Annette Kelm ist noch eine junge Fotografin, Jahrgang 1975, und dennoch gelten ihre Bilder als Signal für eine Weiterentwicklung der Fotografie im 21. Jahrhundert. Zumindest dürfte das die Erklärung dafür sein, dass sich in letzter Zeit die Kuratoren von Gegenwartskunst um die gebürtige Stuttgarterin reißen.
Das erstaunt auf den ersten Blick, weil Kelms Fotografie alles andere als spektakulär daherkommt. Verglichen mit den auf dem Kunstmarkt höchst erfolgreichen Andreas Gursky oder Wolfgang Tillmans oder auch mit Candida Höfer wirken ihre Bilder subtil und geradezu still wie Ikonen. Ein völlig neuer Stil ist auf diesen Arbeiten auch nicht zu erkennen, zu sinnfällig sind die Bezüge zur kühlen Realitätserforschung der Becher-Schule und der experimentellen Abstraktion der Bauhausmoderne.
Allerdings gibt es doch entscheidende Unterschiede. Während die Bechers und ihre Schüler ihre fotografischen Serien zumindest anfangs noch wie eine quasi-wissenschaftliche Vermessung der Realität praktizierten, die sie manchmal sogar in lehrtafelhaften, minimalistischen Tableaus anordneten, kommt bei Annette Kelm ein subjektiver Blick ins Spiel, der den Realitätsbezug sanft verwandelt. Zeugen der Industriekultur, die Bahnwärterhäuschen und Fördertürme der Bechers, haben sich bei ihr in eine Welt von Gebrauchsgegenständen verwandelt. Die Realität hat bei Annette Kelm plötzlich Gebrauchsspuren. Diese erzählen Geschichten, die sich in den Dingen eingeprägt haben, ohne dass man sie genau kennt, und sie dadurch in einen größeren Kontext stellen. Ein schlichter VW Golf mit demontierten Rückleuchten, Dach und zerkratzten Fenstern wird auf diese Weise zu einem fast surrealen Mischwesen gewandelt, einem alltäglichen Designobjekt, das zugleich für Klischees von Lebensläufen steht und zugleich wie ein Wesen in der Zeit, etwas, das Wunden trägt und irgendwie teilgenommen hat am Leben. Ein Orangenbäumchen vor kunstgrünem Hintergrund wirkt wie ein Natursymbol und zugleich wie ein Kunststoffornament.
Anstelle der nüchternen Gesichtsoberflächen eines Thomas Ruff fungieren bei Annette Kelm abstrakte Stoffmuster als Porträt der einflussreichen amerikanischen Designerin Dorothy Draper. Nicht in der Ausstellung, gleichwohl doch eine der beeindruckendsten Arbeiten Kelms ist eine Aufnahme der Oberbaumbrücke in Berlin, jener Verbindung des westlichen Kreuzberg und des östlichen Friedrichshain, die nach der Wende wieder aufgebaut wurde und inzwischen ein millionenfaches touristisches Fotomotiv ist. Gleichwohl gelingt Kelm ein nie so gesehener Blick auf das Bauwerk, das es wie zwei amputierte Gliedmaßen erscheinen lässt, die nun durch eine Metallprothese miteinander verbunden sind. Ähnlich wie hier kippt nahezu jede Aufnahme von Kelm in ein surrealistisches und gleichwohl völlig beiläufig wirkendes Vexierbild.
Im Gegensatz auch zur Becher-Schule arbeitet Kelm wieder mit analogen Fotoapparaten.
Ist die vermeintliche Zukunft also eher Rückkehr zum Traditionalismus des Handwerks?
Schon Thomas Ruff als vielleicht bedeutendster Becher-Schüler sagte vor nicht allzu langer Zeit, dass ihm die Arroganz der ästhetischen Eliten im 20. Jahrhundert auf den Keks gegangen sei und dass er deshalb mehr Körperlichkeit in der Fotografie haben wolle.
Annette Kelm scheint diesem Weg ebenfalls zu folgen, technisch und inhaltlich probiert sie Traditionen aus und holt sie zurück, spielt mit ihnen und untersucht sie auf ihren Nutzen für die Gegenwart. Rückwärtsgewandte Schwärmerei wird man bei ihr nirgends finden.
Das erstaunt auf den ersten Blick, weil Kelms Fotografie alles andere als spektakulär daherkommt. Verglichen mit den auf dem Kunstmarkt höchst erfolgreichen Andreas Gursky oder Wolfgang Tillmans oder auch mit Candida Höfer wirken ihre Bilder subtil und geradezu still wie Ikonen. Ein völlig neuer Stil ist auf diesen Arbeiten auch nicht zu erkennen, zu sinnfällig sind die Bezüge zur kühlen Realitätserforschung der Becher-Schule und der experimentellen Abstraktion der Bauhausmoderne.
Allerdings gibt es doch entscheidende Unterschiede. Während die Bechers und ihre Schüler ihre fotografischen Serien zumindest anfangs noch wie eine quasi-wissenschaftliche Vermessung der Realität praktizierten, die sie manchmal sogar in lehrtafelhaften, minimalistischen Tableaus anordneten, kommt bei Annette Kelm ein subjektiver Blick ins Spiel, der den Realitätsbezug sanft verwandelt. Zeugen der Industriekultur, die Bahnwärterhäuschen und Fördertürme der Bechers, haben sich bei ihr in eine Welt von Gebrauchsgegenständen verwandelt. Die Realität hat bei Annette Kelm plötzlich Gebrauchsspuren. Diese erzählen Geschichten, die sich in den Dingen eingeprägt haben, ohne dass man sie genau kennt, und sie dadurch in einen größeren Kontext stellen. Ein schlichter VW Golf mit demontierten Rückleuchten, Dach und zerkratzten Fenstern wird auf diese Weise zu einem fast surrealen Mischwesen gewandelt, einem alltäglichen Designobjekt, das zugleich für Klischees von Lebensläufen steht und zugleich wie ein Wesen in der Zeit, etwas, das Wunden trägt und irgendwie teilgenommen hat am Leben. Ein Orangenbäumchen vor kunstgrünem Hintergrund wirkt wie ein Natursymbol und zugleich wie ein Kunststoffornament.
Anstelle der nüchternen Gesichtsoberflächen eines Thomas Ruff fungieren bei Annette Kelm abstrakte Stoffmuster als Porträt der einflussreichen amerikanischen Designerin Dorothy Draper. Nicht in der Ausstellung, gleichwohl doch eine der beeindruckendsten Arbeiten Kelms ist eine Aufnahme der Oberbaumbrücke in Berlin, jener Verbindung des westlichen Kreuzberg und des östlichen Friedrichshain, die nach der Wende wieder aufgebaut wurde und inzwischen ein millionenfaches touristisches Fotomotiv ist. Gleichwohl gelingt Kelm ein nie so gesehener Blick auf das Bauwerk, das es wie zwei amputierte Gliedmaßen erscheinen lässt, die nun durch eine Metallprothese miteinander verbunden sind. Ähnlich wie hier kippt nahezu jede Aufnahme von Kelm in ein surrealistisches und gleichwohl völlig beiläufig wirkendes Vexierbild.
Im Gegensatz auch zur Becher-Schule arbeitet Kelm wieder mit analogen Fotoapparaten.
Ist die vermeintliche Zukunft also eher Rückkehr zum Traditionalismus des Handwerks?
Schon Thomas Ruff als vielleicht bedeutendster Becher-Schüler sagte vor nicht allzu langer Zeit, dass ihm die Arroganz der ästhetischen Eliten im 20. Jahrhundert auf den Keks gegangen sei und dass er deshalb mehr Körperlichkeit in der Fotografie haben wolle.
Annette Kelm scheint diesem Weg ebenfalls zu folgen, technisch und inhaltlich probiert sie Traditionen aus und holt sie zurück, spielt mit ihnen und untersucht sie auf ihren Nutzen für die Gegenwart. Rückwärtsgewandte Schwärmerei wird man bei ihr nirgends finden.