Manfred Götzke: Das Bildungsparadies Deutschlands ist Sachsen. Es gibt eine gute Kleinkindbetreuung, viele Abiturienten und vor allem viele Ingenieurabsolventen. Die Ökonomen vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln haben es deshalb gestern
in ihrem Bildungsmonitor zum leistungsfähigsten Bildungssystem gekürt – wir haben gestern hier ja darüber berichtet. Wo es das beste System gibt, gibt es natürlich auch das schlechteste, und das findet man laut dieser Studie im hohen Norden: Schleswig-Holstein belegt auf diesem Bildungsranking Platz 16 von 16. Waltraud Wende ist Bildungsministerin in Schleswig-Holstein – Frau Wende, haben Sie sich von dem Schock gestern schon erholt?
Waltraud Wende: Ich war gar nicht so schockiert. Man muss ja dann auch fragen, was ist denn überhaupt die Zielsetzung eines solchen Bildungsmonitorings. Für mich ist ein Problem, dass wir in den letzten Jahren eine Rankingsucht haben, dass wir permanent Bildungsvergleiche, Leistungsvergleiche machen, und wir können ja dann mal überlegen, was haben wir von diesen Bildungs- und Leistungsvergleichen.
Götzke: Man könnte natürlich Schlüsse daraus ziehen und sein Bildungssystem verbessern.
Wende: Auch ohne dieses Bildungsmonitoring stand das längst auf meiner Agenda, dass wir sehr viel Hausaufgaben hier in Schleswig-Holstein zu tun haben. Wir wollen im Herbst zu einer Bildungs- und Hochschulkonferenz einladen, wo wir mit den betroffenen Akteuren gemeinsame Konzepte für die Zukunft erarbeiten wollen.
Götzke: Sind Rankings und sind Bildungsvergleiche vielleicht für diejenigen Länder ein Problem, die immer am schlechtesten abschneiden?
Wende: Das natürlich, das ist ein Problem für die, die am schlechtesten abschneiden, weil die können dann nicht sich hinstellen, ha, wir haben wieder gewonnen, aber man muss man fragen, was macht denn das Ranking, was misst das Ranking. Ich finde, jetzt bei dem aktuellen Bildungsmonitor muss man mal hinterfragen, was waren denn die Indikatoren, die man bewertet hat.
Götzke: 110 verschiedene aus allen möglichen Bildungsbereichen.
Wende: Die habe ich mir gestern Abend intensiv angeschaut, und jetzt gucken Sie mal, was zum Beispiel dabei rausgekommen ist. Ich will nicht auf Bremen schimpfen, aber Bremen hat sich super verbessert, ist auf Platz fünf gelandet, weil Bremen sehr viel investiert hat in die Universitäten, mehr, weitaus mehr als wir, und da bin ich ganz neidisch. Aber wenn Sie dann umgekehrt gucken, dass die Risikorate bei Schülern extrem hoch ist in Bremen – die haben 28 Prozent von Risikoschülern, das heißt Schüler, die die Gefahr haben, den Schulabschluss nicht zu schaffen, die in der Lesekompetenz, in der Rechenkompetenz am unteren Level sind. Das geht sozusagen in die Bewertung nicht ein, und trotzdem ist Bremen ganz oben.
Götzke: Man kann sich natürlich immer die Faktoren raussuchen, die für die anderen am schlechtesten sind und diejenigen, die für sich selbst am besten. Bleiben wir vielleicht noch mal bei Schleswig-Holstein, da … Sind Sie noch da?
Wende: Gerne. Ja, ich bin noch da, und wir können umgekehrt jetzt mal bei Schleswig-Holstein gucken. Wir haben in der Tat – das war ja nicht meine Regierung, sondern die Vorgängerregierung – sehr wenig für die Universitäten getan, und da müsste man mehr Geld reintun. Andererseits gebe ich zu bedenken, wir haben eine Schuldenbremse, und wo das Geld fehlt, da muss man halt gucken, man kann’s nicht zweimal ausgeben. Darüber hinaus hat aber Schleswig-Holstein sehr viel getan im Themenfeld Inklusion, was in der Studie überhaupt keine Rolle gespielt hat. Da hat zwar die Rolle gespielt eben soziale Durchlässigkeit, wo wir auch sehr stark punkten, da sind wir nämlich bei Integration auf Platz zwei, aber in der Bewertungsskala hat das keine große Rolle gespielt insgesamt. Und da muss man eben messen, was ist denn jeweils das Ziel einer Studie. Bei dieser Studie war offensichtlich das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft, und im Fokus standen wirtschaftsaffine Themenbereiche, also zum Beispiel Technik und Naturwissenschaften.
Götzke: Völlig klar …
Wende: Zugegebenerweise hier in Schleswig-Holstein sehr schwach, aber wir müssen auch gucken, dass wir in der Medizinforschung, in der maritimen Forschung Spitzenpositionen in der Exzellenzinitiative auch belegt haben.
Götzke: Bleiben wir vielleicht noch mal bei den Schwächen: Besonders schlecht schneidet Schleswig-Holstein bei den Ingenieuren ab, sie bilden besonders wenige aus. Warum bilden Sie am Arbeitsmarkt vorbei aus?
Wende: Wir bilden jetzt nicht gezielt am Arbeitsmarkt vorbei aus, aber Sie können einen Euro nur einmal ausgeben, und wir bilden in den Fachhochschulen sehr viel in dem Bereich aus. Wir haben zum Beispiel im Bereich Energie- und Umweltmanagement – das ist das Thema der Zukunft – in allen Fachhochschulen investiert, da sind neue Professuren installiert worden, da werden neue Studiengänge entwickelt. Das braucht Zeit, aber das wird natürlich auch in den nächsten Jahren dann ziehen. Und wir haben jetzt nicht umsonst in Schleswig-Holstein den ersten Energiewendeminister der Bundesrepublik, und wir werden genau an den Hochschulen parallel da Entwicklungen machen.
Götzke: Jetzt ist es ja so, dass in Schleswig-Holstein – das ist ja auch ein Ergebnis der Studie – sehr viele Abiturienten, Sie haben ja sehr viele, in andere Bundesländer abwandern und nicht an Ihren Unis bleiben. Warum?
Wende: Das müssen Sie jetzt auch mal genauer angucken, müssen Sie mal vergleichen. Also wir haben sicherlich hier keine Metropole. Ich sitze jetzt hier gerade in Kiel, aber im Vergleich zu Hamburg, zu München, zu Köln, zu Berlin ist Kiel keine Metropolenstadt, und Sie können sich überlegen, wie Entscheidungen von Studierenden für Universitäten ausfallen. Meine damalige Entscheidung, als ich Studentin war, da habe ich nicht überlegt, wo ist denn die beste Germanistik, sondern welche Stadt, wo möchte ich hin und wie passt das mit meinen Freunden zusammen. Das sind doch Studienentscheidungen, und die spielen natürlich auch in unserem Land eine Rolle.
Götzke: Aber nicht für jeden.
Wende: Umgekehrt möchte ich jetzt mal sagen, wir haben zwar viele Studierende, die das Land verlassen, wir haben aber in diesem Land – wir bilden mehr Mediziner aus im gemittelten Durchschnitt als alle anderen Bundesländer, und wir sind in der Medizinerausbildung top. War kein Kriterium des Bildungsmonitorings, möchte ich aber trotzdem betonen. Also Sie merken die Relativität von Rankings: Sie können sich immer wieder auch andere Indikatoren nehmen, und dann kriegen Sie andere Ergebnisse.
Götzke: Frau Wende, jetzt gibt es ja ganz viele Rankings – es gibt den Bundesbildungsbericht, den Ländervergleich, das Institut für Qualität in der Bildung, auch da schneidet Schleswig-Holstein nie besonders gut ab.
Wende: Ja, weil zu wenig Geld im Bildungssystem ist. Da kann ich aber jetzt – seit acht Wochen bin ich Bildungsministerin und Wissenschaftsministerin, da können Sie mich nicht in die Verantwortung nehmen. Wir planen für die Zukunft gerade im Bereich Bildung und Wissenschaft, andere Akzente zu setzen und dann neu zu justieren. Ich möchte aber noch etwas anderes, was, glaube ich, in der Resonanz auf den Bildungsbericht bundesweit nicht so stark wahrgenommen ist, und das finde ich ganz wichtig: Der Bildungsmonitoring genauso wie der Bildungsbericht des Bundesbildungsministeriums betonen, dass wir hier in Deutschland überall zu wenig tun für die Förderung derjenigen, die sozial schwach sind, und das sollten wir ganz, ganz ernst nehmen. Da sollten wir wirklich nachbessern, und genau das werden wir hier in Schleswig-Holstein tun. Ich werde alle meine Energien reinsetzen, im Bereich der Grundschule etwas zu tun, meine Kollegin im Sozialministerium wird den Betreuungsbereich im U- und Ü3-Bereich neu aufstellen und optimieren – und da entscheiden sich Bildungskarrieren. Wenn es ums Studium geht, dann ist die Bildungskarriere schon längst entschieden, sondern wir müssen die Stellschrauben viel früher stellen, und da werden wir in den nächsten Jahren was tun. Fragen Sie mich aber nicht bereits in zwölf Monaten, ob wir da schon Resultate erzeugt haben, sondern da muss man einen langen Atem haben, und genau das haben wir vor.
Götzke: Da geht es ja auch um Schüler-Lehrer-Relation, auch da schneidet Schleswig-Holstein nicht besonders gut ab. Wollen Sie mehr Lehrer einstellen, und woher wollen Sie das Geld dazu nehmen?
Wende: Also wir haben jetzt erst mal neu 300 Stellen zurückgegeben, die die alte Regierung gestrichen hatte, das ist ja schon mal ein erstes Zeichen. Darüber hinaus ist es auch zu schlicht, so zu denken, dass man sagt, wenn ich Lehrerstellen ins System gebe, dann wird alles besser, sondern es geht um die Qualität des Unterrichts. Und die Qualität des Unterrichts, da können Sie alle Experten fragen, hat nicht nur was mit Quantität zu tun, sondern mit der Ausbildung von Lehrern. Und genau das ist eines der zentralen Aufgaben, die wir uns in den nächsten Monaten vornehmen werden, sowohl in Kiel wie in Flensburg, wo wir sagen, wir wollen unsere Lehrkräfte anders ausbilden: Lehrer, die mit Heterogenität umgehen können, Lehrer, die Deutsch als Zweitsprache als Standardwissen haben, Lehrer, die Praxiserfahrung bereits im Studium gesammelt haben. Und das sind die Aufgaben, die wir uns jetzt vornehmen, und dann glaube ich auch, da wird sich auch der Unterricht nicht morgen verbessern, aber der wird sich dann verbessern, wenn diese neuen Generationen in die Schulen kommen.
Götzke: Sagt Waltraud Wende, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein. Ihrem Bundesland wurde gestern das schlechteste Bildungssystem Deutschlands attestiert im Bildungsmonitor des Instituts der deutschen Wirtschaft. Vielen Dank für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
in ihrem Bildungsmonitor zum leistungsfähigsten Bildungssystem gekürt – wir haben gestern hier ja darüber berichtet. Wo es das beste System gibt, gibt es natürlich auch das schlechteste, und das findet man laut dieser Studie im hohen Norden: Schleswig-Holstein belegt auf diesem Bildungsranking Platz 16 von 16. Waltraud Wende ist Bildungsministerin in Schleswig-Holstein – Frau Wende, haben Sie sich von dem Schock gestern schon erholt?
Waltraud Wende: Ich war gar nicht so schockiert. Man muss ja dann auch fragen, was ist denn überhaupt die Zielsetzung eines solchen Bildungsmonitorings. Für mich ist ein Problem, dass wir in den letzten Jahren eine Rankingsucht haben, dass wir permanent Bildungsvergleiche, Leistungsvergleiche machen, und wir können ja dann mal überlegen, was haben wir von diesen Bildungs- und Leistungsvergleichen.
Götzke: Man könnte natürlich Schlüsse daraus ziehen und sein Bildungssystem verbessern.
Wende: Auch ohne dieses Bildungsmonitoring stand das längst auf meiner Agenda, dass wir sehr viel Hausaufgaben hier in Schleswig-Holstein zu tun haben. Wir wollen im Herbst zu einer Bildungs- und Hochschulkonferenz einladen, wo wir mit den betroffenen Akteuren gemeinsame Konzepte für die Zukunft erarbeiten wollen.
Götzke: Sind Rankings und sind Bildungsvergleiche vielleicht für diejenigen Länder ein Problem, die immer am schlechtesten abschneiden?
Wende: Das natürlich, das ist ein Problem für die, die am schlechtesten abschneiden, weil die können dann nicht sich hinstellen, ha, wir haben wieder gewonnen, aber man muss man fragen, was macht denn das Ranking, was misst das Ranking. Ich finde, jetzt bei dem aktuellen Bildungsmonitor muss man mal hinterfragen, was waren denn die Indikatoren, die man bewertet hat.
Götzke: 110 verschiedene aus allen möglichen Bildungsbereichen.
Wende: Die habe ich mir gestern Abend intensiv angeschaut, und jetzt gucken Sie mal, was zum Beispiel dabei rausgekommen ist. Ich will nicht auf Bremen schimpfen, aber Bremen hat sich super verbessert, ist auf Platz fünf gelandet, weil Bremen sehr viel investiert hat in die Universitäten, mehr, weitaus mehr als wir, und da bin ich ganz neidisch. Aber wenn Sie dann umgekehrt gucken, dass die Risikorate bei Schülern extrem hoch ist in Bremen – die haben 28 Prozent von Risikoschülern, das heißt Schüler, die die Gefahr haben, den Schulabschluss nicht zu schaffen, die in der Lesekompetenz, in der Rechenkompetenz am unteren Level sind. Das geht sozusagen in die Bewertung nicht ein, und trotzdem ist Bremen ganz oben.
Götzke: Man kann sich natürlich immer die Faktoren raussuchen, die für die anderen am schlechtesten sind und diejenigen, die für sich selbst am besten. Bleiben wir vielleicht noch mal bei Schleswig-Holstein, da … Sind Sie noch da?
Wende: Gerne. Ja, ich bin noch da, und wir können umgekehrt jetzt mal bei Schleswig-Holstein gucken. Wir haben in der Tat – das war ja nicht meine Regierung, sondern die Vorgängerregierung – sehr wenig für die Universitäten getan, und da müsste man mehr Geld reintun. Andererseits gebe ich zu bedenken, wir haben eine Schuldenbremse, und wo das Geld fehlt, da muss man halt gucken, man kann’s nicht zweimal ausgeben. Darüber hinaus hat aber Schleswig-Holstein sehr viel getan im Themenfeld Inklusion, was in der Studie überhaupt keine Rolle gespielt hat. Da hat zwar die Rolle gespielt eben soziale Durchlässigkeit, wo wir auch sehr stark punkten, da sind wir nämlich bei Integration auf Platz zwei, aber in der Bewertungsskala hat das keine große Rolle gespielt insgesamt. Und da muss man eben messen, was ist denn jeweils das Ziel einer Studie. Bei dieser Studie war offensichtlich das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft, und im Fokus standen wirtschaftsaffine Themenbereiche, also zum Beispiel Technik und Naturwissenschaften.
Götzke: Völlig klar …
Wende: Zugegebenerweise hier in Schleswig-Holstein sehr schwach, aber wir müssen auch gucken, dass wir in der Medizinforschung, in der maritimen Forschung Spitzenpositionen in der Exzellenzinitiative auch belegt haben.
Götzke: Bleiben wir vielleicht noch mal bei den Schwächen: Besonders schlecht schneidet Schleswig-Holstein bei den Ingenieuren ab, sie bilden besonders wenige aus. Warum bilden Sie am Arbeitsmarkt vorbei aus?
Wende: Wir bilden jetzt nicht gezielt am Arbeitsmarkt vorbei aus, aber Sie können einen Euro nur einmal ausgeben, und wir bilden in den Fachhochschulen sehr viel in dem Bereich aus. Wir haben zum Beispiel im Bereich Energie- und Umweltmanagement – das ist das Thema der Zukunft – in allen Fachhochschulen investiert, da sind neue Professuren installiert worden, da werden neue Studiengänge entwickelt. Das braucht Zeit, aber das wird natürlich auch in den nächsten Jahren dann ziehen. Und wir haben jetzt nicht umsonst in Schleswig-Holstein den ersten Energiewendeminister der Bundesrepublik, und wir werden genau an den Hochschulen parallel da Entwicklungen machen.
Götzke: Jetzt ist es ja so, dass in Schleswig-Holstein – das ist ja auch ein Ergebnis der Studie – sehr viele Abiturienten, Sie haben ja sehr viele, in andere Bundesländer abwandern und nicht an Ihren Unis bleiben. Warum?
Wende: Das müssen Sie jetzt auch mal genauer angucken, müssen Sie mal vergleichen. Also wir haben sicherlich hier keine Metropole. Ich sitze jetzt hier gerade in Kiel, aber im Vergleich zu Hamburg, zu München, zu Köln, zu Berlin ist Kiel keine Metropolenstadt, und Sie können sich überlegen, wie Entscheidungen von Studierenden für Universitäten ausfallen. Meine damalige Entscheidung, als ich Studentin war, da habe ich nicht überlegt, wo ist denn die beste Germanistik, sondern welche Stadt, wo möchte ich hin und wie passt das mit meinen Freunden zusammen. Das sind doch Studienentscheidungen, und die spielen natürlich auch in unserem Land eine Rolle.
Götzke: Aber nicht für jeden.
Wende: Umgekehrt möchte ich jetzt mal sagen, wir haben zwar viele Studierende, die das Land verlassen, wir haben aber in diesem Land – wir bilden mehr Mediziner aus im gemittelten Durchschnitt als alle anderen Bundesländer, und wir sind in der Medizinerausbildung top. War kein Kriterium des Bildungsmonitorings, möchte ich aber trotzdem betonen. Also Sie merken die Relativität von Rankings: Sie können sich immer wieder auch andere Indikatoren nehmen, und dann kriegen Sie andere Ergebnisse.
Götzke: Frau Wende, jetzt gibt es ja ganz viele Rankings – es gibt den Bundesbildungsbericht, den Ländervergleich, das Institut für Qualität in der Bildung, auch da schneidet Schleswig-Holstein nie besonders gut ab.
Wende: Ja, weil zu wenig Geld im Bildungssystem ist. Da kann ich aber jetzt – seit acht Wochen bin ich Bildungsministerin und Wissenschaftsministerin, da können Sie mich nicht in die Verantwortung nehmen. Wir planen für die Zukunft gerade im Bereich Bildung und Wissenschaft, andere Akzente zu setzen und dann neu zu justieren. Ich möchte aber noch etwas anderes, was, glaube ich, in der Resonanz auf den Bildungsbericht bundesweit nicht so stark wahrgenommen ist, und das finde ich ganz wichtig: Der Bildungsmonitoring genauso wie der Bildungsbericht des Bundesbildungsministeriums betonen, dass wir hier in Deutschland überall zu wenig tun für die Förderung derjenigen, die sozial schwach sind, und das sollten wir ganz, ganz ernst nehmen. Da sollten wir wirklich nachbessern, und genau das werden wir hier in Schleswig-Holstein tun. Ich werde alle meine Energien reinsetzen, im Bereich der Grundschule etwas zu tun, meine Kollegin im Sozialministerium wird den Betreuungsbereich im U- und Ü3-Bereich neu aufstellen und optimieren – und da entscheiden sich Bildungskarrieren. Wenn es ums Studium geht, dann ist die Bildungskarriere schon längst entschieden, sondern wir müssen die Stellschrauben viel früher stellen, und da werden wir in den nächsten Jahren was tun. Fragen Sie mich aber nicht bereits in zwölf Monaten, ob wir da schon Resultate erzeugt haben, sondern da muss man einen langen Atem haben, und genau das haben wir vor.
Götzke: Da geht es ja auch um Schüler-Lehrer-Relation, auch da schneidet Schleswig-Holstein nicht besonders gut ab. Wollen Sie mehr Lehrer einstellen, und woher wollen Sie das Geld dazu nehmen?
Wende: Also wir haben jetzt erst mal neu 300 Stellen zurückgegeben, die die alte Regierung gestrichen hatte, das ist ja schon mal ein erstes Zeichen. Darüber hinaus ist es auch zu schlicht, so zu denken, dass man sagt, wenn ich Lehrerstellen ins System gebe, dann wird alles besser, sondern es geht um die Qualität des Unterrichts. Und die Qualität des Unterrichts, da können Sie alle Experten fragen, hat nicht nur was mit Quantität zu tun, sondern mit der Ausbildung von Lehrern. Und genau das ist eines der zentralen Aufgaben, die wir uns in den nächsten Monaten vornehmen werden, sowohl in Kiel wie in Flensburg, wo wir sagen, wir wollen unsere Lehrkräfte anders ausbilden: Lehrer, die mit Heterogenität umgehen können, Lehrer, die Deutsch als Zweitsprache als Standardwissen haben, Lehrer, die Praxiserfahrung bereits im Studium gesammelt haben. Und das sind die Aufgaben, die wir uns jetzt vornehmen, und dann glaube ich auch, da wird sich auch der Unterricht nicht morgen verbessern, aber der wird sich dann verbessern, wenn diese neuen Generationen in die Schulen kommen.
Götzke: Sagt Waltraud Wende, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein. Ihrem Bundesland wurde gestern das schlechteste Bildungssystem Deutschlands attestiert im Bildungsmonitor des Instituts der deutschen Wirtschaft. Vielen Dank für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.