Kate Maleike: 50 Jahre Senderbestehen feiern wir ja, seit 1962 gibt es uns im Radio und als Radio zu hören. "Campus & Karriere" berichtet allerdings erst seit 1998 über Bildungsthemen und über Studium und Beruf. Und wie die Lage an den Hochschulen und Schulen 1962 war, können wir uns nur von Zeitzeugen erzählen lassen. Dazu zählt zum Beispiel auch Professor Christiane Nüsslein-Volhard, die sich 1962 an der Uni Frankfurt am Main für Biologie, Physik und Chemie eingeschrieben hat. Was damals noch niemand ahnen konnte: Es schrieb sich mit ihr eine spätere Nobelpreisträgerin ein, denn 1995 wurde sie zusammen mit zwei Wissenschaftskollegen im Bereich Medizin mit dieser höchsten Auszeichnung bedacht. Studienstart 1962, der verlief für sie damals so:
Christiane Nüsslein-Volhard: Also ich bin in Frankfurt aufgewachsen, ging dort in eine Mädchenschule, Mädchengymnasium Schillerschule, hab Abitur gemacht im Februar und habe mich dann in Frankfurt eingeschrieben, allerdings nur in Biologie zunächst mal. Und das war aufregend, denn in meiner Familie war eigentlich niemand an der Universität tätig und wir hatten keine Beziehungen dahin und ich wusste überhaupt nicht, wie man so was macht. Und wir haben auch von der Schule eigentlich überhaupt keine Ratschläge bekommen. Ich wusste nur ganz genau, dass ich unbedingt Biologie studieren wollte, und hatte auch große Ambitionen, aber ich wusste überhaupt nicht, wie das geht.
Maleike: Wie haben Sie es angestellt?
Nüsslein-Volhard: Ich weiß noch, dass ich mich am letzten Tag, glaube ich, angemeldet habe, da war eine Riesenschlange im Hauptgebäude der Universität, und ich hatte natürlich Todesangst, dass ich nicht die richtigen Papiere habe und dass die mich nicht nehmen oder irgendwas. Aber sie haben mich schließlich genommen, ich hab mich eingeschrieben, immatrikuliert. Man bekam ein Studienbuch, und dann hat man einfach sich aus dem Vorlesungsverzeichnis irgendwelche Veranstaltungen ausgesucht, von denen man glaubte, dass man die hören sollte. Da habe ich also Eintragungen gemacht, die im Nachhinein gar nicht wirklich das waren, was man als Anfänger in Biologie hätte belegen müssen.
Maleike: Also ein leichtes Studium generale direkt zum Anfang. Klingt ein bisschen chaotisch, aber Sie haben sich eingefuchst?
Nüsslein-Volhard: Ziemlich chaotisch. Ganz chaotisch. Ich weiß auch noch genau, die eine Vorlesung – Physiologie oder was –, da hat der Professor gleich als Allererstes einen Frosch genommen und dem den Kopf abgeschnitten, und ich bin nie wieder hingegangen, ich fand das so grauenvoll. Und ich habe dann aber ziemlich schnell gemerkt, dass die Studenten irgendwie so Vorlesungen hatten, wo sie alle hin rannten. Und das merkte man irgendwie, um elf gingen sie alle in die Physik und um zwölf gingen sie in die Chemie oder um zehn, und ich bin dann einfach mal mitgelaufen und habe dann gemerkt, dass das die großen Anfängervorlesungen waren, und habe mich dann auch allmählich – ich war sehr schüchtern, sehr schüchtern – mit anderen Kommilitonen unterhalten und lernte dann von denen, dass es so ein paar Grundvorlesungen gibt, die man wohl im ersten Semester sich antun muss – im Gegensatz zu dem, was ich mir da ausgedacht hatte.
Maleike: Waren denn viele Studierende da? Also heutzutage erlebt man ja einen regelrechten Ansturm, gerade in den letzten Jahren ja wieder.
Nüsslein-Volhard: Ach, diese Vorlesungen war schon voll, da gingen ja auch nicht nur die Biologen rein, sondern auch die Physiker und Chemiker. Und dann wollte ich eigentlich Zoologie machen, aber der Zoologieprofessor war gerade emeritiert worden und die Vorlesungen, also die biologischen Vorlesungen, die ich eigentlich, auf die ich gespannt war, die waren eine Riesenenttäuschung für mich, weil die so langweilig waren, dass man also eigentlich das gar nicht sich antun konnte. Und dann gab es einen neuen Studiengang – Biochemie –, der wurde um diese Zeit ungefähr in Tübingen eingerichtet, als Studienfach Biochemie.
Maleike: Das war der erste - bundesweit?
Nüsslein-Volhard: Das gab es vorher nicht. Das war der erste bundesweit, und das habe ich empfohlen bekommen von einem Bekannten, und dann habe ich mich aufgemacht und mich erst mal für Chemie eingeschrieben in Frankfurt, um da Sachen angerechnet zu kriegen, und bin dann nach Tübingen 1964 und hab dort Biochemie studiert.
Maleike: Was für ein Glück, eine studentische Pionierin sozusagen in diesem Studienfach.
Nüsslein-Volhard: Ich war einer der ersten Studenten in dem Fach. Das war spannend.
Maleike: Wie war das denn mit den Karrierechancen damals, war das einfach, zum Beispiel in den akademischen Mittelbau dann zu kommen, das ist ja heute ein großes Problem?
Nüsslein-Volhard: Also da muss ich sagen, dass man als Student sich darüber eigentlich noch keine Gedanken gemacht hat. Wir hatten keine weiblichen Dozenten, außer einer Professorin, die Mathematik unterrichtet hat, wir haben aber uns keine großen Gedanken darüber gemacht, warum keine Frauen Professoren sind. Ich habe mir, glaube ich, ganz naiv eingebildet, dass man ohne Weiteres eine Karriere machen kann und auch eine Familie haben wird und Kinder und so, und habe eigentlich auch während des Studiums als Studentin kein Problem der Diskriminierung gespürt.
Maleike: Was haben Sie denn abschließend als Tipp für Studieninteressierte, was ist das Wichtigste, damit ein Studium gelingt?
Nüsslein-Volhard: Dass man sich wirklich für das Fach interessiert und das nicht einfach macht, weil einem sonst nichts anderes einfällt, und dass, glaube ich, das Problem bei sehr vielen Jugendlichen ist, dass sie einfach nicht wissen, was sie wollen. Und ich glaube, da muss man sehr viel stärker hinhorchen. Die Begeisterung für ein bestimmtes Fach ist unheimlich viel wert, und ohne diese, glaube ich, wird man es auch nicht weit bringen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Christiane Nüsslein-Volhard: Also ich bin in Frankfurt aufgewachsen, ging dort in eine Mädchenschule, Mädchengymnasium Schillerschule, hab Abitur gemacht im Februar und habe mich dann in Frankfurt eingeschrieben, allerdings nur in Biologie zunächst mal. Und das war aufregend, denn in meiner Familie war eigentlich niemand an der Universität tätig und wir hatten keine Beziehungen dahin und ich wusste überhaupt nicht, wie man so was macht. Und wir haben auch von der Schule eigentlich überhaupt keine Ratschläge bekommen. Ich wusste nur ganz genau, dass ich unbedingt Biologie studieren wollte, und hatte auch große Ambitionen, aber ich wusste überhaupt nicht, wie das geht.
Maleike: Wie haben Sie es angestellt?
Nüsslein-Volhard: Ich weiß noch, dass ich mich am letzten Tag, glaube ich, angemeldet habe, da war eine Riesenschlange im Hauptgebäude der Universität, und ich hatte natürlich Todesangst, dass ich nicht die richtigen Papiere habe und dass die mich nicht nehmen oder irgendwas. Aber sie haben mich schließlich genommen, ich hab mich eingeschrieben, immatrikuliert. Man bekam ein Studienbuch, und dann hat man einfach sich aus dem Vorlesungsverzeichnis irgendwelche Veranstaltungen ausgesucht, von denen man glaubte, dass man die hören sollte. Da habe ich also Eintragungen gemacht, die im Nachhinein gar nicht wirklich das waren, was man als Anfänger in Biologie hätte belegen müssen.
Maleike: Also ein leichtes Studium generale direkt zum Anfang. Klingt ein bisschen chaotisch, aber Sie haben sich eingefuchst?
Nüsslein-Volhard: Ziemlich chaotisch. Ganz chaotisch. Ich weiß auch noch genau, die eine Vorlesung – Physiologie oder was –, da hat der Professor gleich als Allererstes einen Frosch genommen und dem den Kopf abgeschnitten, und ich bin nie wieder hingegangen, ich fand das so grauenvoll. Und ich habe dann aber ziemlich schnell gemerkt, dass die Studenten irgendwie so Vorlesungen hatten, wo sie alle hin rannten. Und das merkte man irgendwie, um elf gingen sie alle in die Physik und um zwölf gingen sie in die Chemie oder um zehn, und ich bin dann einfach mal mitgelaufen und habe dann gemerkt, dass das die großen Anfängervorlesungen waren, und habe mich dann auch allmählich – ich war sehr schüchtern, sehr schüchtern – mit anderen Kommilitonen unterhalten und lernte dann von denen, dass es so ein paar Grundvorlesungen gibt, die man wohl im ersten Semester sich antun muss – im Gegensatz zu dem, was ich mir da ausgedacht hatte.
Maleike: Waren denn viele Studierende da? Also heutzutage erlebt man ja einen regelrechten Ansturm, gerade in den letzten Jahren ja wieder.
Nüsslein-Volhard: Ach, diese Vorlesungen war schon voll, da gingen ja auch nicht nur die Biologen rein, sondern auch die Physiker und Chemiker. Und dann wollte ich eigentlich Zoologie machen, aber der Zoologieprofessor war gerade emeritiert worden und die Vorlesungen, also die biologischen Vorlesungen, die ich eigentlich, auf die ich gespannt war, die waren eine Riesenenttäuschung für mich, weil die so langweilig waren, dass man also eigentlich das gar nicht sich antun konnte. Und dann gab es einen neuen Studiengang – Biochemie –, der wurde um diese Zeit ungefähr in Tübingen eingerichtet, als Studienfach Biochemie.
Maleike: Das war der erste - bundesweit?
Nüsslein-Volhard: Das gab es vorher nicht. Das war der erste bundesweit, und das habe ich empfohlen bekommen von einem Bekannten, und dann habe ich mich aufgemacht und mich erst mal für Chemie eingeschrieben in Frankfurt, um da Sachen angerechnet zu kriegen, und bin dann nach Tübingen 1964 und hab dort Biochemie studiert.
Maleike: Was für ein Glück, eine studentische Pionierin sozusagen in diesem Studienfach.
Nüsslein-Volhard: Ich war einer der ersten Studenten in dem Fach. Das war spannend.
Maleike: Wie war das denn mit den Karrierechancen damals, war das einfach, zum Beispiel in den akademischen Mittelbau dann zu kommen, das ist ja heute ein großes Problem?
Nüsslein-Volhard: Also da muss ich sagen, dass man als Student sich darüber eigentlich noch keine Gedanken gemacht hat. Wir hatten keine weiblichen Dozenten, außer einer Professorin, die Mathematik unterrichtet hat, wir haben aber uns keine großen Gedanken darüber gemacht, warum keine Frauen Professoren sind. Ich habe mir, glaube ich, ganz naiv eingebildet, dass man ohne Weiteres eine Karriere machen kann und auch eine Familie haben wird und Kinder und so, und habe eigentlich auch während des Studiums als Studentin kein Problem der Diskriminierung gespürt.
Maleike: Was haben Sie denn abschließend als Tipp für Studieninteressierte, was ist das Wichtigste, damit ein Studium gelingt?
Nüsslein-Volhard: Dass man sich wirklich für das Fach interessiert und das nicht einfach macht, weil einem sonst nichts anderes einfällt, und dass, glaube ich, das Problem bei sehr vielen Jugendlichen ist, dass sie einfach nicht wissen, was sie wollen. Und ich glaube, da muss man sehr viel stärker hinhorchen. Die Begeisterung für ein bestimmtes Fach ist unheimlich viel wert, und ohne diese, glaube ich, wird man es auch nicht weit bringen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.