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ICILS-Studie
Deutsche Schüler bei Computerkompetenz im Mittelfeld

Bei ICILS, der ersten internationalen Vergleichsstudie über die Computerkompetenzen von Achtklässlern, landen die deutschen Schüler nicht auf Spitzenplätzen. Deutsche Schüler würden ihre Kompetenz im Umgang mit modernen Informationstechnologien weniger in der Schule erlernen, sagte ICILS-Mitautor Wilfried Bos im DLF.

Wilfried Bos im Gespräch mit Regina Brinkmann | 20.11.2014
    Grundschüler aus der Klasse 3 a der Nils-Holgersson-Grundschule in Schwerin tippen am Donnerstag (06.10.2011) englische Vokabeln in die Computertastatur. Surfen, chatten, twittern, skypen - Kinder und Jugendliche sind meist viel fixer mit dem Computer als ihre Lehrer und Eltern. Zum medialen Training sollte der PC normales Arbeitsmittel im Unterricht werden, fordern Schüler- und Elternvertreter.
    Schul-Unterricht mit Computern (picture alliance / ZB / Jens Büttner)
    Regina Brinkmann: Dank diverser PISA-Studien wissen wir inzwischen ja, wie gut beziehungsweise wie schlecht deutsche Schüler im internationalen Vergleich Texte lesen und verstehen können, wie es um ihre mathematischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse bestellt ist. Bislang hat es dabei noch nie für die ersten drei Plätze gereicht. Auch bei der ersten internationalen Vergleichsstudie ICILS über die Computerkompetenzen von Achtklässlern landen die deutschen Schüler nicht auf Spitzenplätzen, sondern im Mittelfeld. Den deutschen Teil dieser Studie, in der 24 internationale Bildungssysteme untersucht wurden, hat Professor Wilfried Bos von der TU Dortmund durchgeführt. Herr Bos, warum sind die deutschen Achtklässler im Mittelfeld gelandet?
    Wilfried Bos: Es ist ja nicht nur von den Kompetenzen im Mittelfeld, Deutschland ist das Land, was weltweit am wenigsten moderne Informationstechnologien im Unterricht einsetzt. Und das scheint mir einfach damit zusammenzuhängen. Die Achtklässler in Deutschland lernen ihre Kompetenz im Umgang mit modernen Informationstechnologien entweder durch Selbststudium, durch Ausprobieren, durch ihre Peers oder in ihren Familien, aber sie lernen das jedenfalls nicht in der Schule.
    Brinkmann: Liegt das jetzt nur an der mangelhaften technischen Ausstattung?
    Bos: Es sind mehrere Komponenten, die da eine Rolle spielen. Einmal haben unsere Lehrer das in ihrer Ausbildung selbst nicht gelernt. Und der Französischlehrer, der Deutschlehrer, der Englischlehrer ist nicht ausgebildet worden, diese rasante Entwicklung hat der nicht wahrgenommen und nutzt das zu wenig einfach im eigenen Unterricht. Das ist das eine.
    Dann kommt dazu, dass wir eine schlechte Ausstattung haben. Jedenfalls sagen uns das die Lehrer, die wir befragt haben in dieser Studie. Das Internet ist zu langsam, die Computer sind veraltet. Dann haben wir immer noch das Konzept des Computerraums. Dieses Konzept stammt aus der Zeit, als man dachte, wir machen einfach Informatik, und nur dafür braucht man das. Aber wenn Sie sich vorstellen, der Französischlehrer will moderne Informationstechnologie nutzen, dann muss der in den Computerraum mit seiner Klasse, dann müssen die die Rechner hochfahren, dann sind die 45 Minuten rum.
    Also, man muss überlegen, ob man sich also auch konzeptionell von dieser Vorstellung verabschiedet und nicht Laptops, Tablets in den Klassen - in Dänemark, da haben 85 Prozent der Kinder, bringen einen eigenen Laptop beziehungsweise das Tablet mit. Und da wird dann in jeder Stunde mit gearbeitet.
    "Wir sind mit den Laptops in die Schulen gegangen"
    Brinkmann: Haben Sie das denn so aufgrund der Rahmendaten, die Kompetenzen untersucht, oder wie sind Sie in dieser Studie vorgegangen?
    Bos: Nein, wir sind mit den Laptops in die Schulen gegangen. Das haben wir auch gemacht, weil wir nicht wollten, dass wir in eine Schule kommen, wo ein Teil der Computer defekt ist. Und haben dann richtig Kompetenzen ermittelt. Es sind also Aufgaben gestellt worden, zum Beispiel - ich gebe Ihnen mal ein Beispiel.
    Da sollten die Achtklässler einen Sportnachmittag für die Zwölfjährigen an ihrer Schule organisieren. Dafür mussten die ins Internet gehen, sich verschiedene Sportarten angucken, überlegen, welche ist für Zwölfjährige geeignet. Dann mussten sie die Informationen, die sie hatten, in ein Plakat übertragen, das Plakat so aufbereiten, dass Zwölfjährige das gut verstehen können und dass die Lust drauf haben, so einen Sportmittag zu machen. Das war zum Beispiel eine Aufgabe, die die dann zu lösen hatten. Es geht also nicht darum, dass wir getestet haben, irgendetwas anzuklicken - das ist natürlich mit erhoben worden -, sondern kritisch zu hinterfragen, einzuordnen, selbstständig Informationen zu besorgen, die zu bewerten, die zu transferieren, von einer Tabelle in einer Grafik zum Beispiel.
    Dann ein neues Produkt zu erstellen, hier war es ein Plakat, und das dann zu präsentieren. Das ist das, was wir mit der Kompetenz meinen, die wir im 21. Jahrhundert wohl immer mehr brauchen werden.
    Brinkmann: Jetzt haben wir ja auch in den Pisa-Studien gesehen, dass das schlechte oder mittelmäßige Abschneiden zum Beispiel auch am Leseverständnis liegt. Inwieweit sind denn so andere mangelnde Kompetenzen dafür auch ausschlaggebend, dass die Schüler auch bei diesem Test jetzt nicht so gut abgeschnitten haben?
    Bos: Da können wir heute noch nichts zu sagen. Das ist ja die erste Auswertung. Im März werden wir eine weitere Auswertung vorstellen. Wir haben Leseverständnis auch getestet, und die zusammen werden wir aber erst im März berichten können.
    Bos: Andere Länder haben deutlich besser abgeschnitten als wir
    Brinkmann: Wo es dann Mittelfeld und Verlierer gibt, gibt es sicherlich ja auch einige Gewinner oder diejenigen, die dann die Spitzenplätze einnehmen. Was können Sie uns dazu sagen?
    Bos: Also, Spitzenplätze, das ist die Tschechische Republik, das ist Australien. Aber auch unsere anderen Nachbarländer, Dänemark, Niederlande oder Polen, die alle deutlich besser als wir abschneiden. Nehmen wir nur mal das Beispiel Tschechische Republik. Die haben schon vor Jahren einen nationalen Rahmenplan gemacht, wie in den einzelnen Fächern moderne Informationstechnologien einzusetzen sind. Dieser nationale Rahmenplan musste runtergebrochen werden für jedes Schulprogramm, die mussten das also adaptieren. Und das musste in Schulen auch gelebt werden, denn die Schulinspektion kontrolliert regelmäßig, ob das auch gemacht wird.
    Brinkmann: Und davon sind wir hier noch weit entfernt?
    Bos: Davon sind wir noch weit entfernt, dass das bei uns systematisch gemacht wird. Es gibt erste Ansätze, so ist das nicht. Eine Reihe von Bundesländern hat sich auf den Weg gemacht, aber es ist noch lange nicht erreicht, was wir erreichen wollen.
    Brinkmann: Findet Wilfried Bos von der TU Dortmund. Er hat im Rahmen der internationalen Vergleichsstudie ICILS die Computerkenntnisse von Achtklässlern untersucht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.