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"Ich meine das ist eine Bevormundung, oder?"

Der Nichtraucherschutz bewegt die Menschen: Raucher und Kneipenwirte fühlen sich bevormundet, Nichtraucher dagegen nicht ausreichend geschützt. Die Politik versucht sich an Schutzregeln - doch der Föderalismus führt dazu, dass der Nichtraucherschutz überall in Deutschland anders ist.

Von Verena Kemna |
    "Mich zwingt ja niemand, dass ich da rein geh´, ich bin Nichtraucherin, ich habe noch nie geraucht aber ich fühle mich hier wohl."

    "Ich mag es einfach, wenn ich ein Bier trinke und dazu eine Zigarette rauchen kann."

    "Ich finde es gut, dass der Mann hier was tut. Er hat hier das Hausrecht und was soll das?"

    Der Mann der was tut: Manfred Fritsch, Gastwirt aus Aichach bei Augsburg. Aus Protest gegen das strikte bayerische Rauchverbot, kam er vor zwei Jahren auf die Idee, seine Gäste als geschlossene Gesellschaft getarnt in sein Wirtshaus einzuladen. Doch die Zeiten, wo der Gastwirt sich den Kopf darüber zerbrechen musste, wie er das bayerische Nichtraucherschutzgesetz umgehen kann, sind vorüber. Längst ist die strikte Version zum Schutz der Gesundheit einer zweiten, eher lockeren bayerischen Novelle gewichen. Längst vorbei also die Zeit des generellen Rauchverbots in allen öffentlich zugänglichen Wirtschaften.
    Nach Ansicht der bayerischen Grünen und der SPD trägt die lockere Zweitversion der CSU/FDP-Koalition den Namen Nichtraucherschutzgesetz zu Unrecht. Beide Fraktionen unterstützen das Volksbegehren zum Nichtraucherschutz. Ziel ist eine ausnahmslos qualmfreie Gastronomie. Etwa 940.000 Wahlberechtigte müssen auf den Listen in den Rathäusern unterschreiben, nur dann geht das Volksbegehren in die zweite Runde. Egal wie es ausgeht, von einem einheitlichen Nichtraucherschutz kann in Deutschland ohnehin keine Rede sein:

    "Wir kommen jeden Montag her, weil wir hier gemütlich sitzen können, auch ein Tänzchen wagen und rauchen unsere Zigarette. Ich bin 80 Jahre alt und ich lasse mir das vom Staat nicht verbieten. Ich lasse mich vom Staat nicht verbieten, dass ich nicht rauchen soll."

    "Ich hab nischt gegen Nichtraucher. Wenn ich irgendwo eingeladen bin, frage ich, darf ich eine rauchen, dann ist det jut, aber doch nicht in den Kneipen."

    Mit vielen Ausnahmen gespickt, gelten seit fast zwei Jahren in allen Bundesländern Nichtraucherschutzgesetze. Ambitionierter Start und langes Auslaufen, so ähnlich lässt sich die Praxis in den Ländern beschreiben. In Sachsen beispielsweise sollte das Rauchverbot in Kneipen und Gaststätten ursprünglich mit Sanktionen von bis zu 5000 Euro durchgesetzt werden. Das sächsische Nichtraucherschutzgesetz galt wie das bayerische als besonders strikt. Doch die Wirte von Eckkneipen und auch Diskothekenbetreiber pochten auf unternehmerische Freiheit und bekamen vor Gericht Recht.

    Seitdem dürfen über 18-Jährige in so genannten Einraumkneipen mit weniger als 75 Quadratmetern und in Discos mit extra gekennzeichnetem Raucherraum, qualmen soviel sie wollen. Auch für Berufsschulen gilt eine Ausnahmeregelung. Und die neue sächsische CDU/FDP-Koalition hat den ursprünglich strikten Nichtraucherschutz weiter gelockert. Die sächsischen Raucher dürfen demnächst bei persönlichen Einladungen in geschlossener Gesellschaft auch in ganz normalen Lokalen wieder rauchen. Auch in Rosis Berliner Eckkneipe ist der blaue Dunst in den vergangenen beiden Jahren nicht verflogen:

    "Ich habe hier fast nur Stammgäste, die seit über 20 Jahren hier verkehren, es sind fast alle nur Raucher, wenn sie Sorgen haben, kommen sie her, wenn sie keine Sorgen haben, kommen sie auch und montags haben wir für unsere Senioren hier Tanz und Musike, dann tanzen sie und essen auch ein bisschen was und dann sind se lustig."

    "Hey Rita, gib´mal ne Runde. Und die Zigarette gehört dazu, zum Schnäpperken… ."

    "…is´ne richtig schöne gemütliche Familienkneipe."

    Ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts hat vor gut einem Jahr die kleinen Eckkneipen in allen Bundesländern gerettet. Seitdem ist klar: Das Rauchverbot für sogenannte Einraumkneipen ist verfassungswidrig. Rosi hätte in ihrer gerade einmal wohnzimmergroßen Berliner Kneipe keine Chance gehabt, Raucher und Nichtraucher zu trennen:
    "Das Umbauen können wir uns nicht leisten. Die Umsätze sind sowieso zurückgegangen, seit das mit dem Rauchen ist. Was sollen wir machen?"

    "Bist du da betroffen?"

    "Ja, natürlich. Stell´dir mal vor, die würden dir jetzt deinen Jägermeister verbieten. Ich meine das ist eine Bevormundung oder?"

    Nun ist damit Schluss. An Rosis Oase hängt jetzt das Schild "Raucherlokal". In Berlin gilt das neue Nichtraucherschutzgesetz, das Rauchen in Einraumkneipen erlaubt, seit Mai 2009. Eigentlich sollten alle Bundesländer nach dem BVG-Urteil ihre Nichtraucherschutzgesetze bis Ende Dezember dieses Jahres novellieren. Ein absolutes Rauchverbot ist dabei durchaus zulässig, aber in keinem Bundesland absehbar. So hat die Hamburger Bürgerschaftsfraktion der CDU erst vor wenigen Tagen gegen ein absolutes Rauchverbot und für möglichst viele Ausnahmen gestimmt. Der grüne Koalitionspartner dagegen will den absoluten Schutz der Nichtraucher. Somit ist das Ergebnis offen.