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"Ich meine, dass der Spiegel irgendwo ausgedient hat"

Fotografie.- Noch bis einschließlich Sonntag findet in Köln die Photokina statt – die Weltmesse für Fotografie und Bildbearbeitung. Der Wissenschaftsjournalist Wolfram Koch spricht im Interview mit Manfred Kloiber über die diesjährigen Trends aus der Fotowelt.

    Manfred Kloiber: Die Photokina in Köln gilt als die Weltmesse der Fotografie und der Bildbearbeitung. Sie läuft noch bis morgen und in den Hallen dreht sich beinahe alles um die neuesten digitalen Foto- und Videokameras. Trendthemen sind nicht nur Bildqualität und –auflösung, sondern auch Funktionen für soziale Netzwerke zum Beispiel. Wolfram Koch ist im Messestudio auf dem Deutschlandradio-Stand in der Halle fünf. Herr Koch, gibt es denn eigentlich auf der Messe noch irgendwo Zelluloid zu sehen?

    Wolfram Koch: Also noch vor einigen Jahren war Zelluloid im Foto- und Filmbereich problemlos zu finden. In diesem Jahr habe ich schlicht nichts gefunden. Vielmehr setzen auch die Profis auf digitale Lösungen. Und Profis können hier sogar bis zu 200 Megapixel auflösen. So hoch sind mittlerweile die Sensoren gemacht.

    Kloiber: Setzen denn die Hersteller auch in diesem Jahr bei ihren kompakten Kameras auf immer mehr Megapixel, auf den Pixelwahn?

    Koch: Nein. Stieg früher die Auflösung der Sensoren in den Kameras kontinuierlich an, so haben die Hersteller inzwischen wohl gelernt, dass damit eigentlich niemandem gedient ist. Denn einerseits reichen selbst die Megapixel in einer Kompaktkamera völlig aus, um ganz große Poster zu drucken. Andererseits verursacht diese hohe Auflösung Bildrauschen das die Kamerahersteller mit aufwendiger Elektronik bekämpfen müssen. Das machen kamerainterne Computer sprich Bildprozessoren. Und die rechnen diese störenden Effekte raus. Der generelle Trend sind kleine, leichte und flache Kameras, die man überall mit hinnehmen kann. Die Bildqualität soll aber schon besser sein als die eines Mobiltelefons. Und deshalb integrieren die Hersteller eine vernünftige Optik. Eine Optik ist halt ganz wichtig, damit man halt vernünftig viel Licht auf den Bildsensor bekommt. Dann aber sind die Kameras nicht mehr so ganz klein. Das ist ein Spagat, denn alle Hersteller mehr oder weniger gut meistern. Es gibt auch Kameras, die man überall mithin nehmen kann, die besonders robust sind. Die kann man runterschmeißen, da kann man sich draufstellen – ich habe das mal mit meinen zarten 90 Kilo probiert und die Kamera hat gehalten. Man kann damit tauchen gehen. Aber diese Kameras haben nicht mehr so eine ausfahrbare Optik und deswegen kann man da nicht mehr so viel mit zoomen. Aber das ist so der generelle Trend. Das sind halt bunte, schrille Farben, in denen man diese Kameras kaufen kann.

    Kloiber: Die kleinen Kameras werden immer besser. Hat eigentlich die gute alte Spiegelreflexkamera langsam ausgedient?

    Koch: Die kleinen kompakten Kameras können den großen und schnellen Sensoren in den digitalen Spiegelreflexkameras nicht das Wasser reichen. Aber es gibt auf der Messe einige ganz interessante Trends zu sehen: solche spiegellosen Kameras. Die kompakten Kameras haben ja ebenfalls keinen Spiegel, und es gibt jetzt so ein Zwischensegment zwischen der Spiegelreflex- und der Kompaktkamera. Das sind eigentlich Kameras, die Profis durchaus nutzen können, nur haben sie nicht mehr diesen Spiegel. Sie unterstützen Wechselobjektive, sind kleiner und leichter als Spiegelreflexkameras, haben auch einen großen Sensor, einen sehr großen, lichtempfindlichen Sensor und machen damit eigentlich die gleiche Bildqualität wie die Spiegelreflexkameras. Und die gibt es von allen namhaften Herstellern zu kaufen. Und interessant ist, dass selbst Sony eine solche spiegellose Kamera herausbringt und das vor dem Hintergrund, dass der Konzern vor einigen Jahren eine eigene Spiegelreflexkamera auf den Markt gebracht hat, die Alpha. Hier auf der Messe munkelt man, dass auch Hersteller wie Nikon oder Canon an solchen spiegellosen Kameras entwickeln. Und ich meine dass der Spiegel irgendwo ausgedient hat. Das ist ein 60 Jahre altes Relikt, um durch eine Kamera durchsehen zu können. Und das bieten heute schon viele, viele kleine Kameras auch , nämlich auch diese kompakten. Da ist das nur noch nicht so hochauflösend und so gut wie in diesem Mittelsegment. Aber der Spiegel ist ein empfindliches mechanisches Teil und die Hersteller, so sehe ich das, bauen das Stück für Stück aus, um halt neue Funktionen einbauen zu können.

    Kloiber: Und welche Funktionen werden da neu eingebaut?

    Koch: Zum Beispiel bringt man kompakten Kameras Funktionen bei, um Fotos oder Videos direkt in soziale Netzwerke reinzuladen. Also ich kann zum Beispiel über Bluetooth oder über WLAN-Funktionalität direkt Bilder oder Filme in Facebook einstellen. Ich habe auch Kameras, die haben von Hause aus gleich den GPS-Empfänger integriert, damit bei jedem Bild die Aufnahmeposition vermerkt wird. Und dann bieten viele Modelle auch noch Videoaufnahme in High Definition. Also ich kann praktisch meine Bilder direkt auf einem großen Fernseher anschauen – zumal die kleinen Kameras, selbst kompakte Kameras, schon eine digitale Schnittstelle haben, diese HDMI-Schnittstelle, um direkt auf einen großen Bildschirm ausgeben zu können. Und dann gibt es natürlich auch noch die Spiegelreflexkameras, die also volles High Definition anbieten.

    Zweiter Teil

    Kloiber: Herr Koch, nicht nur auf der Messe, sondern auch im Alltag sieht man immer mehr Menschen, die mit ihrer Kompaktkamera oder mit ihrer Spiegelreflexkamera auch Videos drehen und nicht nur fotografieren. Die Hersteller bieten ja bei den neuen Fotokameras umfangreiche Videofunktionen an. Warum tun sie das eigentlich und machen damit ja auch ein bisschen ihren Videokameras Konkurrenz?

    Koch: Man hat festgestellt, dass viele Leute einfach alles mit dem Handy machen. Und da ist aber die Bildqualität in Sachen Video deutlich bescheiden. Und deshalb möchten diese ganzen Hersteller natürlich auch ein bisschen was vom Markt abhaben und liefern deshalb ihre gesamte Kamerapalette, zumindest viele Modelle von kompakt bis zur Spiegelreflex, mit einer Videofunktion aus. Und selbst diese kleinen Kompaktkameras können schon kleines HD mit 720 Bildpunkten. Und neueste Modelle, die es hier auf der Messe zu sehen gibt, unterstützen sogar schon Full HD. Aber auch immer mehr Spiegelreflexkameras bekommen eine Videofunktion. Die Anbieter bedienen hier den Markt, dass die Anwendern zum einen fotografieren und zum anderen filmen wollen und dafür einfach nur ein Gerät haben. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass diese Spiegelreflexkameras einen sehr großen Fotosensor haben und da kann man zum Teil bessere Bilder machen als mit semiprofessionellen Videokameras.

    Kloiber: Das ist ein Vorteil. Gibt es weitere Vorteile für das Filmen mit dem Fotoapparat?

    Koch: Die kompakte Kamera haben viele immer dabei und die Videos sind auch in einigermaßen guter Qualität. Sie kommen aber nicht an eine richtige Videokamera heran. Spiegelreflexkameras machen volle HD-Auflösung und selbst Profigeräte sind deutlich günstiger als entsprechende Videokameras. Und außerdem hat man zum Filmen eine ganze Anzahl von hochwertigen Objektiven zur Verfügung, die es so für den semiprofessionellen Videokamerabereich nicht gibt. Und deshalb drehen viele Kameraleute inzwischen auf Fotoapparaten.

    Kloiber: Wären es nur diese Vorteile alleine, würden wahrscheinlich die Videokameras für die Amateure aussterben. Es gibt wahrscheinlich aber auch Nachteile, oder?

    Koch: Es gibt deutliche Nachteile. Ich hatte es schon kurz angesprochen: Die Bildqualität ist nicht überragend. Das kommt daher, dass ein Fotoapparat ja nun einmal nur zum Fotografieren ausgelegt ist. Beim Film muss er aber mindestens 25 Bilder pro Sekunde aufnehmen. Und das schaffen die Computer in der Kamera einfach nicht. Deshalb muss die Bildqualität reduziert und das Bild komprimiert werden. Und da leidet natürlich die Qualität drunter. Wenn ich mit einer Spiegelreflexkamera filmen möchte, habe ich noch ein anderes Problem, nicht die Qualität, die ist wirklich sehr, sehr gut. Aber nur ganz wenige Kameras haben einen Autofokus, das heißt: Wie bei einer richtigen Filmkamera muss ein Mensch dem Kameramann zur Seite stehen und die Schärfe nachführen. Das heißt, eine automatische Schärfenregelung scheitert an der Geschwindigkeit der Motoren in der Optik.

    Kloiber: Das heißt also, filmen mit der Spiegelreflexkamera ist dann wirklich etwas für Profis, die das auch sehr gut können, die genau wissen, wie man Schärfe ziehen muss. Reden wir über ein anderes wichtiges Thema beim filmen. Das ist natürlich die Nachbearbeitung, der Schnitt. Wie geht das eigentlich mit dem so aufgenommenen Material?

    Koch: Die meisten Videokameras wie auch die Hersteller von den kompakten Fotokameras nehmen in dem Format AVCHD auf, weil das ein sehr effektives Format ist. Es ist aber alles andere als einfach zu bearbeiten, weil man braucht einen sehr, sehr schnellen Rechner. Das heißt, einer unter Umständen sehr günstigen Kamera für 100 Euro steht ein sehr teurer Computer entgegen. Auch kann man die auf der Kamera aufgenommenen Dateien nicht einfach so auf die Festplatte kopieren. Man braucht die komplette Ordnerstruktur, damit selbst professionelle Schnittprogramme damit klarkommen. Es gibt teilweise spezielle Bildformate in diesem AVCHD-Format, die einen speziellen Algorithmus zum dekodieren brauchen – hört sich kompliziert an, ist auch so. Ich muss also im Prinzip das Programm nutzen, was der Hersteller mitliefert. Wenn ich mit diesem Programm nicht arbeiten möchte, habe ich Pech gehabt. So ist das zum Beispiel auch bei den 3D-Filmen, die hier auf der Messe angeboten werden, von Kleinkameras. Das ist alles andere als einfach zu bearbeiten, weil da brauche ich ein spezielles Programm für und ich kann zum Beispiel nicht die Software benutzen, an die ich mich jetzt schon über Jahre gewöhnt habe.

    Kloiber: Herr Kochen, ziehen wir einen Strich drunter. Ich frage Sie nach Ihrer Einschätzung: Machen denn Spiegelreflexkameras jetzt den Filmkameras ernsthafte Konkurrenz oder wird alles so bleiben wie es war?

    Koch: Die Spiegelreflexkameras werden den Filmkameras ganz klar Konkurrenz machen. Bin ich unterwegs im Gelände und möchte ganz tolle Landschaftsaufnahmen machen, dann sind diese Kameras sehr, sehr gut zu nutzen. Sie machen wunderbare Bilder. Ich muss halt nur gucken, dass jemand mir die Schärfe zieht. Und bei den Kompaktkameras ist halt eine Videokamera nach wie vor besser. Aber ich habe nach wie vor das Problem, dass Filme immer mehr computergenerierte Inhalte haben. Also zum Beispiel: Ich stelle einen Menschen vor eine grüne Wand und möchte dann zum Beispiel den Berg dahinter kopieren. Das geht ganz einfach nicht so gut.

    Kloiber: Wolfram berichtete für Sie live von der Photokina in Köln, die an diesem Wochenende beendet wird. Dankeschön.