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"If you see something, say something"

Der Theater-Performer Mike Daisey hat sein neues Solo-Progamm der Terrorangst und der Sorge um die innere Sicherheit gewidmet. Dazu hat Mike Daisey einen kleinen schwer wirkenden Metallkoffer mitgebracht, den er seitlich neben sich auf die Bühne stellt. Immer allein an seinem Tisch sitzend und nur mit ein paar Blatt Papier und einem Glas Wasser bewaffnet, begeisterte er das amerikanische Publikum.

Von Andreas Robertz |
    If you see something, say something - Mike Daisey's neuer Monolog am Public Theater

    "Der Schauspieler Mike Daisey, den die New York Times "einen Meistererzähler des neuen amerikanischen Theaters" genannt hat, konnte sich drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl keinen besseren Augenblick für sein neues Programm "If you see something say something" aussuchen, dass er nun in Joe`s Pub, dem Studiotheaters des Public Theaters vorstellte. "

    Mike Daisey ist ein Solo-Performer erste Klasse. Immer allein an seinem Tisch sitzend und nur mit ein paar Blatt Papier und einem Glas Wasser bewaffnet, begeisterte er das amerikanische Publikum seit Jahren durch seine scharfsinnigen Streifzüge durch die Welt des amerikanischen Theatersystems, der New Yorker Verkehrsbetriebe oder Geschäftsriesen wie Wal-Mart oder Yahoo.com. Bezeichnend dabei ist sein komisch-dramatischer Erzählstil und seine enorme Fähigkeit, uns die kleinen Details, die unsere absurde Welt ausmachen mit seinen ängstlich-naiven amerikanischen Durchschnittsaugen sehen zu lassen.

    Diesmal hat er einen kleinen schwer wirkenden Metallkoffer mit sich, den er seitlich neben sich auf die Bühne stellt: "If you see something, say something" - "wenn du etwas siehst, sag etwas" - ein langer Blick auf den Koffer, Gelächter im Publikum. Der Titel seines neuen Programms ist ein Slogan der New Yorker Verkehrsbertriebe MTA, der nach den Anschlägen vom 11. September wie kein anderer für die Kampagne des Departement of Homeland Security steht, eine ganzen Nation in ständige Alarmbereitschaft zu versetzen. Sieben Jahre später und das Land befindet sich immer noch auf Alarm Gelb, was allgemeine Terrorgefahr und verschärfte Alarmbereitschaft bedeutet.

    Mike Daisey forscht nach den Hintergründen des amerikanischen Heimatschutzes und findet seine Anfänge in Los Alamos und auf dem Trinity-Gelände der Wüste New-Mexicos, auf dem vor 60 Jahre die ersten Atombombentests stattfanden, die schließlich zum Abwurf der ersten Atombombe führten - und zu der militärischen Überlegenheit, die bis heute das amerikanische Selbstbewusstsein beherrscht. Mike Daisey führt uns seine Version dieser Geschichte vor Augen. Er stellt uns dabei Menschen wie den Wissenschaftler Sam Cohen vor, der auf seiner wahnhaften Suche nach einer "sauberen und moralischen Bombe" die Neutronenbombe entdeckte oder seinen Freund Hermann Kahn, der als Analyst die Doktrien der atomaren Abschreckung entwickelte: je mehr atomare Waffen, umso größer die Abschreckung und je mehr behauptete Bedrohung von Außen, um so größer die nationale Bereitschaft zum Heimatschutzes: eine Politik, die mehr denn je die amerikanische Wirklichkeit bestimmt. Mike Daisey verwebt dabei seine kluge Analyse mit persönlichen Geschichten und Beobachtungen, die einem manchmal vor Lachen die Tränen in die Augen treiben. Er erzählt zum Beispiel von seiner skurilen Wallfahrt zu der einmal im Jahr geöffneten nationalen Gedenkstätte auf dem Trinity-Gelände in New-Mexico oder von einem Laden für ausrangierte Bombenutensilien in Los Alamos, wo er für nur zwei Dollar originale Zündkabel für Atombomben hätte erstehen können - oder für 500 Dollar ein mobiles Anthrax-Labor, eins von denen, die George Bush im Irak gesucht hatte.

    Mike Daisey beschimpft dabei die amerikanische Regierung, die durch die durch den Patriot Act gerechtfertigten geheimen Militärgerichte zu einer "Bananenrepublik" verkommen sei und er beschimpft das Publikum, das sich grundlegende Bürgerechte im Namen der Terrorangst einfach hat wegnehmen lassen und angesichts der kommenden Wahlen ernsthaft zu glauben scheint, dass irgendeiner der beiden Kandidaten auch nur das leiseste Interesse daran hätte, an dieser Politik etwas zu ändern. Er klärt uns auf, dass George Washington aus der Sicht dieser Politik ein Terrorist gewesen sei und dass Amerika eine neue Revolution im Sinne der Gründungsväter braucht, in denen die Bürger ihre Geschichte selbst in die Hand nehmen und gegen einen sie überwachenden Regierungsapparat aufstehen. Nach unglaublich schnell vergangenen zwei Stunden ein verdienter großer Applaus für einen irrsinnig komischen und gleichzeitig beängstigenden Abend, der einen wohltuend ernsthaften Akzent in eine politische Debatte setzt, die neben Personenkult und Mediengetöse nicht viel an politischer Veränderung zu versprechen scheint.