Sebastian Ko: Als "Kids" damals in die Kinos kam, wurden Sie als Drehbuchautor, mit gerade mal 19, als Wunderkind gefeiert. Hat Sie das unter Druck gesetzt? Damals oder auch später?
Harmony Korine: Der Druck kam nicht von den anderen, den hab ich mir selbst gemacht. Ich wollte der Größte sein und ich wollte Filme machen. Das wusste ich schon in der Highschool. Der Druck war nur da, weil ich kreativ war, und meine Ideen nicht mehr alle fassen konnte, als ob die in meinem Kopf herumrasen. Ich konnte nicht still sitzen, ich musste unbedingt etwas produzieren. – Ich weiß nicht mal, ob 'Druck' überhaupt das richtige Wort ist. Es war mehr ein Verlangen, ein Bedürfnis, das umgesetzt werden musste. Und dann hab ich es haltgemacht. Ich war an einem Punkt angekommen, wo ich mich nicht mehr bremsen konnte.
Ko: Es gibt eine Szene in Ihrem zweiten Film, "Julian Donkey Boy", in dem der Vater, gespielt von Werner Herzog, eine Medizin gegen 'Überempfindlichkeit' trinkt. Ist das etwas, woran Sie in der Zeit gelitten haben?
Korine: Keine Ahnung, sensibel war ich eigentlich nicht. Vielleicht eher unkontrollierbar.
Ko: Was meinen Sie damit?
Korine: Es war schwer meine 'Bedürfnisse' zu kontrollieren ... also .. das können Sie verstehen, wie Sie wollen (lacht).
Ko: Sie sind in Nashville aufgewachsen, was war Ihre erste Erfahrung mit Film damals?
Korine: Mein Vater war Dokumentarfilmer, und als Kind war ich umgeben von Filmen, und meine Eltern haben mich immer mit ins Kino genommen.
Ko: Aber Sie selber haben nie dokumentarisch gearbeitet, oder?
Korine: Das ist das Einzige, was ich nie gemacht habe: Dokus. Ich habe nicht die Ruhe, Dinge einfach passieren zu lassen. Vielleicht sind meine Filme auf eine Art 'dokumentarisch', aber ich manipuliere die Situation.
Ko: Ich hab bei Ihren Figuren immer das Gefühl, das sind 'Slacker' Tagediebe, aber nicht die Friedlichen, die nur so herumhängen. Kennen Sie Menschen dieses Schlages aus ihrem persönlichen Umfeld.
Korine: Natürlich, das waren die, mit denen ich groß geworden bin. Fast alle Figuren, besonders in den frühen Filmen, liegen Menschen zugrunde, die ich aus meiner Jugend in Nashville kannte. Viele von denen sind inzwischen im Gefängnis oder wurden umgebracht. Die, die es da raus geschafft haben, sind heute noch mit meine besten Freunde, ich wohne ja dort.
Ko: In Ihrem ersten Film "Gummo", aber auch in "Trashhumpers" und sogar "Spring Breakers" hatte ich den Eindruck, als wäre der Drehort, der Handlungsort genauso sehr eine eigenständig 'Figur', wie die echten Charaktere. In welchem Ausmaß inspiriert Sie der Ort zu ihren Geschichten?
Korine: Total, das bedeutet mir alles. Der Handlungsort ist die Welt und der Film das Gefühl dazu. Und danach male ich das Bild. Der Ort macht fast alles aus, das ist die wichtigste Sache überhaupt: Die Art wie die Dinge aussehen, die richtigen Farben, die Straßenbeleuchtung, die Farbe des Rasens, die Art, wie die Häuser aussehen. Die Alleen, die Swimmingpools, die Schatten, das Licht. Das ist das Gefühl, das einem den Eintritt in ihre Welt verschafft. Ich mache nicht so sehr Filme über Charaktere oder Geschichten, ich schaffe Bilder, die verbunden sind mit einer bestimmten Kultur, oder einer spezifischen Weltsicht, oder einem bestimmten Gefühl. Noch mal: Der Ort ist essentiell!
Ko: Ich mag sehr den visuellen Stil von "Spring Breakers", besonders diese Neonfarben, diesen Bonbon Stil, gemischt mit Horror. Mich hat das in vielerlei Hinsicht an "Enter the void" von Gaspar Noe erinnert. Und Sie haben ja in Spring Breakers auch mit Benoit Debie, seinem Kameramann zusammengearbeitet. War das Zufall, oder haben Sie ihn aus diesen Gründen engagiert?
Korine: Ich bin seit Langem mit Gaspar Noe befreundet und ich liebe Benoits Kameraarbeit. Vor allem, wenn Du einen Film machen willst, der eine extreme Erfahrung sein soll, also eher textuell und experimentell angelegt ist. Ich wollte, dass der Film etwas von einer Drogenerfahrung hat, etwas sehr Physisches. Und da ist Benoit als Kameramann sehr originell. Und ich hatte gehofft, dass er bestimmte Dinge mit Farben und Bewegung ausdrücken würde. Ich wollte ja einen Film machen, der Smarties-mäßig ausgeleuchtet ist. Ich wollte, dass man das fast schmecken kann. Und dass er erzählt wird, wie ein Pop-Gedicht.
Ko: Ihre Filme bieten immer unterschiedliche Deutungsebenen an. Wie sehr ist das geplant?
Korine: Ich plane vorab so viel, wie es geht, und zeichne Storyboards, aber dann, wenn ich drehe, versuche ich so zu tun, als ob alles möglich ist. Alles frei ist, ohne Regeln. Einige Dinge haben ein bestimmtes Aussehen und andere sind völlig außer Kontrolle. Es ist eine Art seltsamer Tanz.
Ko: Die Erzählstruktur von ‚Spring Breakers’ ist sehr viel strenger als in Ihren vorherigen Filmen. Wieso diese Abkehr von Ihrer sonst so freien Erzählweise?
Korine: Ich wollte eine Art Pop Gedicht machen. Und gleichzeitig hab ich gemerkt, dass diese Art einer 'liquiden' Erzählweise, wo Bilder und Sounds aus allen Richtungen kommen, so etwas wie einen Anker brauchen. So wie ein Pop Song, oder ..oder etwas, das auf einer Schleife basiert, oder wie in einem Rap Song. Das funktioniert in vielen Bereichen wie in der Musik. Wie in einem Pop Song, wo sich Dinge wiederholen, in Schleife gesetzt werden und wiederkehren.
Ko: Untypisch für Ihre anderen Filme haben Sie in Spring Breakers dabei aber auch einstige Disney Kinder Stars besetzt, wie Selena Gomez und Vanessa Hudgens besetzt. Warum?!
Korine: Sie passten perfekt zu den Charakteren, und sie sind sogar Teil davon. Ich mochte die Idee von Schauspielern, die in gewisser Weise repräsentativ sind für diese Fixierung auf Popikonen, um die es im Film geht. Das war der Spaß daran für mich.
Ko: Sie machen Filme, schreiben Songtexte, hatten kleinere Kunstausstellungen. Ist das für Sie sehr ähnlich?
Korine: Es ist alles das Gleiche für mich. Ich wollte nie nur Regisseur sein. Ich wollte alles machen, schreiben, Musik, Kunst.
Ko: Aber fühlen Sie sich denn einer dieser Künste am nächsten?
Korine: Nein, die befruchten sich gegenseitig. Wofür ich am meisten bekannt bin, ist Filme machen, was ich am meisten genieße, ist malen. Aber das ist alles dasselbe. Das vereinigt sich zu EINER Ästhetik, das kommt alles von demselben Ort. Das ist vor allem eine Energie. Ich reagiere da auf eine innere Kraft.
Ko: Wenn Sie ihre Kunst mit Musik vergleichen würden, welche Musik wäre das? Eher Hiphop oder Jazz? Welche Musikrichtung repräsentiert ihre eigene Arbeit am ehesten?
Korine: Lassen Sie mich überlegen. Ich würde sagen, alles ohne zuviel Text. Vielleicht aber auch Rap Music. Elektronische Musik. Also eher nicht der Typ, der mit seiner Harfe in irgendeiner Fußgängerzone spielt. Eher etwas, das wie ein Schlag ins Gesicht ist.
Ko: Welche Filme finden Sie langweilig?
Korine: Eigentlich alle (lacht) fast alle. Wie bei Menschen: Die meisten langweilen mich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Harmony Korine: Der Druck kam nicht von den anderen, den hab ich mir selbst gemacht. Ich wollte der Größte sein und ich wollte Filme machen. Das wusste ich schon in der Highschool. Der Druck war nur da, weil ich kreativ war, und meine Ideen nicht mehr alle fassen konnte, als ob die in meinem Kopf herumrasen. Ich konnte nicht still sitzen, ich musste unbedingt etwas produzieren. – Ich weiß nicht mal, ob 'Druck' überhaupt das richtige Wort ist. Es war mehr ein Verlangen, ein Bedürfnis, das umgesetzt werden musste. Und dann hab ich es haltgemacht. Ich war an einem Punkt angekommen, wo ich mich nicht mehr bremsen konnte.
Ko: Es gibt eine Szene in Ihrem zweiten Film, "Julian Donkey Boy", in dem der Vater, gespielt von Werner Herzog, eine Medizin gegen 'Überempfindlichkeit' trinkt. Ist das etwas, woran Sie in der Zeit gelitten haben?
Korine: Keine Ahnung, sensibel war ich eigentlich nicht. Vielleicht eher unkontrollierbar.
Ko: Was meinen Sie damit?
Korine: Es war schwer meine 'Bedürfnisse' zu kontrollieren ... also .. das können Sie verstehen, wie Sie wollen (lacht).
Ko: Sie sind in Nashville aufgewachsen, was war Ihre erste Erfahrung mit Film damals?
Korine: Mein Vater war Dokumentarfilmer, und als Kind war ich umgeben von Filmen, und meine Eltern haben mich immer mit ins Kino genommen.
Ko: Aber Sie selber haben nie dokumentarisch gearbeitet, oder?
Korine: Das ist das Einzige, was ich nie gemacht habe: Dokus. Ich habe nicht die Ruhe, Dinge einfach passieren zu lassen. Vielleicht sind meine Filme auf eine Art 'dokumentarisch', aber ich manipuliere die Situation.
Ko: Ich hab bei Ihren Figuren immer das Gefühl, das sind 'Slacker' Tagediebe, aber nicht die Friedlichen, die nur so herumhängen. Kennen Sie Menschen dieses Schlages aus ihrem persönlichen Umfeld.
Korine: Natürlich, das waren die, mit denen ich groß geworden bin. Fast alle Figuren, besonders in den frühen Filmen, liegen Menschen zugrunde, die ich aus meiner Jugend in Nashville kannte. Viele von denen sind inzwischen im Gefängnis oder wurden umgebracht. Die, die es da raus geschafft haben, sind heute noch mit meine besten Freunde, ich wohne ja dort.
Ko: In Ihrem ersten Film "Gummo", aber auch in "Trashhumpers" und sogar "Spring Breakers" hatte ich den Eindruck, als wäre der Drehort, der Handlungsort genauso sehr eine eigenständig 'Figur', wie die echten Charaktere. In welchem Ausmaß inspiriert Sie der Ort zu ihren Geschichten?
Korine: Total, das bedeutet mir alles. Der Handlungsort ist die Welt und der Film das Gefühl dazu. Und danach male ich das Bild. Der Ort macht fast alles aus, das ist die wichtigste Sache überhaupt: Die Art wie die Dinge aussehen, die richtigen Farben, die Straßenbeleuchtung, die Farbe des Rasens, die Art, wie die Häuser aussehen. Die Alleen, die Swimmingpools, die Schatten, das Licht. Das ist das Gefühl, das einem den Eintritt in ihre Welt verschafft. Ich mache nicht so sehr Filme über Charaktere oder Geschichten, ich schaffe Bilder, die verbunden sind mit einer bestimmten Kultur, oder einer spezifischen Weltsicht, oder einem bestimmten Gefühl. Noch mal: Der Ort ist essentiell!
Ko: Ich mag sehr den visuellen Stil von "Spring Breakers", besonders diese Neonfarben, diesen Bonbon Stil, gemischt mit Horror. Mich hat das in vielerlei Hinsicht an "Enter the void" von Gaspar Noe erinnert. Und Sie haben ja in Spring Breakers auch mit Benoit Debie, seinem Kameramann zusammengearbeitet. War das Zufall, oder haben Sie ihn aus diesen Gründen engagiert?
Korine: Ich bin seit Langem mit Gaspar Noe befreundet und ich liebe Benoits Kameraarbeit. Vor allem, wenn Du einen Film machen willst, der eine extreme Erfahrung sein soll, also eher textuell und experimentell angelegt ist. Ich wollte, dass der Film etwas von einer Drogenerfahrung hat, etwas sehr Physisches. Und da ist Benoit als Kameramann sehr originell. Und ich hatte gehofft, dass er bestimmte Dinge mit Farben und Bewegung ausdrücken würde. Ich wollte ja einen Film machen, der Smarties-mäßig ausgeleuchtet ist. Ich wollte, dass man das fast schmecken kann. Und dass er erzählt wird, wie ein Pop-Gedicht.
Ko: Ihre Filme bieten immer unterschiedliche Deutungsebenen an. Wie sehr ist das geplant?
Korine: Ich plane vorab so viel, wie es geht, und zeichne Storyboards, aber dann, wenn ich drehe, versuche ich so zu tun, als ob alles möglich ist. Alles frei ist, ohne Regeln. Einige Dinge haben ein bestimmtes Aussehen und andere sind völlig außer Kontrolle. Es ist eine Art seltsamer Tanz.
Ko: Die Erzählstruktur von ‚Spring Breakers’ ist sehr viel strenger als in Ihren vorherigen Filmen. Wieso diese Abkehr von Ihrer sonst so freien Erzählweise?
Korine: Ich wollte eine Art Pop Gedicht machen. Und gleichzeitig hab ich gemerkt, dass diese Art einer 'liquiden' Erzählweise, wo Bilder und Sounds aus allen Richtungen kommen, so etwas wie einen Anker brauchen. So wie ein Pop Song, oder ..oder etwas, das auf einer Schleife basiert, oder wie in einem Rap Song. Das funktioniert in vielen Bereichen wie in der Musik. Wie in einem Pop Song, wo sich Dinge wiederholen, in Schleife gesetzt werden und wiederkehren.
Ko: Untypisch für Ihre anderen Filme haben Sie in Spring Breakers dabei aber auch einstige Disney Kinder Stars besetzt, wie Selena Gomez und Vanessa Hudgens besetzt. Warum?!
Korine: Sie passten perfekt zu den Charakteren, und sie sind sogar Teil davon. Ich mochte die Idee von Schauspielern, die in gewisser Weise repräsentativ sind für diese Fixierung auf Popikonen, um die es im Film geht. Das war der Spaß daran für mich.
Ko: Sie machen Filme, schreiben Songtexte, hatten kleinere Kunstausstellungen. Ist das für Sie sehr ähnlich?
Korine: Es ist alles das Gleiche für mich. Ich wollte nie nur Regisseur sein. Ich wollte alles machen, schreiben, Musik, Kunst.
Ko: Aber fühlen Sie sich denn einer dieser Künste am nächsten?
Korine: Nein, die befruchten sich gegenseitig. Wofür ich am meisten bekannt bin, ist Filme machen, was ich am meisten genieße, ist malen. Aber das ist alles dasselbe. Das vereinigt sich zu EINER Ästhetik, das kommt alles von demselben Ort. Das ist vor allem eine Energie. Ich reagiere da auf eine innere Kraft.
Ko: Wenn Sie ihre Kunst mit Musik vergleichen würden, welche Musik wäre das? Eher Hiphop oder Jazz? Welche Musikrichtung repräsentiert ihre eigene Arbeit am ehesten?
Korine: Lassen Sie mich überlegen. Ich würde sagen, alles ohne zuviel Text. Vielleicht aber auch Rap Music. Elektronische Musik. Also eher nicht der Typ, der mit seiner Harfe in irgendeiner Fußgängerzone spielt. Eher etwas, das wie ein Schlag ins Gesicht ist.
Ko: Welche Filme finden Sie langweilig?
Korine: Eigentlich alle (lacht) fast alle. Wie bei Menschen: Die meisten langweilen mich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.