Jasper Barenberg: Herr Ministerpräsident, eine Woche harter politischer Auseinandersetzungen liegt hinter Ihnen. Sie haben angestrebt, die Koalition mit der SPD zu beenden und in Kiel vorzeitige Neuwahlen durchzusetzen - Neuwahlen am 27. September, also am gleichen Tag wie die Bundestagswahl. Sie sind ans Ziel gelangt in dieser Woche, wie zufrieden sind Sie?
Peter Harry Carstensen: Ich bin zufrieden, dass wir jetzt wieder klare Verhältnisse bekommen. Und wir brauchen auch diese klaren Verhältnisse, wir brauchen eine handlungsfähige Regierung, die brauchen wir dringend, weil wir in eine Situation kommen, die schwieriger wird für Schleswig-Holstein.
Wir haben eine Wirtschaftskrise, wir merken das. Wir haben steigende Arbeitslosenzahlen. Wir haben schwierige Situationen bei unseren Werften, die natürlich vom Schiffbau abhängig sind und vor allen Dingen auch von der internationalen Wirtschaft abhängig sind. Und wir kriegen - und das ist ja das Dramatische - natürlich zeitverzögert zur Wirtschaftskrise auch dramatisch einbrechende Steuereinnahmen. Und wer das bei einem kleinen Haushalt, wie Schleswig-Holstein ihn hat, sich vorstellt, was das für Konsequenzen hat, der weiß, dass es auch zu schwierigen Entscheidungen kommt, auch zu schmerzlichen Entscheidungen kommt. Und dazu braucht man eine Regierung, wo die Koalitionspartner zueinanderstehen, Entscheidungen miteinander treffen, aber nicht nur das, sondern auch später und nachher und nach draußen und nach innen diese Entscheidungen mittragen. Und deswegen brauchen wir eine handlungsfähige Regierung.
Barenberg: Lassen Sie uns noch mal zurückschauen auf den Verlauf der vergangenen Tage. Zunächst einmal der Auslöser - aus Ihrer Sicht ja die Erklärung von Ralf Stegner, dem SPD Landes- und Fraktionsvorsitzenden, der klargestellt hat: Die Bonuszahlung an den Chef der HSH Nordbank - die SPD habe dem nicht zugestimmt.
Inzwischen ist auch klar, diese Aussage ist richtig, die SPD hat formal nicht zugestimmt, während Sie Ihre Aussage korrigieren mussten, denn tatsächlich waren die Regierungsfraktionen und deren Spitzen ja in diese Entscheidung nicht eingebunden. Entpuppt sich damit nicht der Anlass, die Koalition in Schleswig-Holstein platzen zu lassen, als reiner Vorwand?
Carstensen: Nein, dieses ist ein Punkt gewesen. Es hat viele verschiedene Punkte gegeben. Und ich widerspreche Ihnen auch. Die SPD, in Person von Lothar Hay, der als SPD-Vertreter, nicht als Innenminister, sondern als SPD-Vertreter im Aufsichtsrat sitzt, hat zugestimmt.
Es hat eine Zeit lang vor der Koalitionsrunde - über eine Woche vor der Koalitionsrunde - ein Gespräch gegeben zwischen dem Finanzminister, zwischen Rainer Wiegard und Lothar Hay, wo über die Zahlung gesprochen worden ist, und Lothar Hay - und so können Sie in seiner Erklärung, die er ja abgegeben hat, es auch ganz deutlich vernehmen - hat dem zugestimmt, einfach und ordentlich und ausdrücklich zugestimmt.
Es war besprochen, dass dieses in die Gremien der SPD gegeben wird, davon bin ich auch ausgegangen. Und ich habe in der Woche nicht ein einziges Signal von der SPD bekommen, dass dem widersprochen wird. Insofern musste ich davon ausgehen - wie soll ich sonst anders handeln -, ich musste davon ausgehen, dass die SPD dieses so akzeptiert. Und wir haben dann am 30. - vor der Unterzeichnung des Vertrages mit Herrn Nonnenmacher - auch noch mal darüber gesprochen in unserer sogenannten "Kleinen Koalitionsrunde", und auch da hat es kein Votum von Seiten der SPD gegeben. Und insofern bin ich davon ausgegangen, dass hier eine Zustimmung von Seiten der SPD auch gewesen ist, sie ist in Form von Lothar Hay - in Person von Lothar Hay - dort auch gewesen.
Ich hätte dieses anders formulieren sollen, das hatte ich auch eingeräumt. Ich hätte das genauer formulieren können, formulieren sollen, formulieren müssen. Das habe ich eingeräumt. Aber ich habe in einer Phase dieses Briefes und nirgends die Absicht gehabt, jemand zu täuschen. Deswegen lasse ich mir nicht unterstellen, dass ich dort gelogen habe.
Barenberg: Aber wenn beide Seiten Fehler gemacht haben, ist der Anlass damit nicht ein nichtiger, im Grunde genommen?
Carstensen: Aber es gab ja viele verschiedene Anlässe, man mag doch bitte mal eine Woche oder 14 Tage zurückgehen. Da haben wir eine Koalitionsverhandlung gehabt, und jeder weiß, in welcher wirtschaftlichen Lage wir sind. Jeder weiß, dass wir den Beschluss in der Föderalismuskommission II zur Schuldenbremse gehabt haben. Wir haben eine Entscheidung und eine Veränderung im Grundgesetz, dass wir 2020 keine Schulden mehr machen dürfen.
Jeder weiß das, für jeden ist das klar, und jeder kennt unseren Haushalt. Jeder weiß, dass wir die strukturelle Verschuldung abbauen müssen, die strukturellen Defizite abbauen müssen in unserem Land. Dieses war Ziel in den Koalitionsgesprächen. In diesen Punkten hat es nicht einen einzigen Vorschlag von Seiten der SPD gegeben.
Barenberg: Aber noch an dem Tag ...
Carstensen: Moment.
Barenberg: Herr Carstensen, Entschuldigung, noch an dem Tag, an dem Sie die Koalition haben platzen lassen, wurden weitreichende Sparbeschlüsse von beiden mitgetragen.
Carstensen: Da sind nicht weitreichende Sparbeschlüsse gefasst worden, sondern wir haben einen Nachtragshaushalt gemacht, wo wir die Netto-Neuverschuldung wesentlich erhöht haben. Die Sparbeschlüsse sollten vorgelegt werden, die Sparbeschlüsse sollten im Kabinett von den einzelnen Ressorts vorgelegt werden bis zum 3. Juli, und es kam von den Häusern kein substanzieller Vorschlag, der dort gewesen ist.
Auch da habe ich noch mal wieder gesagt, wir müssen noch eine Verlängerung haben. Und ich bin nun wirklich derjenige - und ich glaube, das ist unbestritten - in der Koalition, aber auch in Schleswig-Holstein, dass ich derjenige gewesen bin, der an dieser Koalition ausgesprochen lange festgehalten hat und wirklich dort nicht irgendwo taktiert hat und nicht irgendwo sehr leichtfertig diese Koalition aufs Spiel gesetzt hat.
Barenberg: Sie haben von der Notwendigkeit gesprochen, eine handlungsfähige Regierung in Schleswig-Holstein zu haben. Keiner wird dem widersprechen. Sie haben aber eine klare parlamentarische Mehrheit gehabt für Ihre Regierung. Warum also der Bruch der Koalition? Ich habe den Grund immer noch nicht verstanden.
Carstensen: Ja, der Grund ist derjenige, dass ich nicht sicher sein konnte, dass ich diese parlamentarische Mehrheit weiterhin habe. Aufgrund dieser nicht mehr vorhandenen Verantwortungsgemeinschaft war es notwendig, hier zu einer anderen Situation zu kommen.
Barenberg: Inwieweit ging und geht es doch um einen auch persönlichen Konflikt zwischen Ihnen und Ralf Stegner?
Carstensen: Also das wird immer so schön gesagt. Das mag vielleicht so ein bisschen vordergründig sich so anhören - sondern Carstensen und Stegner sind im Grunde genommen völlig egal. Hier geht es um das Land. Und jeder weiß, dass ich auch im Kabinett sehr ordentlich habe arbeiten können. Übrigens: Die Arbeit im Kabinett ist einfacher, ist konkreter, ist substanzieller, ist verantwortungsvoller geworden, nachdem Ralf Stegner nicht mehr im Kabinett war.
Aber ich habe auch gesagt: Ich habe auch keine Lust mehr, nur über Ralf Stegner zu reden. Wenn immer dieselben Fragen zur Person gestellt werden, dann kann man natürlich den Eindruck haben, dass es nur um die Person geht. Nein, es geht auch nicht nur um die Person, sondern es geht auch um die Inhalte. Auf der einen Seite diejenigen, die sagen, wir müssen unseren Haushalt in Ordnung bringen können, und auf der anderen Seite, die sagen: Wir wollen drei beitragsfreie Kindergartenjahre haben.
Das heißt also ausgeben, ohne dass wir das Geld haben. Das kann es mit uns nicht geben, und das sind die wirklich sachlichen Unterschiede, die zwischen SPD und CDU dort sind. Wir wollen eine ordentliche Konsolidierung unseres Haushaltes haben, wir wollen uns konzentrieren auch in der Arbeit auf Arbeitsplätze, wir wollen uns auf Bildung konzentrieren, wir wollen uns dafür starkmachen, dass wir Voraussetzungen schaffen, damit wir eben Arbeitsplätze in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bekommen, dass wir Schleswig-Holstein weiter voranbringen, dass wir den Bau von Straßen dort auch voranbringen, die Infrastruktur verbessern, was die Fragen des Internets, der Breitbandversorgung, aber auch des Straßenverkehrs betrifft.
Barenberg: Alles sehr lohnenswerte Ziele, die SPD will all das nicht, oder was ist der Punkt?
Carstensen: Nein, das will sie sicherlich, das kann ich mir nicht vorstellen. Dass sie dort bei einigen Punkten, was den Straßenbau angeht, in einer anderen Regierung eine andere Politik gefahren hat, das mag vielleicht an anderen Koalitionspartnern gelegen haben. Das will ich gar nicht dort sehen. Aber das sind die sachlichen Themen, die im Vordergrund stehen. Aber Sie haben gefragt, ob es immer nur darum geht, ob es um die Personen geht. Nein, es geht nicht um die Personen.
Barenberg: Ich habe auch deswegen gefragt, Herr Ministerpräsident, weil: Wenn man es jetzt umdreht, wäre ja die Frage, wenn es nicht um Personen geht, warum schließen Sie dann jetzt schon aus, mit Ralf Stegner je wieder zusammen zu regieren? Wenn es nicht um Personen geht, sondern um Programme, um Parteien, müssten Sie einverstanden sein, wer auch immer an der Spitze der SPD steht.
Carstensen: Ja, das ist die Frage, ob ich dann mich noch darauf verlassen kann, dass auch der Koalitionspartner die Beschlüsse mitträgt. Denn wir haben ja in vielen Bereichen der SPD und im Kabinett gar nicht die Probleme gehabt. Da haben wir sehr viel Verantwortung gezeigt. Ich habe sehr viel Herzblut in dieses Kabinett hineingelegt. Aber wir haben immer die Störversuche und die Störungen gehabt von einer Person, und diese Person ist nun mal der Landesvorsitzende der SPD und ist nun mal der Fraktionsvorsitzende der SPD.
Barenberg: Herr Carstensen, Sie haben, um ans Ziel zu kommen, die Vertrauensfrage lange ausgeschlossen und als Trickserei bezeichnet und dann doch angewandt. Warum?
Carstensen: Ich habe einen anderen Weg gesucht. Ich habe einen anderen Weg beschritten. Die Landesverfassung in Schleswig-Holstein sieht seit 1990 - übrigens durch die SPD eingebracht - vor, dass der Landtag sich auflösen kann durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit, dass der Landtag den Weg freimachen kann zu Neuwahlen.
Wir haben festgestellt, dass alle die Neuwahlen wollten. Die SPD wollte die Neuwahl, das hat Herr Stegner gesagt. Wir wollten die Neuwahl, das haben wir deutlich gemacht. Die FDP hat das schon lange deutlich gemacht, die Grünen haben das schon lange deutlich gemacht und der SSW auch. Und deswegen habe ich den Antrag gestellt auf Auflösung des Parlaments und wollte davon ausgehen, dass jeder, der dann auch die Neuwahl will, dem auch zustimmt. Das hat die SPD nicht gemacht, sondern Ralf Stegner hat fast wörtlich in seinem Debattenbeitrag gesagt: Nein, wir wollen den Minister zu dem nächsten Schritt zwingen. Und wir wollen auch dafür sorgen, dass es dann einen weiteren Kratzer an der Fassade des Ministerpräsidenten gibt.
Dieses ist das Ziel gewesen. Ich bin gezwungen worden in diese Situation, weil da schon außerordentlich deutlich war, dass man nicht mehr zusammen regieren kann.
Barenberg: Sie sind gezwungen worden zu tricksen, mit anderen Worten?
Carstensen: Ich bin nicht gezwungen worden zu tricksen, sondern ich empfinde die Vertrauensfrage schon gar nicht mehr als eine fingierte, sondern dieses war eine Vertrauensfrage, die dann auch nicht mehr gegeben werden konnte.
Barenberg: Gut, aber Herr Wadephul, Ihr Fraktionsvorsitzender, hat sich hundertprozentig hinter Sie gestellt im Landtag, und dann haben die Abgeordneten der CDU mit einer Ausnahme sich doch enthalten.
Carstensen: Ja, das ist auch bei einer solchen Geschichte sicherlich auch üblich, denn hier wird ja nicht nur der Ministerpräsident zum Vertrauen gestellt, sondern es wird die ganze Regierung zum Vertrauen gestellt. Und dass sich dann eine Fraktion enthält, ist sicherlich nichts Ungewöhnliches. Ich empfinde das nicht als ungewöhnlich.
Barenberg: Wenn man das noch mal zum Schluss jetzt Revue passieren lässt - also der Bruch der Koalition, die Erklärung der CDU dazu, die gescheiterte Selbstauflösung des Parlamentes und schließlich die Vertrauensfrage. Und wenn man noch hinzunimmt, die Entlassung der SPD-Minister, deren Form und Art und Weise bei vielen Empörung und Entsetzen ausgelöst hat.
Carstensen: Also, über die Form wissen viele nicht Bescheid. Es hat eine Einladung gegeben durch den Chef der Staatskanzlei.
Barenberg: Aber eben nicht durch den Ministerpräsidenten persönlich.
Carstensen: Also, der Chef der Staatskanzlei ist nun schon nicht der Ministerpräsident, aber ist schon derjenige, der die Vertretung des Ministerpräsidenten dort übernimmt. Und die Aufgabe war, dort eine ehrenvolle und würdige Verabschiedung vorzubereiten. Dieses ist vorbereitet gewesen. Das ist anders angekommen. Das bedaure ich. Ich habe mein Bedauern zum Ausdruck gegeben, auch in der Parlamentssitzung; und ich bedaure das sehr, weil ich eben meine Ministerkollegen und Ministerinnenkollegen außerordentlich geschätzt habe und immer noch schätze, persönlich wie fachlich. Und sie hätten und haben eine würdige Verabschiedung auch verdient. Das ist nicht nur meine Schuld gewesen.
Barenberg: Bei manchen ist ja insgesamt betrachtet der Eindruck entstanden, dass es doch Anzeichen dafür gibt, dass Sie die Koalition von langer Hand haben auflösen wollen, dass Sie im Windschatten guter Umfrageergebnisse lieber mit der FDP regieren wollen, als mit der unbequemen SPD.
Haben Sie nach den Ereignissen der letzten Tage, bei denen ja auch manche kritische Frage an Sie gestellt wird, haben Sie nach diesen Ereignissen Verständnis für diese Einschätzung?
Carstensen: Ich habe Verständnis, dass diese Fragen gestellt werden, selbstverständlich. Aber ich bitte auch Verständnis dafür zu haben, dass ich offen und ehrlich sage, dass ich hier nicht getrickst habe, nicht taktiert habe, sondern dieses sich ergeben hat. Es gibt auch andere Fragen: Warum hast du die Koalition nicht viel früher gelöst? Warum bist du nicht viel früher da rausgegangen?
Man kann mir doch nicht zum Vorwurf machen, dass ich manchmal sogar der Einzige war, der den Bestand der Koalition verlängert hat und gesagt hat: Nein, wir haben hier einen Auftrag, diesen Auftrag haben wir zu erfüllen.
Barenberg: Es ist ja nur auffällig, Herr Ministerpräsident, dass es zu einem Zeitpunkt erfolgte, der der letzte, buchstäblich der letztmögliche ist, um noch zum 27. September Wahlen durchzuführen.
Carstensen: Nein, das ist auch nicht richtig. Wir hätten das auch später machen können. Und ich habe kurz vorher auch noch mal gesagt, wir sollten uns mal lösen von diesem 27. September. Auch dieses ist veröffentlicht worden, meine Äußerung. Wir können auch Ende September, wir können auch am 23. Dezember noch wählen. Und insofern kann ich hier nur noch mal versichern, dass es überhaupt nicht von langer Hand geplant worden ist und ich derjenige gewesen bin, der nur wirklich immer dafür gesorgt hat, dass die Koalition weiter läuft und weiter laufen kann, persönliche Angriffe ausgehalten hat, sie weggesteckt hat, ein Stänkern weggesteckt hat, was manchmal nicht mehr zu ertragen war.
Das weiß auch jeder in Schleswig-Holstein, das weiß auch jeder in der Koalition. Und Frau Erdsiek-Rave hat mir nach den Koalitionsgesprächen und den Koalitionsverhandlungen sogar noch mal gesagt - ich habe ja mal rüber geguckt zu ihrer Gruppe: "Sie waren offensichtlich der Einzige, der diese Koalition fortsetzen wollte." Also, mehr kann ich wirklich nicht dazu sagen und mehr versichern, dass ich dort nicht taktiert habe.
Mehr kann ich dort nicht tun und will das auch nicht. Denn dass es hier wirklich nun ein Anfüllen eines Fasses gegeben hat und dass natürlich irgendwann auch es Tropfen gibt, die das Fass zum überlaufen bringen, das, glaube ich, hat jeder verstanden. Und es gibt mehr die Frage, warum hast du das nicht früher gemacht?
Barenberg: Das Interview der Woche im Deutschlandfunk mit dem Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein.
Herr Carstensen, es wird ein kurzer, ein mutmaßlich heftiger Wahlkampf werden bis zum 27. September. Wenn man zurückblickt auf die letzten Ereignisse, kann man jetzt schon sagen, dass diese Auseinandersetzung zwischen CDU und SPD vergiftet ist, noch bevor der heiße Wahlkampf eigentlich richtig angefangen hat?
Carstensen: Also, das muss nicht sein. Ich habe gestern der SPD auch die Hand gereicht und habe gesagt, wir müssen keinen schmutzigen Wahlkampf machen. Ich will auch keinen schmutzigen Wahlkampf haben. Ich glaube, das Gezänk der letzten Woche war genug. Und die Leute wollen dass auch nicht mehr hören.
Barenberg: Glauben Sie ernsthaft, dass die SPD alles, was Sie ihr vorwerfen, was man sich gegenseitig vorwirft, jetzt auf sich beruhen lässt?
Carstensen: Ich darf mal sagen, ich habe der SPD nicht viel vorgeworfen. Die Vorwürfe sind häufig von der anderen Seite gekommen.
Barenberg: Verrat?
Carstensen: Dass dort jemand hinter unserem Rücken nach den Beschlüssen sich verabschiedet von den Beschlüssen, darf man das nicht mehr benennen? Darf man das nicht mehr sagen, dass dieses ein Herausstehlen aus einer Verantwortung ist? Von Verrat haben Sie bei mir nichts gehört. Dieses Wort werden Sie bei mir nicht gefunden haben.
Aber dass wir eine Koalition brauchen, in der wir auch eine Verantwortungsgemeinschaft haben, das, glaube ich, ist wohl notwendig. Das gehört auch wohl zum Stil des Zusammenarbeitens. Und dieses hat es sicherlich in manchen Bereichen nicht gegeben, dass jeder die Verantwortung gleichermaßen getragen hat. Wir haben die Verantwortung dort getragen. Die Beschlüsse haben wir gemeinsam gemacht. Aber die Bewertung der Beschlüsse, die ist manchmal von Seiten der SPD oder von Herrn Stegner unterschiedlich gemacht worden.
Und insofern, ich reiche die Hand, ich möchte gerne einen sachlichen Wahlkampf haben. Wir haben viel zu viele Probleme in Schleswig-Holstein, die aufzuarbeiten sind, als dass wir uns das noch weiter mit persönlichen Angriffen dort um die Ohren schlagen können und müssen, sondern hier geht es wirklich darum, dass wir eine vernünftige Art der Auseinandersetzung bekommen, dass wir die Themen in den Mittelpunkt stellen und vor allen Dingen die Lösung der Fragen, die wir in Schleswig-Holstein haben, in den Mittelpunkt stellen. Dazu bin ich gerne bereit. Ich bin auch gerne bereit, einen polarisierenden Wahlkampf zu machen, ohne Probleme.
Barenberg: Wird das auch Auswirkungen haben auf den Bundestagswahlkampf, bevor wir über die Themen sprechen. Denn wenn jemand wie Ralf Stegner ankündigt, er wird einen polarisierenden Wahlkampf führen, und das hat er getan, kann man dann damit rechnen, dass das auch auf der Berliner Bühne zu einer Verschärfung des Klimas führt?
Carstensen: Ja, das weiß ich nicht, ob die Berliner Bühne sich davon beeinflussen lässt. Aber wenn ein polarisierter Wahlkampf das Ziel in Schleswig-Holstein sein soll, dann sei es drum. Gerne, wenn polarisiert heißt, die eine Seite will mit den Linken zusammenarbeiten und die andere nicht, dann will ich das gerne akzeptieren. Dann muss man das aber auch ganz deutlich mit benennen. Dann muss man sagen, ob man die Haushaltskonsolidierung so will - oder ob man weiterhin sagt, dass das Land stranguliert wird durch die Schuldenbremse.
Ich sage mal, das Land wird stranguliert durch mehr Schulden machen. Und da haben wir die großen Unterschiede, die dort sind. Der eine will, ich sage es noch mal, drei Kindergartenjahre, die nicht zu bezahlen sind, die freizustellen, die Kosten freistellen, würde ich auch gerne machen. Ich wünsche mir, mal mit dem Füllhorn durch das Land laufen zu können. Aber ich habe auch Schulden übernommen. Und einer, der nun auch als Finanzminister verantwortlich für die Haushaltslage des Landes gewesen ist, ist Ralf Stegner gewesen. Und ich erinnere mich immer noch an den Haushalt, der 2005 für uns die Ausgangslage war: 550 Millionen netto Neuverschuldung, das heißt, Defizit bei Steuereinnahmen von 5,2 Milliarden.
Irgendeine Zeitung hat gesagt, als wir dann in die Kasse geguckt haben, hätten wir ein Defizit von 940 Millionen gefunden. Nein, die haben wir zusätzlich noch gefunden, so dass wir dann mit Kosten an die Kommunen, die noch dazu kamen - schlechte Steuerschätzung - im ersten Jahr bei 1,7 Milliarden netto Neuverschuldung lagen. Und wir haben das reduziert. Wir haben seit Jahren das erste Mal wieder verfassungsgemäße Haushalte verabschieden können. Wir haben seit Jahren das erste Mal wieder Haushaltsvollzug verfassungsgemäß machen können. Wir haben seit Jahren das erste Mal wieder gehabt, dass der Haushaltsvollzug besser war als die Haushaltsplanung, das heißt also, weniger Geld ausgegeben war.
Und ich finde, das ist der Weg, den wir weiter gehen müssen. Und insofern: keine Angst vor einem polarisierenden Wahlkampf. Dann werden wir deutlich machen, was die eine Seite will, und wir werden deutlich machen, was wir wollen. Wir werden wegen der Unterschiede gewählt, nicht wegen der Gemeinsamkeiten.
Barenberg: Und Sie segeln in diesem Wahlkampf im Schatten der Bundeskanzlerin und im Schatten guter Umfragewerte für die CDU. Heißt das im Umkehrschluss, Sie trauen sich ...
Carstensen: Darf ich mal darauf hinweisen, dass die Umfragewerte auch in Schleswig-Holstein gut sind für die CDU? Also, es ist ja nun nicht so, dass es nur Umfragewerte des Bundes dort sind. Und die Umfragewerte die ganzen Jahre wesentlich besser gewesen sind als die der SPD.
Da kann man doch nicht sagen, jetzt haben sie gerade mal jetzt einen Termin dort gefunden. Nein, die Umfragewerte sind vier Jahre lang besser gewesen als die der SPD. Wir lagen immer zwischen 37 und 40 Prozent ohne große Schwankungen bei uns. Und die SPD ist weggesackt auf unter 30, auch in Schleswig-Holstein. Nicht erst jetzt, schon vor einem Jahr, vor anderthalb Jahren. Und sie wäre das sicherlich auch im nächsten Jahr gewesen.
Barenberg: Welche Möglichkeiten wird es geben, wie viel Wert werden sie darauf legen, alle Fragen rund um die angeschlagene HSH Nordbank, die gemeinsame Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein, aufzuarbeiten, auch in diesem Wahlkampf?
Carstensen: Ich habe deutlich gemacht, dass ich mich freue, dass gesagt worden ist, der Untersuchungsausschuss wird auch in der nächsten Legislaturperiode weiterlaufen. Und wenn dieser Antrag nicht gestellt wird, wird er von der CDU gestellt. Wir wollen Aufklärung. Ich will die Aufklärung haben. Und was wir jetzt an Aufklärung geben können, auch in diesen Wochen, der Untersuchungsausschuss wird ja länger laufen, aber was wir in diesen Wochen an Aufklärung dort geben können, werden wir tun. Und ich bin im Gespräch mit der HSH Nordbank. Ich lasse mich laufend informieren, ob man dort im Plan ist mit den Ergebnissen, ob die Ergebnisse im Plan des Jahres laufen. Und ich höre, ich habe gerade vorgestern noch mal wieder mit dem Vorstandsvorsitzenden telefoniert, ich höre, dass die Ergebnisse besser sind als der Plan:
Barenberg: Haben Sie ihn bei der Gelegenheit aufgefordert, auf die Sonderbonuszahlung von 2,9 Millionen Euro zu verzichten?
Carstensen: Ich habe ihm gesagt, er möge bitte überlegen, ob es dort nicht eine andere Regelung gibt und dort auch verzichten, oder dieses in der Zukunft abhängig zu machen von den Ergebnissen der HSH Nordbank. Ja, das habe ich gemacht.
Barenberg: Sie stellen anheim, aber Sie verlangen es nicht?
Carstensen: Ich kann es nicht verlangen, weil er dort einen vertraglichen Anspruch darauf hat. Und ich kann es moralisch verlangen, und das habe ich getan. Und er weiß auch - so habe ich das ja auch in meiner Rede gesagt -, dass es einen vertraglichen Anspruch gibt, aber eine moralische Rechtfertigung für diese Zahlung gibt es im Moment nicht.
Barenberg: Trägt denn nicht auch ihr Finanzminister Verantwortung für die schwierige Lage der HSH Nordbank? Schließlicht sitzt er im Führungsgremium.
Carstensen: Der Finanzminister trägt immer Verantwortung für diese Lage, ob er dort im Aufsichtsrat sitzt oder nicht. Die Verantwortung hat der Finanzminister. Aber die Frage ist, ob er sie verschuldet hat und ob er Fehler gemacht hat bei der Krisenbewältigung. Und dieses hat der Untersuchungsausschuss zu klären. Es gibt eine staatsanwaltliche Untersuchung, die dort ist. Aber das sind die Fragen, ob die Feuerwehr richtig gearbeitet hat.
Wir müssen uns auch den Fragen zuwenden, wie denn der Brand entstanden ist, ob das Haus richtig gebaut worden ist, ob es dort Kurzschlüsse gegeben hat, die vorauszusehen gewesen sind. Und ich nenne mal die Gewährträgerhaftung. Das heißt also die Haftung, die die öffentliche Hand für Maßnahmen und Geschäfte dort hat. Die Gewährträgerhaftung ist Mitte 2005 ausgelaufen. Die war vorher dort. Und da sind andere in der Verantwortung gewesen.
Wir haben aber heute noch für 60 Milliarden Geschäfte, die dort mit 60 Milliarden in der Haftung des Gewährträgers stehen. Dafür sind wir nicht verantwortlich. Es geht also auf der einen Seite darum, ist das Krisenmanagement in Ordnung gewesen. Da sind sicherlich manchmal Fehler gemacht worden, weil dieses auch nicht immer mit richtigen Informationen zu tun gehabt hat. Aber es geht im Wesentlichen auch darum, wer denn diese Krise zu verantworten hat, wie die denn entstanden ist.
Barenberg: Und wer hat das zu verantworten?
Carstensen: Das ist Aufgabe, die dort der Untersuchungsausschuss zu klären hat. Und genau das will ich wissen. Und genau da hört nicht die Aufgabe des Untersuchungsausschusses auf, da hört nicht die Verantwortung dieses Ministerpräsidenten und des Finanzministers auf, sondern hier wollen wir genau wissen, wie die Ursachen sind. Und wir wissen ja, wer früher auch im Aufsichtsrat gewesen ist und wir wissen, wer früher Aufsichtsratsvorsitzender gewesen ist, und wir wissen, wann welche Entscheidungen gemacht worden sind - und ob sie wirklich alle besten Wissens und Gewissens gemacht worden sind. Wenn Sie zum Beispiel die Schnellankaufentscheidung, über die berichtet wird - ich habe es noch nicht gelesen, das KPMG-Gutachten - aber wenn es dort heißt, dass aufgrund dieser Entscheidung vieles an Geschäften gemacht worden ist, die nicht abzuklären waren, die nicht wirklich durchleuchtet werden konnten, dann muss man fragen, wann denn diese Entscheidung im Aufsichtsrat gebilligt worden ist. Und da hat keiner von der CDU da drin gesessen.
Barenberg: Herr Ministerpräsident, danke für dieses Gespräch.
Peter Harry Carstensen: Ich bin zufrieden, dass wir jetzt wieder klare Verhältnisse bekommen. Und wir brauchen auch diese klaren Verhältnisse, wir brauchen eine handlungsfähige Regierung, die brauchen wir dringend, weil wir in eine Situation kommen, die schwieriger wird für Schleswig-Holstein.
Wir haben eine Wirtschaftskrise, wir merken das. Wir haben steigende Arbeitslosenzahlen. Wir haben schwierige Situationen bei unseren Werften, die natürlich vom Schiffbau abhängig sind und vor allen Dingen auch von der internationalen Wirtschaft abhängig sind. Und wir kriegen - und das ist ja das Dramatische - natürlich zeitverzögert zur Wirtschaftskrise auch dramatisch einbrechende Steuereinnahmen. Und wer das bei einem kleinen Haushalt, wie Schleswig-Holstein ihn hat, sich vorstellt, was das für Konsequenzen hat, der weiß, dass es auch zu schwierigen Entscheidungen kommt, auch zu schmerzlichen Entscheidungen kommt. Und dazu braucht man eine Regierung, wo die Koalitionspartner zueinanderstehen, Entscheidungen miteinander treffen, aber nicht nur das, sondern auch später und nachher und nach draußen und nach innen diese Entscheidungen mittragen. Und deswegen brauchen wir eine handlungsfähige Regierung.
Barenberg: Lassen Sie uns noch mal zurückschauen auf den Verlauf der vergangenen Tage. Zunächst einmal der Auslöser - aus Ihrer Sicht ja die Erklärung von Ralf Stegner, dem SPD Landes- und Fraktionsvorsitzenden, der klargestellt hat: Die Bonuszahlung an den Chef der HSH Nordbank - die SPD habe dem nicht zugestimmt.
Inzwischen ist auch klar, diese Aussage ist richtig, die SPD hat formal nicht zugestimmt, während Sie Ihre Aussage korrigieren mussten, denn tatsächlich waren die Regierungsfraktionen und deren Spitzen ja in diese Entscheidung nicht eingebunden. Entpuppt sich damit nicht der Anlass, die Koalition in Schleswig-Holstein platzen zu lassen, als reiner Vorwand?
Carstensen: Nein, dieses ist ein Punkt gewesen. Es hat viele verschiedene Punkte gegeben. Und ich widerspreche Ihnen auch. Die SPD, in Person von Lothar Hay, der als SPD-Vertreter, nicht als Innenminister, sondern als SPD-Vertreter im Aufsichtsrat sitzt, hat zugestimmt.
Es hat eine Zeit lang vor der Koalitionsrunde - über eine Woche vor der Koalitionsrunde - ein Gespräch gegeben zwischen dem Finanzminister, zwischen Rainer Wiegard und Lothar Hay, wo über die Zahlung gesprochen worden ist, und Lothar Hay - und so können Sie in seiner Erklärung, die er ja abgegeben hat, es auch ganz deutlich vernehmen - hat dem zugestimmt, einfach und ordentlich und ausdrücklich zugestimmt.
Es war besprochen, dass dieses in die Gremien der SPD gegeben wird, davon bin ich auch ausgegangen. Und ich habe in der Woche nicht ein einziges Signal von der SPD bekommen, dass dem widersprochen wird. Insofern musste ich davon ausgehen - wie soll ich sonst anders handeln -, ich musste davon ausgehen, dass die SPD dieses so akzeptiert. Und wir haben dann am 30. - vor der Unterzeichnung des Vertrages mit Herrn Nonnenmacher - auch noch mal darüber gesprochen in unserer sogenannten "Kleinen Koalitionsrunde", und auch da hat es kein Votum von Seiten der SPD gegeben. Und insofern bin ich davon ausgegangen, dass hier eine Zustimmung von Seiten der SPD auch gewesen ist, sie ist in Form von Lothar Hay - in Person von Lothar Hay - dort auch gewesen.
Ich hätte dieses anders formulieren sollen, das hatte ich auch eingeräumt. Ich hätte das genauer formulieren können, formulieren sollen, formulieren müssen. Das habe ich eingeräumt. Aber ich habe in einer Phase dieses Briefes und nirgends die Absicht gehabt, jemand zu täuschen. Deswegen lasse ich mir nicht unterstellen, dass ich dort gelogen habe.
Barenberg: Aber wenn beide Seiten Fehler gemacht haben, ist der Anlass damit nicht ein nichtiger, im Grunde genommen?
Carstensen: Aber es gab ja viele verschiedene Anlässe, man mag doch bitte mal eine Woche oder 14 Tage zurückgehen. Da haben wir eine Koalitionsverhandlung gehabt, und jeder weiß, in welcher wirtschaftlichen Lage wir sind. Jeder weiß, dass wir den Beschluss in der Föderalismuskommission II zur Schuldenbremse gehabt haben. Wir haben eine Entscheidung und eine Veränderung im Grundgesetz, dass wir 2020 keine Schulden mehr machen dürfen.
Jeder weiß das, für jeden ist das klar, und jeder kennt unseren Haushalt. Jeder weiß, dass wir die strukturelle Verschuldung abbauen müssen, die strukturellen Defizite abbauen müssen in unserem Land. Dieses war Ziel in den Koalitionsgesprächen. In diesen Punkten hat es nicht einen einzigen Vorschlag von Seiten der SPD gegeben.
Barenberg: Aber noch an dem Tag ...
Carstensen: Moment.
Barenberg: Herr Carstensen, Entschuldigung, noch an dem Tag, an dem Sie die Koalition haben platzen lassen, wurden weitreichende Sparbeschlüsse von beiden mitgetragen.
Carstensen: Da sind nicht weitreichende Sparbeschlüsse gefasst worden, sondern wir haben einen Nachtragshaushalt gemacht, wo wir die Netto-Neuverschuldung wesentlich erhöht haben. Die Sparbeschlüsse sollten vorgelegt werden, die Sparbeschlüsse sollten im Kabinett von den einzelnen Ressorts vorgelegt werden bis zum 3. Juli, und es kam von den Häusern kein substanzieller Vorschlag, der dort gewesen ist.
Auch da habe ich noch mal wieder gesagt, wir müssen noch eine Verlängerung haben. Und ich bin nun wirklich derjenige - und ich glaube, das ist unbestritten - in der Koalition, aber auch in Schleswig-Holstein, dass ich derjenige gewesen bin, der an dieser Koalition ausgesprochen lange festgehalten hat und wirklich dort nicht irgendwo taktiert hat und nicht irgendwo sehr leichtfertig diese Koalition aufs Spiel gesetzt hat.
Barenberg: Sie haben von der Notwendigkeit gesprochen, eine handlungsfähige Regierung in Schleswig-Holstein zu haben. Keiner wird dem widersprechen. Sie haben aber eine klare parlamentarische Mehrheit gehabt für Ihre Regierung. Warum also der Bruch der Koalition? Ich habe den Grund immer noch nicht verstanden.
Carstensen: Ja, der Grund ist derjenige, dass ich nicht sicher sein konnte, dass ich diese parlamentarische Mehrheit weiterhin habe. Aufgrund dieser nicht mehr vorhandenen Verantwortungsgemeinschaft war es notwendig, hier zu einer anderen Situation zu kommen.
Barenberg: Inwieweit ging und geht es doch um einen auch persönlichen Konflikt zwischen Ihnen und Ralf Stegner?
Carstensen: Also das wird immer so schön gesagt. Das mag vielleicht so ein bisschen vordergründig sich so anhören - sondern Carstensen und Stegner sind im Grunde genommen völlig egal. Hier geht es um das Land. Und jeder weiß, dass ich auch im Kabinett sehr ordentlich habe arbeiten können. Übrigens: Die Arbeit im Kabinett ist einfacher, ist konkreter, ist substanzieller, ist verantwortungsvoller geworden, nachdem Ralf Stegner nicht mehr im Kabinett war.
Aber ich habe auch gesagt: Ich habe auch keine Lust mehr, nur über Ralf Stegner zu reden. Wenn immer dieselben Fragen zur Person gestellt werden, dann kann man natürlich den Eindruck haben, dass es nur um die Person geht. Nein, es geht auch nicht nur um die Person, sondern es geht auch um die Inhalte. Auf der einen Seite diejenigen, die sagen, wir müssen unseren Haushalt in Ordnung bringen können, und auf der anderen Seite, die sagen: Wir wollen drei beitragsfreie Kindergartenjahre haben.
Das heißt also ausgeben, ohne dass wir das Geld haben. Das kann es mit uns nicht geben, und das sind die wirklich sachlichen Unterschiede, die zwischen SPD und CDU dort sind. Wir wollen eine ordentliche Konsolidierung unseres Haushaltes haben, wir wollen uns konzentrieren auch in der Arbeit auf Arbeitsplätze, wir wollen uns auf Bildung konzentrieren, wir wollen uns dafür starkmachen, dass wir Voraussetzungen schaffen, damit wir eben Arbeitsplätze in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bekommen, dass wir Schleswig-Holstein weiter voranbringen, dass wir den Bau von Straßen dort auch voranbringen, die Infrastruktur verbessern, was die Fragen des Internets, der Breitbandversorgung, aber auch des Straßenverkehrs betrifft.
Barenberg: Alles sehr lohnenswerte Ziele, die SPD will all das nicht, oder was ist der Punkt?
Carstensen: Nein, das will sie sicherlich, das kann ich mir nicht vorstellen. Dass sie dort bei einigen Punkten, was den Straßenbau angeht, in einer anderen Regierung eine andere Politik gefahren hat, das mag vielleicht an anderen Koalitionspartnern gelegen haben. Das will ich gar nicht dort sehen. Aber das sind die sachlichen Themen, die im Vordergrund stehen. Aber Sie haben gefragt, ob es immer nur darum geht, ob es um die Personen geht. Nein, es geht nicht um die Personen.
Barenberg: Ich habe auch deswegen gefragt, Herr Ministerpräsident, weil: Wenn man es jetzt umdreht, wäre ja die Frage, wenn es nicht um Personen geht, warum schließen Sie dann jetzt schon aus, mit Ralf Stegner je wieder zusammen zu regieren? Wenn es nicht um Personen geht, sondern um Programme, um Parteien, müssten Sie einverstanden sein, wer auch immer an der Spitze der SPD steht.
Carstensen: Ja, das ist die Frage, ob ich dann mich noch darauf verlassen kann, dass auch der Koalitionspartner die Beschlüsse mitträgt. Denn wir haben ja in vielen Bereichen der SPD und im Kabinett gar nicht die Probleme gehabt. Da haben wir sehr viel Verantwortung gezeigt. Ich habe sehr viel Herzblut in dieses Kabinett hineingelegt. Aber wir haben immer die Störversuche und die Störungen gehabt von einer Person, und diese Person ist nun mal der Landesvorsitzende der SPD und ist nun mal der Fraktionsvorsitzende der SPD.
Barenberg: Herr Carstensen, Sie haben, um ans Ziel zu kommen, die Vertrauensfrage lange ausgeschlossen und als Trickserei bezeichnet und dann doch angewandt. Warum?
Carstensen: Ich habe einen anderen Weg gesucht. Ich habe einen anderen Weg beschritten. Die Landesverfassung in Schleswig-Holstein sieht seit 1990 - übrigens durch die SPD eingebracht - vor, dass der Landtag sich auflösen kann durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit, dass der Landtag den Weg freimachen kann zu Neuwahlen.
Wir haben festgestellt, dass alle die Neuwahlen wollten. Die SPD wollte die Neuwahl, das hat Herr Stegner gesagt. Wir wollten die Neuwahl, das haben wir deutlich gemacht. Die FDP hat das schon lange deutlich gemacht, die Grünen haben das schon lange deutlich gemacht und der SSW auch. Und deswegen habe ich den Antrag gestellt auf Auflösung des Parlaments und wollte davon ausgehen, dass jeder, der dann auch die Neuwahl will, dem auch zustimmt. Das hat die SPD nicht gemacht, sondern Ralf Stegner hat fast wörtlich in seinem Debattenbeitrag gesagt: Nein, wir wollen den Minister zu dem nächsten Schritt zwingen. Und wir wollen auch dafür sorgen, dass es dann einen weiteren Kratzer an der Fassade des Ministerpräsidenten gibt.
Dieses ist das Ziel gewesen. Ich bin gezwungen worden in diese Situation, weil da schon außerordentlich deutlich war, dass man nicht mehr zusammen regieren kann.
Barenberg: Sie sind gezwungen worden zu tricksen, mit anderen Worten?
Carstensen: Ich bin nicht gezwungen worden zu tricksen, sondern ich empfinde die Vertrauensfrage schon gar nicht mehr als eine fingierte, sondern dieses war eine Vertrauensfrage, die dann auch nicht mehr gegeben werden konnte.
Barenberg: Gut, aber Herr Wadephul, Ihr Fraktionsvorsitzender, hat sich hundertprozentig hinter Sie gestellt im Landtag, und dann haben die Abgeordneten der CDU mit einer Ausnahme sich doch enthalten.
Carstensen: Ja, das ist auch bei einer solchen Geschichte sicherlich auch üblich, denn hier wird ja nicht nur der Ministerpräsident zum Vertrauen gestellt, sondern es wird die ganze Regierung zum Vertrauen gestellt. Und dass sich dann eine Fraktion enthält, ist sicherlich nichts Ungewöhnliches. Ich empfinde das nicht als ungewöhnlich.
Barenberg: Wenn man das noch mal zum Schluss jetzt Revue passieren lässt - also der Bruch der Koalition, die Erklärung der CDU dazu, die gescheiterte Selbstauflösung des Parlamentes und schließlich die Vertrauensfrage. Und wenn man noch hinzunimmt, die Entlassung der SPD-Minister, deren Form und Art und Weise bei vielen Empörung und Entsetzen ausgelöst hat.
Carstensen: Also, über die Form wissen viele nicht Bescheid. Es hat eine Einladung gegeben durch den Chef der Staatskanzlei.
Barenberg: Aber eben nicht durch den Ministerpräsidenten persönlich.
Carstensen: Also, der Chef der Staatskanzlei ist nun schon nicht der Ministerpräsident, aber ist schon derjenige, der die Vertretung des Ministerpräsidenten dort übernimmt. Und die Aufgabe war, dort eine ehrenvolle und würdige Verabschiedung vorzubereiten. Dieses ist vorbereitet gewesen. Das ist anders angekommen. Das bedaure ich. Ich habe mein Bedauern zum Ausdruck gegeben, auch in der Parlamentssitzung; und ich bedaure das sehr, weil ich eben meine Ministerkollegen und Ministerinnenkollegen außerordentlich geschätzt habe und immer noch schätze, persönlich wie fachlich. Und sie hätten und haben eine würdige Verabschiedung auch verdient. Das ist nicht nur meine Schuld gewesen.
Barenberg: Bei manchen ist ja insgesamt betrachtet der Eindruck entstanden, dass es doch Anzeichen dafür gibt, dass Sie die Koalition von langer Hand haben auflösen wollen, dass Sie im Windschatten guter Umfrageergebnisse lieber mit der FDP regieren wollen, als mit der unbequemen SPD.
Haben Sie nach den Ereignissen der letzten Tage, bei denen ja auch manche kritische Frage an Sie gestellt wird, haben Sie nach diesen Ereignissen Verständnis für diese Einschätzung?
Carstensen: Ich habe Verständnis, dass diese Fragen gestellt werden, selbstverständlich. Aber ich bitte auch Verständnis dafür zu haben, dass ich offen und ehrlich sage, dass ich hier nicht getrickst habe, nicht taktiert habe, sondern dieses sich ergeben hat. Es gibt auch andere Fragen: Warum hast du die Koalition nicht viel früher gelöst? Warum bist du nicht viel früher da rausgegangen?
Man kann mir doch nicht zum Vorwurf machen, dass ich manchmal sogar der Einzige war, der den Bestand der Koalition verlängert hat und gesagt hat: Nein, wir haben hier einen Auftrag, diesen Auftrag haben wir zu erfüllen.
Barenberg: Es ist ja nur auffällig, Herr Ministerpräsident, dass es zu einem Zeitpunkt erfolgte, der der letzte, buchstäblich der letztmögliche ist, um noch zum 27. September Wahlen durchzuführen.
Carstensen: Nein, das ist auch nicht richtig. Wir hätten das auch später machen können. Und ich habe kurz vorher auch noch mal gesagt, wir sollten uns mal lösen von diesem 27. September. Auch dieses ist veröffentlicht worden, meine Äußerung. Wir können auch Ende September, wir können auch am 23. Dezember noch wählen. Und insofern kann ich hier nur noch mal versichern, dass es überhaupt nicht von langer Hand geplant worden ist und ich derjenige gewesen bin, der nur wirklich immer dafür gesorgt hat, dass die Koalition weiter läuft und weiter laufen kann, persönliche Angriffe ausgehalten hat, sie weggesteckt hat, ein Stänkern weggesteckt hat, was manchmal nicht mehr zu ertragen war.
Das weiß auch jeder in Schleswig-Holstein, das weiß auch jeder in der Koalition. Und Frau Erdsiek-Rave hat mir nach den Koalitionsgesprächen und den Koalitionsverhandlungen sogar noch mal gesagt - ich habe ja mal rüber geguckt zu ihrer Gruppe: "Sie waren offensichtlich der Einzige, der diese Koalition fortsetzen wollte." Also, mehr kann ich wirklich nicht dazu sagen und mehr versichern, dass ich dort nicht taktiert habe.
Mehr kann ich dort nicht tun und will das auch nicht. Denn dass es hier wirklich nun ein Anfüllen eines Fasses gegeben hat und dass natürlich irgendwann auch es Tropfen gibt, die das Fass zum überlaufen bringen, das, glaube ich, hat jeder verstanden. Und es gibt mehr die Frage, warum hast du das nicht früher gemacht?
Barenberg: Das Interview der Woche im Deutschlandfunk mit dem Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein.
Herr Carstensen, es wird ein kurzer, ein mutmaßlich heftiger Wahlkampf werden bis zum 27. September. Wenn man zurückblickt auf die letzten Ereignisse, kann man jetzt schon sagen, dass diese Auseinandersetzung zwischen CDU und SPD vergiftet ist, noch bevor der heiße Wahlkampf eigentlich richtig angefangen hat?
Carstensen: Also, das muss nicht sein. Ich habe gestern der SPD auch die Hand gereicht und habe gesagt, wir müssen keinen schmutzigen Wahlkampf machen. Ich will auch keinen schmutzigen Wahlkampf haben. Ich glaube, das Gezänk der letzten Woche war genug. Und die Leute wollen dass auch nicht mehr hören.
Barenberg: Glauben Sie ernsthaft, dass die SPD alles, was Sie ihr vorwerfen, was man sich gegenseitig vorwirft, jetzt auf sich beruhen lässt?
Carstensen: Ich darf mal sagen, ich habe der SPD nicht viel vorgeworfen. Die Vorwürfe sind häufig von der anderen Seite gekommen.
Barenberg: Verrat?
Carstensen: Dass dort jemand hinter unserem Rücken nach den Beschlüssen sich verabschiedet von den Beschlüssen, darf man das nicht mehr benennen? Darf man das nicht mehr sagen, dass dieses ein Herausstehlen aus einer Verantwortung ist? Von Verrat haben Sie bei mir nichts gehört. Dieses Wort werden Sie bei mir nicht gefunden haben.
Aber dass wir eine Koalition brauchen, in der wir auch eine Verantwortungsgemeinschaft haben, das, glaube ich, ist wohl notwendig. Das gehört auch wohl zum Stil des Zusammenarbeitens. Und dieses hat es sicherlich in manchen Bereichen nicht gegeben, dass jeder die Verantwortung gleichermaßen getragen hat. Wir haben die Verantwortung dort getragen. Die Beschlüsse haben wir gemeinsam gemacht. Aber die Bewertung der Beschlüsse, die ist manchmal von Seiten der SPD oder von Herrn Stegner unterschiedlich gemacht worden.
Und insofern, ich reiche die Hand, ich möchte gerne einen sachlichen Wahlkampf haben. Wir haben viel zu viele Probleme in Schleswig-Holstein, die aufzuarbeiten sind, als dass wir uns das noch weiter mit persönlichen Angriffen dort um die Ohren schlagen können und müssen, sondern hier geht es wirklich darum, dass wir eine vernünftige Art der Auseinandersetzung bekommen, dass wir die Themen in den Mittelpunkt stellen und vor allen Dingen die Lösung der Fragen, die wir in Schleswig-Holstein haben, in den Mittelpunkt stellen. Dazu bin ich gerne bereit. Ich bin auch gerne bereit, einen polarisierenden Wahlkampf zu machen, ohne Probleme.
Barenberg: Wird das auch Auswirkungen haben auf den Bundestagswahlkampf, bevor wir über die Themen sprechen. Denn wenn jemand wie Ralf Stegner ankündigt, er wird einen polarisierenden Wahlkampf führen, und das hat er getan, kann man dann damit rechnen, dass das auch auf der Berliner Bühne zu einer Verschärfung des Klimas führt?
Carstensen: Ja, das weiß ich nicht, ob die Berliner Bühne sich davon beeinflussen lässt. Aber wenn ein polarisierter Wahlkampf das Ziel in Schleswig-Holstein sein soll, dann sei es drum. Gerne, wenn polarisiert heißt, die eine Seite will mit den Linken zusammenarbeiten und die andere nicht, dann will ich das gerne akzeptieren. Dann muss man das aber auch ganz deutlich mit benennen. Dann muss man sagen, ob man die Haushaltskonsolidierung so will - oder ob man weiterhin sagt, dass das Land stranguliert wird durch die Schuldenbremse.
Ich sage mal, das Land wird stranguliert durch mehr Schulden machen. Und da haben wir die großen Unterschiede, die dort sind. Der eine will, ich sage es noch mal, drei Kindergartenjahre, die nicht zu bezahlen sind, die freizustellen, die Kosten freistellen, würde ich auch gerne machen. Ich wünsche mir, mal mit dem Füllhorn durch das Land laufen zu können. Aber ich habe auch Schulden übernommen. Und einer, der nun auch als Finanzminister verantwortlich für die Haushaltslage des Landes gewesen ist, ist Ralf Stegner gewesen. Und ich erinnere mich immer noch an den Haushalt, der 2005 für uns die Ausgangslage war: 550 Millionen netto Neuverschuldung, das heißt, Defizit bei Steuereinnahmen von 5,2 Milliarden.
Irgendeine Zeitung hat gesagt, als wir dann in die Kasse geguckt haben, hätten wir ein Defizit von 940 Millionen gefunden. Nein, die haben wir zusätzlich noch gefunden, so dass wir dann mit Kosten an die Kommunen, die noch dazu kamen - schlechte Steuerschätzung - im ersten Jahr bei 1,7 Milliarden netto Neuverschuldung lagen. Und wir haben das reduziert. Wir haben seit Jahren das erste Mal wieder verfassungsgemäße Haushalte verabschieden können. Wir haben seit Jahren das erste Mal wieder Haushaltsvollzug verfassungsgemäß machen können. Wir haben seit Jahren das erste Mal wieder gehabt, dass der Haushaltsvollzug besser war als die Haushaltsplanung, das heißt also, weniger Geld ausgegeben war.
Und ich finde, das ist der Weg, den wir weiter gehen müssen. Und insofern: keine Angst vor einem polarisierenden Wahlkampf. Dann werden wir deutlich machen, was die eine Seite will, und wir werden deutlich machen, was wir wollen. Wir werden wegen der Unterschiede gewählt, nicht wegen der Gemeinsamkeiten.
Barenberg: Und Sie segeln in diesem Wahlkampf im Schatten der Bundeskanzlerin und im Schatten guter Umfragewerte für die CDU. Heißt das im Umkehrschluss, Sie trauen sich ...
Carstensen: Darf ich mal darauf hinweisen, dass die Umfragewerte auch in Schleswig-Holstein gut sind für die CDU? Also, es ist ja nun nicht so, dass es nur Umfragewerte des Bundes dort sind. Und die Umfragewerte die ganzen Jahre wesentlich besser gewesen sind als die der SPD.
Da kann man doch nicht sagen, jetzt haben sie gerade mal jetzt einen Termin dort gefunden. Nein, die Umfragewerte sind vier Jahre lang besser gewesen als die der SPD. Wir lagen immer zwischen 37 und 40 Prozent ohne große Schwankungen bei uns. Und die SPD ist weggesackt auf unter 30, auch in Schleswig-Holstein. Nicht erst jetzt, schon vor einem Jahr, vor anderthalb Jahren. Und sie wäre das sicherlich auch im nächsten Jahr gewesen.
Barenberg: Welche Möglichkeiten wird es geben, wie viel Wert werden sie darauf legen, alle Fragen rund um die angeschlagene HSH Nordbank, die gemeinsame Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein, aufzuarbeiten, auch in diesem Wahlkampf?
Carstensen: Ich habe deutlich gemacht, dass ich mich freue, dass gesagt worden ist, der Untersuchungsausschuss wird auch in der nächsten Legislaturperiode weiterlaufen. Und wenn dieser Antrag nicht gestellt wird, wird er von der CDU gestellt. Wir wollen Aufklärung. Ich will die Aufklärung haben. Und was wir jetzt an Aufklärung geben können, auch in diesen Wochen, der Untersuchungsausschuss wird ja länger laufen, aber was wir in diesen Wochen an Aufklärung dort geben können, werden wir tun. Und ich bin im Gespräch mit der HSH Nordbank. Ich lasse mich laufend informieren, ob man dort im Plan ist mit den Ergebnissen, ob die Ergebnisse im Plan des Jahres laufen. Und ich höre, ich habe gerade vorgestern noch mal wieder mit dem Vorstandsvorsitzenden telefoniert, ich höre, dass die Ergebnisse besser sind als der Plan:
Barenberg: Haben Sie ihn bei der Gelegenheit aufgefordert, auf die Sonderbonuszahlung von 2,9 Millionen Euro zu verzichten?
Carstensen: Ich habe ihm gesagt, er möge bitte überlegen, ob es dort nicht eine andere Regelung gibt und dort auch verzichten, oder dieses in der Zukunft abhängig zu machen von den Ergebnissen der HSH Nordbank. Ja, das habe ich gemacht.
Barenberg: Sie stellen anheim, aber Sie verlangen es nicht?
Carstensen: Ich kann es nicht verlangen, weil er dort einen vertraglichen Anspruch darauf hat. Und ich kann es moralisch verlangen, und das habe ich getan. Und er weiß auch - so habe ich das ja auch in meiner Rede gesagt -, dass es einen vertraglichen Anspruch gibt, aber eine moralische Rechtfertigung für diese Zahlung gibt es im Moment nicht.
Barenberg: Trägt denn nicht auch ihr Finanzminister Verantwortung für die schwierige Lage der HSH Nordbank? Schließlicht sitzt er im Führungsgremium.
Carstensen: Der Finanzminister trägt immer Verantwortung für diese Lage, ob er dort im Aufsichtsrat sitzt oder nicht. Die Verantwortung hat der Finanzminister. Aber die Frage ist, ob er sie verschuldet hat und ob er Fehler gemacht hat bei der Krisenbewältigung. Und dieses hat der Untersuchungsausschuss zu klären. Es gibt eine staatsanwaltliche Untersuchung, die dort ist. Aber das sind die Fragen, ob die Feuerwehr richtig gearbeitet hat.
Wir müssen uns auch den Fragen zuwenden, wie denn der Brand entstanden ist, ob das Haus richtig gebaut worden ist, ob es dort Kurzschlüsse gegeben hat, die vorauszusehen gewesen sind. Und ich nenne mal die Gewährträgerhaftung. Das heißt also die Haftung, die die öffentliche Hand für Maßnahmen und Geschäfte dort hat. Die Gewährträgerhaftung ist Mitte 2005 ausgelaufen. Die war vorher dort. Und da sind andere in der Verantwortung gewesen.
Wir haben aber heute noch für 60 Milliarden Geschäfte, die dort mit 60 Milliarden in der Haftung des Gewährträgers stehen. Dafür sind wir nicht verantwortlich. Es geht also auf der einen Seite darum, ist das Krisenmanagement in Ordnung gewesen. Da sind sicherlich manchmal Fehler gemacht worden, weil dieses auch nicht immer mit richtigen Informationen zu tun gehabt hat. Aber es geht im Wesentlichen auch darum, wer denn diese Krise zu verantworten hat, wie die denn entstanden ist.
Barenberg: Und wer hat das zu verantworten?
Carstensen: Das ist Aufgabe, die dort der Untersuchungsausschuss zu klären hat. Und genau das will ich wissen. Und genau da hört nicht die Aufgabe des Untersuchungsausschusses auf, da hört nicht die Verantwortung dieses Ministerpräsidenten und des Finanzministers auf, sondern hier wollen wir genau wissen, wie die Ursachen sind. Und wir wissen ja, wer früher auch im Aufsichtsrat gewesen ist und wir wissen, wer früher Aufsichtsratsvorsitzender gewesen ist, und wir wissen, wann welche Entscheidungen gemacht worden sind - und ob sie wirklich alle besten Wissens und Gewissens gemacht worden sind. Wenn Sie zum Beispiel die Schnellankaufentscheidung, über die berichtet wird - ich habe es noch nicht gelesen, das KPMG-Gutachten - aber wenn es dort heißt, dass aufgrund dieser Entscheidung vieles an Geschäften gemacht worden ist, die nicht abzuklären waren, die nicht wirklich durchleuchtet werden konnten, dann muss man fragen, wann denn diese Entscheidung im Aufsichtsrat gebilligt worden ist. Und da hat keiner von der CDU da drin gesessen.
Barenberg: Herr Ministerpräsident, danke für dieses Gespräch.