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"Identitäre Bewegung"
Die jungen Ideologen der Neuen Rechten

Bereits acht Bundesländer stufen die sogenannte "Identitäre Bewegung" als "fremdenfeindlich" ein und lassen sie vom Verfassungsschutz beobachten. Auch Sachsen-Anhalt erwägt nun diesen Schritt. Was macht die Neuen Rechten so gefährlich? Eine Annäherung.

Von Michael Borgers | 11.07.2016
    Die "Identitäre Bewegung" ist eine rechtsextreme Strömung mit Wurzeln in Frankreich.
    Die "Identitäre Bewegung" ist eine rechtsextreme Strömung mit Wurzeln in Frankreich. (Imago)
    Der Verfassungsschutz wird in diesen Tagen oft gerufen. Auch die Alternative für Deutschland solle beobachtet werden, fordern inzwischen verschiedene Politiker anderer Parteien. Es ist die Rede von Überschneidungen mit rechtsextremistischen Kreisen einzelner AfD-Vertreter. Von Kontakten zur Pegida - oder eben der "Identitären Bewegung" (IBD).
    Nach ARD-Recherchen steht die Gruppe bereits unter Beobachtung von acht Landesämtern des Verfassungsschutzes, Sachsen-Anhalt will bis Ende des Jahres über seine Einstufung entscheiden.
    Die Bewegung hat ihre Wurzeln in Frankreich. In Deutschland trat sie im Oktober 2012 erstmals als Facebook-Gruppe in Erscheinung. Die "Identitären" sprechen sich gegen "Überfremdung, Massenzuwanderung und Islamisierung" aus und richten sich vor allem an junge Menschen.
    Häusler zum DLF: Rechte Orientierung
    Der Soziologe Alexander Häusler spricht von einer "rassistischen" und "rechten Orientierung". Zu Beginn sei die Gruppe vor allem im Internet aktiv gewesen, mittlerweile stelle sie auch "mit das Personal für die flüchtlingsfeindlichen Protesten auf den Straßen", so der Düsseldorfer Wissenschaftler im Gespräch mit dem Deutschlandfunk.
    Und: Es gebe Versuche, ein Netzwerk mit der AfD zu bilden. Als Beispiel führt Häusler "Ein Prozent" an, eine Plattform, die eine Bürgerbewegung gegen die "Flüchtlingsinvasion" bilden will, an der auch Akteure der "Identitären" beteiligt seien. Unterstützt werde die Initiative unter anderem von dem Publizisten Jürgen Elsässer, dem Magdeburger AfD-Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider sowie dem Verleger Götz Kubitschek, einem der Vordenker der sogenannten Neuen Rechten.
    Rassismus oder Provokation?
    Ein Anruf bei der Identitären Bewegung in Deutschland. Es meldet sich Daniel Fiß, er sei autorisiert, mit der Presse zu sprechen, erklärt er. Wir konfrontieren ihn mit Häuslers Vorwürfen: Verbreitet die IBD Rassismus? Nein, sagt Fiß, man thematisiere lediglich "soziale Tendenzen" und "religiöse Systeme"; so würden nicht der Islam oder der einzelne Muslim attackiert, sondern die Praktiken dieser Religion. Rechts? Es gebe "Verbindungslinien zu Neuen Rechten", vor allem aber wolle man in einem "verfassungsgemäßen Rahmen" einen Gegenpol zum linken Deutschland darstellen. Man verstehe sich als "Opponenten in der Politik", die sich über "nötige Provokationen" und "kleine polemische Überspitzungen" Gehör verschafften.
    Provokationen wie diese, eine plakativ vorgetragene Forderung nach "Remigration":
    Der Jura-Student räumt ein, dass Vieles Definitionssache sei - wie auch die von Rassismus. Ansonsten ist ihm Genauigkeit wichtig. Wie auch seiner Bewegung, die sich in ihren Pressemitteilungen gegen mediale Einordnungen wehrt und mit Klagen droht. So sei man weit entfernt davon, "Rassismus modern und hip darzustellen", entsprechende Einschätzungen des Verfassungsschutzes seien "seit mehreren Jahren obsolet", die IBD "keinesfalls durchsetzt mit Neonazis".
    Fiß gehörte zur Neonazi-Szene, er selbst spricht vom "Nationalen Widerstand". Im vergangenen Jahr beschrieb er in einem Aufsatz seinen Weg zur "identitären Idee". Dort schilderte er, wie er als naiver 16-Jähriger in die Szene kam, NS-Literatur studierte und Jahre später tatsächlich verstand. Erst der Kontakt mit den "Neuen Rechten" habe ihm das "intellektuelle Vakuum des Nationalen Widerstands" aufgezeigt. "Unser Jahrtausende altes Erbe ist umfassender, als es lediglich in einem geschichtlichen Narrativ von zwölf Jahren ganzheitlich deuten zu wollen", resümiert er. Unsere Zeit verlange "nach Antworten, die vor allem das gesunde Verhältnis zu Volk, Heimat, Herkunft und Kultur betonen".
    Keine Massenbewegung
    Dass diese Antworten auch Gewalt gegen Fremde provozieren können, davon will der IBD-Vertreter im Gespräch mit dem Deutschlandfunk nichts wissen. Im Gegenteil biete seine Bewegung den Menschen einen Raum, sich "friedlich zu artikulieren". Die IBD hat Fiß zufolge rund 200 Fördermitglieder und noch mal so viele Sympathisanten.
    "Zwar keine Massenbewegung, aber dennoch gefährlich", meint Sozialwissenschaftler Alexander Häusler, "in Kombination mit der AfD und der steigenden Anzahl flüchtlingsfeindlicher Proteste".
    Offiziell will die AfD nicht in Zusammenhang mit der IBD gebracht werden. In einem sogenannten Ruf der Vernunft hatte die Partei sich von einer möglichen Zusammenarbeit mit der Bewegung distanziert. Sie sei eine "schwer einzuschätzende Gefahr für unsere bürgerliche Mitte".
    "Nur Taktik", so Häusler. Die Realität sei eine andere.