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IG Metall: Keine betriebsbedingten Kündigungen bei Opel

Simon: Heute findet europaweit in den Werken von General Motors ein Aktionstag statt. Bei Opel, Vauxhall und Saab in ganz Europa werden die Arbeiter zeitweise die Produktion stilllegen. Am besonders bedrohten deutschen Standort in Bochum stehen bereits seit sechs Tagen die Bänder still mit Konsequenzen über Bochum hinaus. An anderen Standorten wie in Antwerpen ist die Arbeit auch lahmgelegt. Die Teile aus Bochum fehlen. Die Bochumer wollen ihre Blockade erst aufgeben, wenn das Management die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze garantiert. In Rüsselsheim verhandeln seit gestern Gesamtbetriebsrat und Unternehmensleitung. Die Arbeitnehmervertreter versuchen, das Management von Alternativen zu den angekündigten Entlassungen zu überzeugen. Am Telefon ist nun IG-Metall-Chef Jürgen Peters. Ich grüße Sie!

Moderation: Doris Simon |
    Peters: Ja, schönen guten Morgen!

    Simon: Herr Peters, was erwarten Sie sich in diesem Zusammenhang vom Aktionstag in Europas General-Motors-Werken?

    Peters: Sie müssen natürlich sehen: bei solch einer gewaltigen Umänderung, Veränderung, wo niemand weiß, wie sich denn alles entwickeln wird, muss man doch Verständnis dafür haben, dass sich die Beschäftigten nicht einfach kampflos einer solchen Situation hingeben. Sie wollen auf die Lage aufmerksam machen und sie wollen natürlich mit einem Aktionstag auch das Management warnen, Dinge nicht auf die Spitze zu treiben. Wir wissen, dass es bei Opel Probleme gibt, aber wir wollen, dass die Probleme gelöst werden und nicht nur verschärft.

    Simon: Es hat in den letzten Tagen aus der Politik viel Kritik gegeben an dem wilden Streik in Bochum. Inzwischen droht die Gefahr der fristlosen Kündigung für einige, die an dem Streik teilnehmen. Wie sehen Sie das?

    Peters: Ich weiß nicht, ob das Management einen solchen Weg einschlagen wird. Ich kann nur davor warnen, weil dadurch natürlich die Situation weiter eskaliert. Wir müssen hier eine Lösung haben. Die Leute wollen wissen, was passiert mit ihnen. Das ist doch eine ganz verständliche Sache. Deshalb haben wir das Management auch aufgefordert, mit der IG Metall und den Betriebsvertretungen gemeinsam eine Lösung zu suchen, die folgendes beinhalten muss: Erstens keine Werkschließungen. Wir können das nicht verkraften und wir können das auch nicht vertragen. Zweitens: wir wollen, dass eine Zukunft für die Werke auch deutlich wird. Das heißt wir wollen darüber verhandeln, wie in 2006, 2007, über 2010 hinaus die Zukunft dieser Werke gesichert werden kann. Was ist dafür zu tun! Drittens: wir wollen natürlich die Sicherheit für die Leute. Deshalb sagen wir: es muss darüber geredet werden, wie wir es schaffen, ohne betriebsbedingte Kündigungen ein so großes Restrukturierungsprogramm abzuwickeln.

    Simon: Herr Peters, Sie sagen wir können das nicht verkraften und nicht vertragen. Sehen Sie denn im Management von General Motors die Bereitschaft, es andererseits zu vertragen und zu verkraften, weiter Verluste zu machen?

    Peters: Was heißt hier, weiter Verluste zu machen. Die haben die ganze Zeit Verluste gefahren und haben ganz offensichtlich dieses weiter so laufen lassen. Es dreht sich jetzt darum: was setzt sich denn da durch: das amerikanische Modell, Hauruck-Verfahren, Hackebeil, oder gibt es noch die Chance, dass die Besonneneren im Management jetzt die Oberhand haben und sagen jawohl, wir wollen mit den Arbeitnehmervertretungen, mit der IG Metall noch vernünftige Lösungen. Da weiß ich, dass ich auch dem Unternehmen Rechnung tragen muss - das ist gar keine Frage -, aber ebenso auch den Interessen der Beschäftigten.

    Simon: Wenn Sie schon von Besonnenen und Hardlinern im Vorstand von General Motors sprechen, wie schwierig ist dieser Eiertanz? In Rüsselsheim wird verhandelt, in Bochum wird gestreikt. Stärkt das vielleicht nicht die falschen?

    Peters: Ach das mag ja alles sein. Wissen Sie, in einer Situation wie der jetzigen kann man sich ja nicht aussuchen was man will, sondern die Situation ist wie sie ist und damit muss sowohl das Management fertig werden wie auch wir als IG Metall, wie die Interessenvertretungen vor Ort. Wir müssen jetzt eine Lösung haben und da liegt eigentlich, wenn Sie so wollen, das Geheimnis. Gibt es etwas, was auch die Beschäftigten einigermaßen befriedigen kann; dann werden sich diese Dinge auflösen.

    Simon: Das Entscheidende, wenn ich Sie richtig verstehe, sind die Arbeitsplätze. Wie weit kann der Gesamtbetriebsrat bei seinen Zugeständnissen, die er wohl dann machen wird, falls die andererseits vom Management erhalten werden sollten, gehen?

    Peters: Wissen Sie, wir beide können jetzt hier leider nicht die Verhandlungen führen und ich kann jetzt auch nicht Kompromisslinien aufzeigen, weil sie dann verbraucht sind. Das muss man schon am Verhandlungstisch mit der Unternehmensleitung machen. Ich kann nur sagen: das was dort ist, das ist schrecklich genug, aber das was jetzt kommen muss, ist Sicherheit, Sicherheit für die Beschäftigten. Da muss jetzt hier ein Wort gesprochen werden und deshalb haben wir auch als IG Metall gesagt, wir wollen uns jetzt in diese Auseinandersetzung unmittelbar mit einschalten.

    Simon: Herr Peters, wie sehr stimmt sich der Gesamtbetriebsrat bei diesen Verhandlungen mit Ihnen, mit der IG Metall ab?

    Peters: Ganz eng! Da ist gar keine Spalte zwischen, sondern wir versuchen, jeder zunächst einmal auf seiner Ebene, das ganze Ding in Gang zu bringen und ich bin froh, dass gestern der Gesamtbetriebsrat diese ersten Gesprächsrunden, diese ersten Verhandlungsrunden hatte, etwas bewegt hat und ich hoffe, dass sich diese Bewegung jetzt tatsächlich in eine ganz zielführende Verhandlung ummünzen lässt, wo sehr schnell Sicherheit auch für die Beschäftigten herausspringt.

    Simon: Herr Peters, ohne Verhandlungen gibt es Entlassungen und Kürzungen wie angekündigt. Macht der Gesamtbetriebsrat und die Gewerkschaft Zugeständnisse, dann werden viele Arbeiter vielleicht auch ein bisschen von ihnen enttäuscht sein. Optimal kann es eigentlich nie werden. Wie gefährlich ist eigentlich die derzeitige Situation für Sie, für die Gewerkschaften?

    Peters: Ja natürlich! Jeder Kompromiss tut irgendwo weh. Aber ich habe in meinem Leben auch gelernt: ohne Kompromisse wird man überhaupt nicht aus einer solchen Misere herauskommen. Da hilft es auch nicht zu wissen, dass viele Fehler von denen oder jenen gemacht wurden. Letztendlich muss es jetzt um eine Lösung gehen und da werden wir natürlich mit unseren Kolleginnen und Kollegen darüber reden müssen, ob der Kompromiss, der sich dann eventuell ergibt, ein tragfähiger ist oder nicht. Aber meine Kolleginnen und Kollegen wissen auch: es wird nicht nur 0 und 1 geben, sondern es wird immer auch irgend etwas dazwischen sein und möglicherweise eine tragfähige Lösung, wo alle sagen na gut, unter den obwaltenden Verhältnissen ist das in Ordnung, da machen wir mit, und darauf setze ich auch.

    Simon: Merken Sie eigentlich jetzt bei den Verhandlungen auch im Vorfeld, dass es große Unterschiede gibt zwischen dem europäischen und dem amerikanischen GM-Management?

    Peters: Ich bin nicht so unmittelbar dran. Wissen Sie, das amerikanische Management sitzt in Detroit und gibt von dort Weisungen. Das deutsche Management ist uns sehr viel näher und natürlich auch, wenn Sie so wollen, in der Verhaltensweise bekannter. Letztendlich geht es aber darum: wer wird an dem Verhandlungstisch verbindlich mit den Gewerkschaften, mit dem Gesamtbetriebsrat Regelungen suchen. Für die ist das maßgeblich und umgekehrt: für die sind wir dann die Maßgeblichen.

    Simon: Wie verhalten Sie sich - noch einmal zurück nach Bochum - jetzt weiter in der Krise dort?

    Peters: Was heißt wie verhalten wir uns? Wir haben das Management aufgefordert, unverzüglich die Verhandlungen aufzunehmen, damit die Fragen, die die Leute bewegen, auch in einer entsprechenden Zeit sichtbar gemacht werden und Lösungen dafür auf den Tisch kommen.

    Simon: Wie verhalten Sie sich, damit meine ich auch wie verhalten Sie sich gegenüber den wilden Streiks?

    Peters: Wissen Sie, diese Begrifflichkeit "wilde Streiks". Da protestieren Leute während der Arbeitszeit. Das muss man doch endlich auch einmal hinnehmen, dass die Leute Angst haben, dass die Sorgen haben, dass die Nöte haben. Die haben Familie. Das ist eine Zukunft, über die die reden. Da reden andere immer über wilde Streiks. Die Leute demonstrieren für ihre Sache und das kann man so oder so sehen. Jetzt ist die Zeit nicht, über solche Dinge zu reden, sondern jetzt ist die Zeit, über die Inhalte zu reden, wie man einen Konflikt löst. Das ist die Sache der Stunde.

    Simon: Herr Peters, Sie können aber nicht daran vorbeischauen, dass sich dort ein Druck aufbaut, auch dadurch, dass in anderen europäischen GM-Werken eben nicht mehr gearbeitet werden kann, weil aus Bochum nichts mehr kommt, der sicher auch Einfluss hat auf das Klima bei den Verhandlungen?

    Peters: Ja sicher! Natürlich hat es das. Das weiß jeder. Das wissen auch die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt in Bochum protestieren und demonstrieren. Das wissen auch die anderen Standorte. Deshalb ist ja der Druck jetzt so groß, dass ich hoffe, dass unmittelbar und sofort die Verhandlungen mit GM stattfinden.

    Simon: Das heißt, dass es möglicherweise sogar noch einen Nutzen für die anderen Arbeitnehmer hat, wenn es in Bochum weiter geht?

    Peters: Wissen Sie, diese Bewertung will ich jetzt nicht machen, weil ich am Ende des Tages erst bewerten kann: hat sich das gelohnt, oder hat sich das nicht gelohnt. Wir werden das von den Inhalten abhängig machen.

    Simon: Ganz herzlichen Dank! - Das war Jürgen Peters, der IG-Metall-Chef. Auf Wiederhören!

    Peters: Auf Wiederhören!