wenn wir die Daten haben. Diese Ergebnisse haben natürlich eine große wissenschaftliche Bedeutung, weil sie uns wichtige Erkenntnisse darüber liefern, wie ein Vogelvirus zu einem menschlichen Virus wird. Und das ist für die Überwachung der Grippeentwicklung auf der Erde außerordentlich wichtig. Die Untersuchungen haben natürlich auch das so genannte dual-use-Problem, führen das mit sich. Das heißt, sie könnten auch für andere Zwecke missbraucht werden. Dazu ist aber einmal zu sagen, dass diese Ergebnisse vom Frettchen nicht unmittelbar auf den Menschen übertragen werden können. Außerdem gibt es Hinweise in einer bereits veröffentlichten Arbeit, die zeigen, dass diese Anpassung an den Menschen doch sehr komplex ist. Und wahrscheinlich komplexer ist, als das in den beiden anderen Arbeiten, die da unter Verbot stehen, beschrieben wird.

    Steiner: Wir haben es also mit einem Zwiespalt tun: Forschung voranbringen auf der einen Seite, aber Terrorismus mit Biowaffen auf der anderen Seite. Sehen Sie da in Zukunft diesen Zwiespalt stärker werden?

    Klenk: Dieser Zwiespalt ist im Grunde … bei sehr vielen wissenschaftlichen Erkenntnissen da. In diesem Fall ist er natürlich besonders eklatant, aber wir müssen mit diesem Zwiespalt leben. Wenn wir mit dieser Argumentationslinie, wenn wir die immer beschritten hätten, dann hätte man es zum Beispiel Robert Koch nicht erlauben sollen, dass Milzbrandvirus zu entdecken.

    Steiner: Solche gentechnischen Versuche an Viren müssen ja in speziellen Labors ablaufen. Welche Sicherheitsvorkehrungen müssen denn erfüllt sein, um mit dem H5N1-Virus überhaupt forschen zu dürfen?

    Klenk: Die Sicherheitsvorkehrungen, nach denen mit diesem Virus gearbeitet wird, sind Sicherheitsvorkehrungen der Klasse BSL3, das heißt, das ist die zweithöchste Sicherheitsstufe. Die besagt, dass hier in Laboratorien gearbeitet wird, bei denen der Zugang natürlich außerordentlich restriktiv gehandelt wird, und bei der die Wissenschaftler, die mit diesen Viren arbeiten, stark geschützt sind vor einer Ansteckung, und bei der natürlich auch verhindert wird, dass das Virus in die Außenwelt austritt.

    Steiner: Was ja auch in der Vergangenheit und an der einen oder anderen Stelle schon einmal passiert ist, diese Gefahr, dass eben ein von Forschern verändertes Virus aus dem Labor ausbricht, die ist ja nicht gleich Null!

    Klenk: Die ist nicht gleich Null, aber wenn die Sicherheitsrichtlinien, so wie sie vorgeschrieben sind, eingehalten werden, kann das praktisch ausgeschlossen werden.