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Idyllisches Zentrum des Protestantentums

Die Cevennen, im Süden Frankreichs gelegen, sind ein Wanderparadies. Hier lieferten sich einst die Hugenotten erbitterte Kämpfe gegen die Truppen Ludwigs XIV. An die Geschichte der Protestantenverfolgung erinnert das Musée du Désert, das Museum der Wüste, im Mas Soubeyran.

Von Susanne von Schenck | 28.08.2011
    Das Mas Soubeyran in den südfranzösischen Cevennen ist eine kleine, abseits der Hauptstraße gelegene Ansammlung von alten Steinhäusern mit dunklen Schieferdächern. Ausladende Baumkronen spenden Schatten, an den Feldsteinmauern ranken Glyzinen, und im Bistro am Platz sitzen ein paar Touristen. Ganz versteckt im Gewirr der winzigen Gassen liegt das Musée du Désert, das Museum der Wüste. Es heißt so, weil im 18. Jahrhundert die Protestanten ihren Glauben nur heimlich - "in der Wüste" - leben konnten, erklärt Michel Caby, der seit vielen Jahren im Museum arbeitet.

    "Das Museum ist hier in den Cevennen, weil es für uns identitätsstiftend ist. Denn wenn man über die Gegend spricht, dann über die Seidenraupenzucht, über die Kastanienbäume, die die Leute ernährt haben - und über den Protestantismus und seine sehr schwierige Geschichte: nämlich die der Intoleranz und die des Widerstands gegen diese Intoleranz."

    Ausgangspunkt dafür ist das Jahr 1685: Ludwig XIV hebt das Edikt von Nantes auf. Nun drohen den Hugenotten drastische Strafen, wenn sie ihre Religion ausüben wollen: Kirchen werden dem Erdboden gleichgemacht, Soldatentrupps quartieren sich bei abtrünnigen Familien ein, plündern, vergewaltigen, nehmen Eltern ihre Kinder weg, Pfarrer müssen ihre Predigten oft mit dem Leben bezahlen. Eine dunkle Zeit für die Protestanten – erst mit der Französischen Revolution wird ihnen Glaubensfreiheit zugesichert.

    Wenige Schritte vom Museum entfernt liegt an einem kleinen Platz das Bistro des Mas Soubeyran mit seiner einladenden Terrasse. Ein Hund döst auf der Straße, eine Gruppe von Touristen sitzt beim Essen, und auf dem Mäuerchen im Schatten einer Platane plaudern zwei alte Männer – Südfrankreich, wie man es sich vorstellt.

    "Die Religionskriege haben zum Flair des Ortes beigetragen. Deshalb kommen Gäste aus der Schweiz, Deutschland, England oder den Niederlanden. Sie kommen wegen der Geschichte und um ihre Wurzeln zu finden. Wir versuchen vom Tourismus zu leben. Aber in den letzten Jahren sind die Immobilienpreise derartig in die Höhe geklettert, dass es finanziell gesehen, schwierig ist, hier zu leben."

    Ludovic Vignol ist Inhaber des Bistros und hofft auf viele Touristen. Für sie hat er eine alte, baufällige Scheune zu einem großen Ferienhaus mit Swimmingpool umgebaut. Nebenan weiden Pferde, der Blick schweift über waldige Hügel: Erholung fernab der großen Städte und des Massentourismus an der Mittelmeerküste.

    Das Mas Soubeyran ist ein historischer Ort. Wie viele kleine Dörfer in der Umgebung ist es von den Kämpfen der Hugenotten gegen die Truppen Ludwigs XIV geprägt. Vor über dreihundert Jahre begannen sie und gingen als Camisardenkämpfe in die Geschichte ein.

    Noch heute sind die Überfälle gut vorstellbar in den engen Cevennenschluchten oder an den schmalen Brücken, die über den Gard führen. Dort kann man wunderbar spazieren gehen. Und wer durch die Bergdörfer wandert, sieht Häuser, die wie kleine Festungen wirken. Auf winzigen Friedhöfen legen verwitterte Grabsteine Zeugnis von den Kämpfen ab.

    Einer der Camisardenführer hieß Roland, erzählt Michel Caby. In seinem Haus gründeten seine Nachfahren vor hundert Jahren das Musée du Désert.

    "Wir zeigen Rolands authentische Bibel, aus der er Kraft schöpfte. Und unter einem Schrank ist sein Versteck zu sehen. Nahten die königlichen Truppen, musste man nur das unterste Brett hochheben und hinuntergleiten, dann etwas Stroh und Töpfe drauf und man sah nichts mehr."

    Zahlreiche seinerzeit verbotene Bibeln – die kleinsten ließen sich im Haarknoten verstecken - , zusammenklappbare Kanzeln, Abendmahlskelche sowie Stiche, Gravuren und Gemälde – das Musée du Désert präsentiert die Geschichte der Protestanten und ihrer Glaubenstreue mit viel Pathos und Heldenverehrung.

    Als Land des Widerstands wird die Cevennenregion gern bezeichnet. Daran wird erinnert, wenn sich alljährlich am ersten Septemberwochenende im Mas Soubeyran 15.000 bis 20.000 Protestanten treffen, um gemeinsam zu feiern und der Geschichte zu gedenken. Aber in diesem Jahr gibt es einen besonderen Anlass: den hundertsten Geburtstag des Musée du Désert. Dann kommt auch Céline Prätorius-Grandclère aus Heidelberg. Die junge Theologin hat als Studentin im Musée du Désert gearbeitet und ist dem Ort eng verbunden.

    "Es ist ein wunderbar schöner Moment für die Reformierten, dieses Zusammensein und Erinnern, woher wir kommen und wodurch unsere Vorfahren gegangen sind, damit wir da sein dürfen in unserem Glauben. Das ist ganz schön zu sehen, wie die Reformierten ihre Geschichte pflegen."


    Hinweis für die Hörer:
    http://www.museedudesert.com/article5872.html