Dienstag, 14. Mai 2024

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Ich wollte, es wäre anders gekommen

Selten stehen sie selbst im Zentrum von Geschichten, ist es doch ihre Dichtung, die um Liebreiz und Leidenschaft, um Sehnen und Distanz, um Einsamkeit und Agonie weiß. Rainer Maria Rilke ist 21 Jahre, als sie sich kennen lernen, Lou Andreas Salomé 15 Jahre älter, als sie sich 1897 begegnen. Ihre Leidenschaft ist endlich, aber sie bleibt ihm bis zum Lebensende Freundin, Vertraute und literarische Partnerin.

Von Gabriele Schmelz und Wolfgang Rödel | 21.04.2007
    Sternstunden haben auch Stefan Zweig und seine erste Frau Friderike als Liebende wie als Partner viele erlebt in Zweigs rastlosem Schaffen. Doch ruhelos war auch das Leben des "heiteren Pessimisten" und "todeslüsternen Optimisten". Ich wollte, es wäre anders gekommen, seufzte Zweig später im Bann schmerzhaft verwirrter Gefühle.

    Sie sind sich treu geblieben - auf ihre Art: ein Leben ohne "Molly Bloom", seine Nora, das ungebildete "Mädchen aus dem Volk" - undenkbar für James Joyce, auch wenn sie das Schreiben ihres Mannes für Papierverschwendung hielt. Eine Lange Nacht über Dichterliebe im Strudel rasanten Weltgeschehens.

    Lou Andreas Salomé und Rainer Maria Rilke
    "Durch Dich will ich die Welt sehen... Ich will keine Tat tun, die Dich preist und keine Blüte pflegen, die Dich nicht schmückt... Träume gibst Dr meiner Nacht, Lieder meinem Morgen, Ziele meinem Tag und Sonnenwünsche meinem roten Abend. Du gibst ohne Ende."
    (Rainer Maria Rilke)
    Wikipedia: Lou Andreas-Salomé

    Wikipedia: Rainer Maria Rilke

    Lou und Rainer Maria Rilke

    Rolf S. Günther
    Rainer Maria Rilke und Lou Andreas Salome
    Auf welches Instrument sind wir gespannt
    2005 Königshausen & Neumann

    Lou Andreas-Salomé
    Briefwechsel mit Rainer Maria Rilke
    Insel Verlag 1989
    Lou Andreas-Salomé
    Lebensrückblick
    Insel Verlag 1974
    H.F. Peters
    Das Leben der Lou Andreas-Salomé
    Kindler Verlag 1964
    Marianne Winterstiener
    Lou Andreas-Salomé
    Inymphenburger Verlag 1988
    Cordula Koepke
    Lou Andreas-Salomé
    Insel Verlag 1986
    "Mit dem Mut der Löwin"
    Lou Andreas-Salomé
    Von Irmgard Hülsemann
    Econ TB Verlag
    Münschen 2000
    Ursula Welsch, Dorothee Pfeiffer
    Lou Andreas-Salomé
    Eine Bildbiographie
    2006 Reclam, Leipzig

    Gunnar Decker
    Rilkes Frauen oder Die Erfindung der Liebe.
    Aufbau Taschenbücher
    2006 Aufbau TB
    "Die Männer sind mir fremd, ich sehe sie nur mir unverständliche Aktionen machen. Die Frauen rühren mich" Rilke an Katharina Kippenberg.
    "Rilke betet die Frau an wie eine Madonna, die ihm helfen soll, die richtigen Worte zu finden. Eine Muse soll sie sein. Aber Rilke, lder die Liebe idealisiert, ist gleichzeitig immer auf der Flucht vor ihr. Auf der vergeblichen Suche nach der einen Frau gewinnt er viele Frauen."
    Die Reihe von Rilkes Frauen ist lang: Lou Andreas-Salome, Eleonara Duse, Claire Goll, Ellen Key, Katharina Kippenberg, Sophie Liebknecht, Paula Modersohn-Becker, Sidonie Nadherny, Ruth Rilke, Marie von Thurn und Taxis, Clara Westhoff, Nanny Wunderly-Volkhart, Marina Zwetajewa und viel mehr.

    "Ich bin Erinnerungen treu für immer, Menschen werde ich es niemals sein."
    (Lou Andreas- Salomé)

    "Das siehst Du also wars, worauf ich seit drei Jahren durch meine wachsame Natur vorbereitet und vorgewarnt war. Lou, ich weiß nicht wie viel Höllen. du weißt wie ich den Schmerz, den physischen, den wirklich großen, in meiner Ordnung untergebracht habe. Und nun. Er deckt mich zu. Er löst mich ab. Tag und Nacht! Woher den Mut nehmen. Aber. Die Höllen."
    (Rilkes in seinem letzten Brief - 16 Tage vor seinem Tod - an Lou)

    Friderike und Stefan Zweig

    "Diese eine Stimme, die ferne, die mich ruft, wird sie mich wecken aus diesem stumpfen Verbringen? Vielleicht geht es nach oben."
    (Stefan Zweig)

    Stefan Zweig

    Internationale Stefan Zweig Gesellschaft

    Friederike Zweig, Stefan Zweig
    'Wenn einen Augenblick die Wolken weichen'
    Briefwechsel 1912-1942
    Herausgegeben von Jeffrey B. Berlin und Gert Kerschbaumer
    S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006
    "Dazwischen hell: die Briefe, die mir F. schreibt", notiert Stefan Zweig Anfang 1913 im Tagebuch. Ein halbes Jahr zuvor hatte der Briefwechsel begonnen, initiiert durch die anonyme Zuschrift einer Verehrerin, Friderike von Winternitz, von der er sehr bald spürt, dass sie "die Macht der Beruhigung" über ihn hat. Aus dem Gefühl der Geistesverwandtschaft wird Zuneigung, Stefan Zweig ernennt sie zu seinem "Oberhaserl" was "Unterhaserln" nicht ganz ausschließt. Auch als sie 1920 seine Frau geworden ist, setzt sich während seiner häufigen Reisen der intensive Austausch fort. Die briefliche "Rede zu zweien" endet nicht mit der Scheidung 1938, sondern wird aufrechterhalten bis zu Stefan Zweigs selbstgewähltem Ende 1942. Ihr, der freundschaftlich Vertrauten, gilt auch sein letzter Brief. Die Neuausgabe des Briefwechsels ist als Erzählung konzipiert und enthält zahlreiche revidierte beziehungsweise bisher unveröffentlichte Briefe.
    Oliver Matuschek
    Stefan Zweig
    Drei Leben - Eine Biographie.
    2006 Fischer (S.), Frankfurt
    "Meine drei Leben", so lautete Stefan Zweigs Arbeitstitel für sein großes Buch "Die Welt von Gestern". Die Lehr- und Wanderjahre bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, die Erfolgsjahre des "Schriftstellerbetriebes" Stefan Zweig in Salzburg, schließlich die Exiljahre in Großbritannien, den USA und Brasilien sie bilden die drei großen Blöcke in Stefan Zweigs Biographie.Oliver Matuschek kann sich für seine Lebensbeschreibung auf eine Fülle neu zugänglicher Quellen, Forschungsergebnisse und bisher unbekannten Materials stützen. Er erzählt fesselnd das ausgefüllte Leben eines vom Erfolg verwöhnten Schriftstellers, das durch die Zeitläufe bedingt eine Wendung nimmt und tragisch im gemeinsamen Freitod mit seiner zweiten Frau Lotte in einer brasilianischen Kleinstadt endet. Überdies widmet sich Matuschek allgemeinen Fragen wie Stefan Zweigs Reisen, der Herangehensweise an die Stoffe seines Werks und dem Verhältnis Zweigs zu seinen Kollegen und Verlegern.

    "Wie oft steht, unsichtbar der Mitwelt, eine Frau schützend und wirkend innerhalb eines Werkes, ihm so still und selbstverständlich verwoben, dass sein eigentlicher Schöpfer es selbst vergessen mag."
    (Friderike Zweig)

    Nora Joyce und James Joyce
    "Was kann jetzt noch zwischen uns treten? Wir haben gelitten und sind geprüft worden. Alle Schleier der Scham oder Scheu scheinen von uns gefallen zu sein. Werden wir nicht in unser beider Augen die Stunden und Stunden des Glücks sehen, die uns erwarten? Schmücke Deinen Körper für mich, Liebste. Sei schön und gücklich und liebevoll und aufreizend, voller Erinnerungen, voller Glut, wenn wir uns wieder sehen. Die Eifersucht schwelt noch in meinem Herzen. Deine Liebe zu mir muss stürmisch und gewalttätig sein, um mich völlig vergessen zu machen."
    (James Joyce)

    Nora Barnacle - Ehefrau des Schriftstellers James Joyce
    james-joyce.de
    Wikipedia: James Joyce

    Von Hans-Christian Oeser u. Jürgen Schneider Suhrkamp
    James Joyce.
    Leben, Werk, Wirkung.
    Suhrkamp BasisBiographien Bd.21
    2007 Suhrkamp
    Jörg W. Rademacher
    James Joyce.
    dtv Taschenbücher Bd.24413
    2004 DTV
    Ausschnitt aus dem Manuskript:
    Ulysses - das bedeutet für Nora auch, dass sie benutzt wurde. Eines Abends, als sie mit einem freund aus dem Café kamen und Joyce etwas zurückblieb, brach sie in Tränen aus: "Jim will, dass ich mich mit anderen Männern einlasse, sa dass er etwas hat, worüber er schreiben kann." Es gelang Joyce nicht, seine Frau anderen Männer in die Arme zu treiben. Im Ulysses findet kein Geschlechtsakt statt, wohl weil er - so wurde spekuliert - im Leben von Joyce nicht mehr vorkam.

    The Internet Ulysses by James Joyce
    "Hätte ich bloß einen Lumpensammler oder einen Bauern oder sonst alles, nur keinen Schriftsteller geheiratet."
    (Nora Joyce)

    Weitere Buchtipps:

    Liebeserklärungen
    Ins Gespräch gebracht von Claudia Schmölders
    Wagenbach Verlag 1993

    Claudia Schmölders
    Das Vorurteil im Leibe.
    Eine Einführung in die Physiognomik. 1995.
    Hrsg. v. Claudia Schmölders
    Briefe berühmter Frauen
    Von Liselotte von der Pfalz bis Rosa Luxemburg. 1993.
    Vorgestellt v. Claudia Schmölders
    Die Erfindung der Liebe
    Berühmte Zeugnisse aus drei Jahrtausenden. 1996.
    Kolonien der Liebe
    Erzählungen
    Elke Heidenreich
    Rowohlt Verlag 1992
    Ich gewöhnte mir damals an, nicht mehr zurückzuzucken, wenn die Hand meiner Mutter niedersauste, ich weinte auch nicht mehr. Ich hielt ganz still und dachte: das kriegt sie alles wieder, und ich träumte von der Liebe. Es MUSSTE sie einfach geben, das sah man ja an Rhett Buttler und Scarlett O´Hara, und mit Rölfchen fühlte ich mich auch sehr wohl - aber war das schon Liebe? Meine Freunde wechselten in rascher Folge, ich legte auch Kusslisten an. Ich war ganz rasch bei Nr. 36, denn ich küsste, was mir in die Quere kam - ein Pfarrerssohn war dabei und ein Drogist, ein Angestellter in einer Eisenwarenhandlung, der achtzehn Jahre älter war als ich, und ein Franzose mit einem grünen und einem braunen Auge, den ich in der Jugendherberge kennen lernt. Beim Jahreswechsel übertrug ich die Kussdaten mit den dazugehörigen Initialen in mein neues Tagebuch. Leider konnte ich die Namen nicht ausschreiben, denn es gab nichts zum Abschließen, und meine Mutter schnüffelte hinter allem her und las mein Tagebuch, wann immer sie es fand. Deshalb wusste ich schon im Februar nicht mehr, wer am 14. August P.W. gewesen war - vielleicht der Schwammhändler aus Bremen, den ich in der "Venezia"-Eisdiele kennen gelernt hatte und mit dem ich in "Toxi" war? Nach dem Film "Toxi" wäre ich übrigens sehr gern auch Negerkind geworden, ein interessantes, tragisches Schicksal, das mit Verkennung und Verachtung beginnt und mit der Liebe endet - aber Negerkind zu werden war natürlich völlig aussichtslos, dann schon eher Waise, aber inzwischen wollte ich eigentlich auch nur noch so schnell wie möglich erwachsen werden, viel Geld verdienen, von zu Hause weggehen, nie mehr wiederkommen und endlich die Liebe kennen lernen.
    Lehrjahre einer Liebe
    Hildegard Baumgart
    Berlin Verlag 1999
    Die heimliche Hochzeit Bettine Brentanos und Achim von Arnims im Jahr 1811, viele Jahre nachdem sie sich kennen- und liebengelernt haben, besiegelt das Bündnis zweier Menschen, die gegensätzlicher nicht sein konnten und die doch, jeder aus seine Weise, das Fühlen, Denken und Schreiben der Romantik verkörpern. Kenntnisreich beleuchtet Hildegard Baumgart die Vorgeschichte dieser Ehe und spürt feinfühlig und mit überzeugter Sympathie den Lebenslinien der Protagonisten nach. Von der Geburt der beiden bis 1811 beschreibt sie die Kristallisationspunkte ihrer Biographien: Elternhaus, Erziehung, soziale Umwelt, kulturelle Einflüsse, Freunde. Die ganze Welt dieser auch politisch ereignisreichen Jahre wird lebendig.
    Walter van Rossum - In:
    Simone de Beauvoire und Jean-Paul Sarte
    erschienen in der von Claudia Schmölders herausgegebenen Reihe "Paare",
    bei Rowohlt Berlin 1998
    Das Leben ist eine Baustelle - und die Liebe auch. Wer das nicht erträgt, braucht nicht weiterzulesen. Hier geht es um die Geschichte zweier Menschen, die versucht haben, auf dem Schotter der Ungewissheiten ein reich der Verbindlichkeiten zu errichten. Es war nicht immer leicht und ist nicht immer gelungen. So ist das in Zeiten, wo jedes Leben zum Selbstversuch wird. Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre haben über die Wonnen und Schrecken der Ungewißheit - ihr Deckname ist: Freiheit - nicht nur ein Leben lang geschrieben, sie haben sie sich auch zur alltäglichen Herausforderung gemacht. Beides - die Kunst der Schrift und die des Lebens - wirft man ihnen heute vor. Das liegt nicht an ihnen, sondern an uns: den in die Jahre gekommenen Kindern, die wir gelassen den diversen apokalyptischen Angeboten entgegensehen und gleichzeitig ein so radikal revolutionäres Unternehmen wie die Orthographiereform als Gefährdung innerster Bestandteile wahrnehmen.