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Ich mag mich, wenn ich lache.Autobiographie.

New York 1925: Die Sängerin Ethel Waters feiert im Cotton Club ihre ersten Erfolge, als Zora Neale Hurston mit einem Dollar und 50 Cent in der Tasche in Harlem ankommt. Später werden sich die beiden Frauen befreunden. Beide sind voller Erwartungen aus den Südstaaten gekommen, denn in Harlem ist eine Art Kulturrevolution im Gange: Schwarze Musiker und Literaten, bildende Künstler und politische Aktivisten bilden eine Bewegung, die später als "Harlem Renaissance" in die amerikanische Geschichte eingehen wird.

Vera Reusch |
    Zora Neale Hurston fällt auf in der überwiegend männlichen schwarzen Boheme: Sie will Schriftstellerin werden und gewinnt mit einer Kurzgeschichte auf Anhieb den Literaturpreis des neu gegründeten Schwarzen-Magazins "Opportunity". Sie trägt verwegene Hüte, raucht in der Öffentlichkeit, und ihr Erzähltalent macht sie zum Mittelpunkt jeder Party. Auch am Barnard College, für das sie ein Stipendium erhält, hat sie eine Sonderrolle, denn schwarze Studenten sind dort die Ausnahme: "Ich wurde die geheiligte schwarze Kuh von Barnard" schreibt Hurston in ihrer Autobiographie, die jetzt auf Deutsch erschienen ist, "wer nicht mit mir Mittag gegessen hatte, konnte gar nicht mitreden". Nach Abschluss ihres Studiums schickt Franz Boas, der Begründer der Ethnologie in den USA, sie auf Feldforschung in die Südstaaten und in die Karibik. Jahrelang sammelt sie Oberlieferungen und Lieder, beschäftigt sich mit Woodoo und interviewt den letzten noch lebenden Sklaven, der auf einem Schiff aus Afrika kam. Liest man ihre Autobiographie, scheint Hurston geradezu prädestiniert zu sein, die erste Forscherin und Schriftstellerin zu werden, die sich dezidiert schwarzer Kultur widmet.

    "Ich wurde in einer Negerstadt geboren. Damit m schwarzen Hinterhof einer gewöhnlichen Stadt. Eatonville in Florida ist und war zur Zeit meiner Geburt eine reine Negerstadt - mit Gründungsurkunde, Bürgermeister, Gemeinderat, Gemeindepolizist und allem was dazu gehört. Eatonville war der erste Selbstverwaltungsversuch von Negern in den Vereinigten Staaten."

    Zwar haben Forschungen inzwischen ergeben, dass Hurston hier flunkert. Sie kam 1891 in Alabama auf die Welt und zog erst kurze Zeit später nach Eatonville in Florida. Unstrittig ist jedoch, dass die spezifische Situation in Eatonville Hurston stark prägte. Während andernorts in den Südstaaten der Ku-Klux-Klan wütete, wuchs Zora in der rein schwarzen Gemeinde ohne Rassismus auf und entwickelte früh schwarzes Selbstbewußtsein. In "Ich mag mich, wenn ich lache" zitiert sie ihre früh verstorbene Mutter, die ihre Kinder ermunterte, "nach der Sonne zu springen". "Wir mochten vielleicht nicht auf der Sonne landen, aber immerhip würden wir uns vom Boden erheben." Neugier, Wagemut und unkonventionelle Ansichten werden für die Schriftstellerin und Ethnologin zukünftig kennzeichnend sein. Ihrer Herkunft verdankt sie auch ihren ausgeprägten Sinn für Humor und Dramatik. Der Tratsch und Klatsch auf den Veranden, das Um-die-Wette-Erzählen im Kramiaden, die Erweckungszenen in der Baptistenkirche, all diese frühen Erfahrungen lassen sich später in ihren Büchern wiederfinden. Ihre erste Forschungsreise führt sie 1927 zurück nach Florida. Mit einem Chevrolet Coupä fährt sie durch die weitläufigen Gebiete, die von Sägewerken, Harzverarbeitung und Eisenbahnbau geprägt sind, um Lügenmärchen und Legenden, Spirituals, Arbeits- und Kneipenlieder zu sammeln.

    "Ganz Polk County in den Pinten am Schwofen. Den richtigen Hut vom falschen Kopf reißen und der Sache Mit dem Schnappmesser Nachdruck verleihen.@@Flittchen, was hat der Hut von mein Mann auf deim Filzkopp zu suchen? Du wills wohl dein Herr Jesus sehn? Wer is hier ne Hure? Ich tu mit meine Männers penn, aber die zahin wenigstens. Ich wär lieber nich son Leichtfuß wie du, immer auf Achse, von einer Maloche zur andern, Zahltage absahnen." Vielleicht schreitet jemand ein, bevor die beiden Schnappmesser aufeinander treffen. Vielleicht kann es niemand verhindern. Wie dem auch sei, das Vergnügen geht weiter. Man schwoft, singt, spendiert Getränke. Satt dröhnende Bassklänge vom Klavier mit schluchzenden fingerfertigen Läufen der rechten Hand."

    Neben der Beschreibung ihrer Kindheit bilden die Kapitel über ihre Forschungen den stilistischen Höhepunkt der Autobiographie, denn hier zeigt sich Hurstons spezifischer Umgang mit Sprache besonders deutlich. Wie in ihren Romanen entwickelt sie hier eine Meisterschaft darin, den Slang und Humor, die Geschichten und Lieder der schwarzen Communities ganz selbstverständlich in ihren Erzählfluss einzuarbeiten. Ihre Sprache ist bilderreich, drastisch, temperamentvoll und gespickt mit Dialogen in Dialekt, weshalb sie lange Zeit als unübersetzbar galt. Barbara Henninges hat sich der Herausforderung gestellt und damit die Autorin jetzt endlich für das deutschsprachige Publikum zugänglich gemacht. Auch in den USA wurde Hurston, die insgesamt vier Romane, zwei Bände über schwarze Folklore und über 50 Kurzgeschichten und Essays verfasste, erst in den 70er Jahren wiederentdeckt. Heute gilt sie als afroamerikanische Klassikerin und Vorläuferin von Alice Walker, Toni Morrison, Gloria Naylor und vielen anderen. Doch als die Autobiographie 1942 erschien, war Hurston zwar eine bekannte, mit Preisen und Stipendien bedachte, aber keineswegs unumstrittene Autorin. Im Trend lagen ab den 40er Jahren kämpferische Bücher wie Richard Wrights "Black Boy". Literatur, die aufrütteln und mobilisieren wollte, in der Schwarze als Opfer dargestellt und vor allem im Bezug auf Weiße definiert wurden. Hurston lehnte dies strikt ab und handelte sich damit den Vorwurf ein, ihre Literatur sei politisch kontraproduktiv und diene allein dazu, Weiße zu unterhalten. "Ich bin nicht tragisch schwarz" hatte sie bereits 1928 selbstbewußt verkündet, und in ihrer Autobiographie verteidigt sie diese Haltung fast trotzig, so, als würde sie ahnen, dass ihre Arbeit bald für Jahrzehnte in der Versenkung verschwinden sollte. Bettelarm und unterernährt stirbt Hurston 1960 in einem Heim der Wohlfahrt und wird anonym bestattet. Erst Alice Walker setzt ihr 1973 einen Grabstein mit der Inschrift: "Zora Neale Hurston. Ein Genie des Südens."