Gerwald Herter: Medikamententests sind notwendiger, aber teuer. Etwa die Hälfte dieser Tests wird auch deshalb in ärmeren Staaten und in Entwicklungsländern durchgeführt. Gestern haben die Deutschlandfunk-Kollegen vom "Hintergrund" über den Fall Pfizer in Nigeria berichtet. Mehrere Kinder kamen ums Leben. Jetzt hören Sie einen Auszug aus diesem Beitrag. Joe Ammen von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sagt, dass Medikamententests in Afrika bis zu 90 Prozent billiger sind als in Industrieländern.
O-Ton Joe Ammen: Das ist eine sehr heikle Sache. Es gibt Projekte, bei denen die Regierungen der Gastländer eng mit den Pharmakonzernen kooperieren. Da werden Tests in staatlichen Krankenhäusern durchgeführt. Diese Regierungen haben natürlich kein besonders großes Interesse an Transparenz und Regulierung.
Herter: Da stellen sich natürlich Fragen: Wie werden Medikamententests an Probanden, also Gesunden und an Erkrankten, in Deutschland durchgeführt? Welche Auflagen bestehen? Lassen auch deutsche Firmen im Ausland testen? – Dr. Siegfried Throm weiß das. Er ist Geschäftsführer Forschung des Verbandes Forschender Pharmaunternehmen in Berlin. Mit ihm bin ich nun verbunden. Guten Morgen, Herr Throm.
Siegfried Throm: Guten Morgen, Herr Herter. Ich grüße Sie!
Herter: Herr Throm, jedes Medikament muss vor der Einführung auch an Menschen getestet werden - das ist gesetzlich vorgeschrieben -, zunächst an gesunden, dann an erkrankten. Dass das gefährlich liegen kann, liegt in der Natur der Sache. Zunächst einmal kurzgefasst: Wie gehen Pharmaunternehmen mit dieser Gefahr um?
Throm: Alle Medikamententests müssen sehr sorgfältig vorbereitet werden und sie dürfen nur dann stattfinden, wenn zuvor in ausführlichen Studien im Labor und an Tieren festgestellt worden ist, dass die Prüfsubstanz keine großen Gefahren aufweist. Es müssen alle Medikamententests von Ethikkommissionen positiv bewertet werden und man braucht eine Genehmigung der Zulassungsbehörden, bei der sorgfältig die Chancen dieses Tests und die Risiken abgewogen werden. Erst dann kann ein solcher Test starten.
Herter: Aber es hat auch in Europa schon Todesfälle gegeben bei solchen Tests. Sind das Unfälle, oder wie ist das überhaupt zu erklären?
Throm: Todesfälle hat es extrem selten gegeben. Ich kenne zwei Fälle aus der Vergangenheit, die schon sehr weit zurückliegen. Das zeigt, dass die Sicherheitsbestimmungen sehr gut wirken.
Herter: Herr Throm, da bleibt aber ein Dilemma, ein Zielkonflikt. Arzneimittelhersteller testen, um Gefahren zu ergründen. Das ist der Sinn der Sache. Andererseits sollen Testpersonen dadurch aber nicht gefährdet werden. Beides kann man doch nicht haben, oder?
Throm: Beides kann man dadurch haben, dass man eben sehr ausführliche Vortests macht und dass man auch während des Tests die Studienteilnehmer sehr, sehr eng überwacht, und das hat in der Vergangenheit auch sehr, sehr gut funktioniert.
Herter: Schon die Entwicklung von Arzneien ist teuer. Die Kosten für die folgenden Versuche, Phase eins bis drei, kommen dann noch hinzu. Wie groß ist denn die Verlockung, die Versuche aus Kostengründen – und ich rede jetzt nur von Kostengründen – im Ausland durchzuführen?
Throm: Ich höre immer das Kostenargument. Ich kenne allerdings auch Gegenargumente, die sagen, dass klinische Prüfungen, klinische Studien in Dritte-Welt-Ländern auch teuerer sein können als hier in der westlichen Welt. Das liegt daran, dass in diesen Ländern oft keine gute Infrastruktur besteht. Sie müssen die Kliniken ausstatten, sie müssen das Personal hier fortbilden. Von daher: Das Kostenargument kann in Einzelfällen zählen, aber es ist kein universelles Argument.
Herter: Wie groß ist der Anteil der Tests in Ländern der Dritten Welt, die nun von deutschen Firmen, Firmen Ihres Verbandes, durchgeführt werden?
Throm: Es gibt eine Untersuchung der europäischen Zulassungsagentur, die geprüft hat, welcher Anteil an Patienten in den Zulassungsstudien aus den Jahren 2005 bis Ende 2008 in Europa, aus den USA, aus Nordamerika, beziehungsweise aus Dritte-Welt-Ländern kam. Es waren fast eine halbe Million Patienten in diesen Studien eingeschlossen und davon kamen sage und schreibe 6000 zum Beispiel aus Indien und 3500 aus China, so gut wie kein Patient kam aus Afrika.
Herter: Sind diese Kontrollen für Versuche in solchen Ländern ausreichend? Notwendig sind sie ja.
Throm: Es gibt internationale Standards, die überall angewendet werden müssen. Jede Studie, die eingereicht wird bei der europäischen Zulassungsagentur und die mit Patienten aus Drittländern stattgefunden hat, muss ein Statement der Firma haben, dass diese internationalen Standards eingehalten werden. Die Firmen sind verpflichtet, die Studien vor Ort zu monitorieren, also zu überwachen, und es finden Inspektionen statt durch die Inspektoren aus der Europäischen Union, aber auch aus den USA. Von daher sind Sicherheitsstandards etabliert und werden auch eingehalten.
Herter: Wie häufig wird da kontrolliert?
Throm: Die Kapazität der Inspektoren ist natürlich beschränkt, es kann nicht jede Studie hier kontrolliert werden. Aber allein das Wissen, jede Studie könnte einer solchen Kontrolle unterliegen, ist ja auch schon eine erzieherische Maßnahme.
Herter: Und deswegen sagen Sie, die Kontrollen sind ausreichend?
Throm: Die Kontrollen könnten optimiert werden, das findet auch statt. Es gab vor Kurzem eine große Anhörung im Europäischen Parlament, wo genau diese Aspekte diskutiert wurden. Da wurden auch einige Verbesserungsvorschläge gemacht, insbesondere was die Intensivierung der Kontrollen angeht, zum Beispiel gemeinsame Kontrollen mit anderen Zulassungsbehörden aus Australien oder aus der Schweiz oder aus den USA. Jede Überwachungsmaßnahme kann optimiert werden, das wird auch hier gemacht.
Herter: Sie haben China genannt. In China werden selbst Hingerichteten Organe entnommen. Glauben Sie, da dort alles mit rechten Dingen zugeht?
Throm: Jeder Staat ist primär einmal für seine eigene Bevölkerung verantwortlich. Die Entnahme von Organen hat direkt mit Medikamententests nichts zu tun. China bemüht sich sehr, einen guten Ruf auch im Rahmen der Arzneimittelentwicklung, der Arzneimittelforschung zu haben. Es wurden sehr effiziente oder geordnete Gesetze in letzter Zeit erlassen. An der Durchführung mag es an der einen oder anderen Stelle noch hapern, aber ich denke, auch in China sind die Dinge auf gutem Wege.
Herter: Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung des Verbandes forschender Pharmaunternehmen, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Herr Throm, vielen Dank für dieses Gespräch.
Throm: Vielen Dank!
Hintergrund: Der Fall Pfizer und die Medikamententests in den Entwicklungsländern
O-Ton Joe Ammen: Das ist eine sehr heikle Sache. Es gibt Projekte, bei denen die Regierungen der Gastländer eng mit den Pharmakonzernen kooperieren. Da werden Tests in staatlichen Krankenhäusern durchgeführt. Diese Regierungen haben natürlich kein besonders großes Interesse an Transparenz und Regulierung.
Herter: Da stellen sich natürlich Fragen: Wie werden Medikamententests an Probanden, also Gesunden und an Erkrankten, in Deutschland durchgeführt? Welche Auflagen bestehen? Lassen auch deutsche Firmen im Ausland testen? – Dr. Siegfried Throm weiß das. Er ist Geschäftsführer Forschung des Verbandes Forschender Pharmaunternehmen in Berlin. Mit ihm bin ich nun verbunden. Guten Morgen, Herr Throm.
Siegfried Throm: Guten Morgen, Herr Herter. Ich grüße Sie!
Herter: Herr Throm, jedes Medikament muss vor der Einführung auch an Menschen getestet werden - das ist gesetzlich vorgeschrieben -, zunächst an gesunden, dann an erkrankten. Dass das gefährlich liegen kann, liegt in der Natur der Sache. Zunächst einmal kurzgefasst: Wie gehen Pharmaunternehmen mit dieser Gefahr um?
Throm: Alle Medikamententests müssen sehr sorgfältig vorbereitet werden und sie dürfen nur dann stattfinden, wenn zuvor in ausführlichen Studien im Labor und an Tieren festgestellt worden ist, dass die Prüfsubstanz keine großen Gefahren aufweist. Es müssen alle Medikamententests von Ethikkommissionen positiv bewertet werden und man braucht eine Genehmigung der Zulassungsbehörden, bei der sorgfältig die Chancen dieses Tests und die Risiken abgewogen werden. Erst dann kann ein solcher Test starten.
Herter: Aber es hat auch in Europa schon Todesfälle gegeben bei solchen Tests. Sind das Unfälle, oder wie ist das überhaupt zu erklären?
Throm: Todesfälle hat es extrem selten gegeben. Ich kenne zwei Fälle aus der Vergangenheit, die schon sehr weit zurückliegen. Das zeigt, dass die Sicherheitsbestimmungen sehr gut wirken.
Herter: Herr Throm, da bleibt aber ein Dilemma, ein Zielkonflikt. Arzneimittelhersteller testen, um Gefahren zu ergründen. Das ist der Sinn der Sache. Andererseits sollen Testpersonen dadurch aber nicht gefährdet werden. Beides kann man doch nicht haben, oder?
Throm: Beides kann man dadurch haben, dass man eben sehr ausführliche Vortests macht und dass man auch während des Tests die Studienteilnehmer sehr, sehr eng überwacht, und das hat in der Vergangenheit auch sehr, sehr gut funktioniert.
Herter: Schon die Entwicklung von Arzneien ist teuer. Die Kosten für die folgenden Versuche, Phase eins bis drei, kommen dann noch hinzu. Wie groß ist denn die Verlockung, die Versuche aus Kostengründen – und ich rede jetzt nur von Kostengründen – im Ausland durchzuführen?
Throm: Ich höre immer das Kostenargument. Ich kenne allerdings auch Gegenargumente, die sagen, dass klinische Prüfungen, klinische Studien in Dritte-Welt-Ländern auch teuerer sein können als hier in der westlichen Welt. Das liegt daran, dass in diesen Ländern oft keine gute Infrastruktur besteht. Sie müssen die Kliniken ausstatten, sie müssen das Personal hier fortbilden. Von daher: Das Kostenargument kann in Einzelfällen zählen, aber es ist kein universelles Argument.
Herter: Wie groß ist der Anteil der Tests in Ländern der Dritten Welt, die nun von deutschen Firmen, Firmen Ihres Verbandes, durchgeführt werden?
Throm: Es gibt eine Untersuchung der europäischen Zulassungsagentur, die geprüft hat, welcher Anteil an Patienten in den Zulassungsstudien aus den Jahren 2005 bis Ende 2008 in Europa, aus den USA, aus Nordamerika, beziehungsweise aus Dritte-Welt-Ländern kam. Es waren fast eine halbe Million Patienten in diesen Studien eingeschlossen und davon kamen sage und schreibe 6000 zum Beispiel aus Indien und 3500 aus China, so gut wie kein Patient kam aus Afrika.
Herter: Sind diese Kontrollen für Versuche in solchen Ländern ausreichend? Notwendig sind sie ja.
Throm: Es gibt internationale Standards, die überall angewendet werden müssen. Jede Studie, die eingereicht wird bei der europäischen Zulassungsagentur und die mit Patienten aus Drittländern stattgefunden hat, muss ein Statement der Firma haben, dass diese internationalen Standards eingehalten werden. Die Firmen sind verpflichtet, die Studien vor Ort zu monitorieren, also zu überwachen, und es finden Inspektionen statt durch die Inspektoren aus der Europäischen Union, aber auch aus den USA. Von daher sind Sicherheitsstandards etabliert und werden auch eingehalten.
Herter: Wie häufig wird da kontrolliert?
Throm: Die Kapazität der Inspektoren ist natürlich beschränkt, es kann nicht jede Studie hier kontrolliert werden. Aber allein das Wissen, jede Studie könnte einer solchen Kontrolle unterliegen, ist ja auch schon eine erzieherische Maßnahme.
Herter: Und deswegen sagen Sie, die Kontrollen sind ausreichend?
Throm: Die Kontrollen könnten optimiert werden, das findet auch statt. Es gab vor Kurzem eine große Anhörung im Europäischen Parlament, wo genau diese Aspekte diskutiert wurden. Da wurden auch einige Verbesserungsvorschläge gemacht, insbesondere was die Intensivierung der Kontrollen angeht, zum Beispiel gemeinsame Kontrollen mit anderen Zulassungsbehörden aus Australien oder aus der Schweiz oder aus den USA. Jede Überwachungsmaßnahme kann optimiert werden, das wird auch hier gemacht.
Herter: Sie haben China genannt. In China werden selbst Hingerichteten Organe entnommen. Glauben Sie, da dort alles mit rechten Dingen zugeht?
Throm: Jeder Staat ist primär einmal für seine eigene Bevölkerung verantwortlich. Die Entnahme von Organen hat direkt mit Medikamententests nichts zu tun. China bemüht sich sehr, einen guten Ruf auch im Rahmen der Arzneimittelentwicklung, der Arzneimittelforschung zu haben. Es wurden sehr effiziente oder geordnete Gesetze in letzter Zeit erlassen. An der Durchführung mag es an der einen oder anderen Stelle noch hapern, aber ich denke, auch in China sind die Dinge auf gutem Wege.
Herter: Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung des Verbandes forschender Pharmaunternehmen, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Herr Throm, vielen Dank für dieses Gespräch.
Throm: Vielen Dank!
Hintergrund: Der Fall Pfizer und die Medikamententests in den Entwicklungsländern