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Ideenschutz durch die Hintertür

Während sich die Open-Source-Szene über die Entwicklung beim Kopierschutz sicherlich freut, versetzt sie das Thema Software-Patente jetzt wieder in helle Aufregung. Denn in Brüssel stellte EU-Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy jetzt seine Vorschläge zur Weiterentwicklung des europäischen Patentrechts vor.

Von Achim Killer |
    Eigentlich sollte die Angelegenheit ja erledigt sein: In Europa gibt es keine Software-Patente. Einen entsprechenden Vorstoß der EU-Kommission hat das Parlament vor zwei Jahren mit überwältigender Mehrheit abgeschmettert. Und beim aktuellen Vorschlag zur Reform des europäischen Patentwesens geht es zunächst auch nur darum, das Verfahren im Fall von Rechtsstreitigkeiten zu vereinfachen. Dass das so kompliziert ist, liegt daran, dass das Europäische Patentamt keine einheitlichen Euro-Patente erteilt, sondern jedes Mal ein ganzes Bündel, eines für Frankreich, eines für Deutschland, eines für Italien und so weiter. Generaldirektor Thierry Stoll bei der Vorstellung der Vorschläge des Binnenmarktkommissars:

    "Wir haben europäische Patente, die vom Europäischen Patentamt vergeben werden. Diese unterliegen aber der nationalen Rechtsprechung verschiedener Länder. Deshalb sind die Gerichtsverfahren sehr teuer. Kleine und mittelständische Unternehmen können sich das kaum leisten. Die Prozesskosten liegen zwischen 50.000 und 1,5 Millionen Euro in der ersten Instanz. In der zweiten Instanz verdoppelt sich das dann. Und schließlich besteht noch die Gefahr, dass die Anwendung verschiedenen Rechts zu unterschiedlichen Urteilen führt, so dass man nicht weiß, was ein Patent tatsächlich wert ist."

    Trotz dieses augenfällig unhaltbaren Zustands ist der alte Streit um Software-Patente erneut aufgeflammt. Und die Fronten darin verlaufen genauso wie vor zwei Jahren. Da ist zunächst der Industrieverband EICTA, dem alle großen IT-Konzerne von Apple bis Toshiba angehören. Leopold Baumann, Director Public Affairs bei der EICTA, begrüßt den Vorstoß des Binnenmarktkommissars:

    "Darin liegt eine Chance sowohl für große als auch für kleine und mittelständische Unternehmen. Insbesondere dem Interesse kleiner Firmen wird der Vorschlag gerecht. Denn die leiden besonders unter dem Verfahrensweg, vor allem dann, wenn sie wegen ein und derselben Angelegenheit in verschiedenen Mitgliedsstaaten vor Gericht stehen."

    Open-Source-Vereinigungen wie der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur und die FSE, die Free Software Foundation, hingegen sind durch die Vorschläge des Binnenmarktkommissars alarmiert. Ciarán O'Riordan von der FSE:

    "Die Gefahr dabei liegt darin, dass dadurch Software-Patente eingeführt werden könnten - genauso wie das in den USA passiert ist. Dort geschah das ja auch nicht durch die Legislative. In den USA wurde nie ein Gesetz verabschiedet, welches besagt, dass Software patentierbar sei. Es gab lediglich Richtersprüche in Präzedenzfällen. Auf diese Präzedenzfälle kann sich berufen, wer sich in seinen geistigen Eigentumsrechten verletzt fühlt. Und die Gerichte sind daran gebunden."

    Richterrecht nennt man das in der Juristerei, wenn Richter sich nicht darauf beschränken, Recht zu sprechen, sondern es auch gleich setzen. Eine eindeutige Tendenz gibt es dabei im europäischen Patentwesen nicht. Denn die Richter in den verschiedenen Ländern urteilen ja sehr unterschiedlich. Das würde sich aber ändern, wenn der Verfahrensweg vereinheitlicht würde. Dann würde dem Europäischen Patentamt eine zentrale Rolle zukommen. Und das ist dafür bekannt, Software-Patenten sehr aufgeschlossen gegenüber zu stehen:

    "Deshalb ist das ein sehr besorgniserregender Vorschlag. Er würde die Gewaltenteilung zerstören, die wir im europäischen Patentrecht haben. Das europäische Patentamt wäre nach diesem Vorschlag dafür zuständig, in Streitfällen zu entscheiden, ob eine Patentrechtsverletzung vorliegt oder nicht."

    Die Entwicklung in den USA zeigt, dass diese Befürchtung nicht unbegründet ist. Dort ermöglichte 1980 der Oberste Gerichtshof die Patentierung von Software, die in einem engen Bezug zu industriellen Prozessen steht. Ein paar Jahre später wurde diese Einschränkung aufgehoben. Und seit 1999 sind sogar Geschäftsideen patentierbar – ebenfalls durch Richterspruch.