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Iggy-Pop-Film "Gimme Danger"
Mit nacktem Oberkörper in den Punkrock-Himmel

Indie-Regisseur trifft auf den Ur-Vater des Punk: Jim Jarmusch setzt Iggy Pop und seiner frühen Band The Stooges mit dem Dokumentarfilm "Gimme Danger" ein Denkmal – pünktlich zum 70. Geburtstag des Musikers.

Von Hartwig Tegeler | 22.04.2017
    Iggy Pop & The Stooges bei einem Konzert in Berlin 2013.
    Iggy Pop & The Stooges bei einem Konzert in Berlin 2013 (picture alliance / dpa / Lutz Müller-Bohlen)
    Er, sagt Iggy Pop am Ende von "Gimme Danger", er will nicht gehören zu: den Glam-Leuten, den HipHop-, den TV-, den Alternativ-Leuten. Er, sagt Iggy Pop, will kein Punk sein: "I just wanna be." Ich will einfach sein. Das wäre dann schon mal klar.
    "Und Klappe!", sagt Jim Jarmusch. Am Anfang einmal kurz zu sehen in seinem Film "Gimme Danger. "Kamera ab!". "Wir sind an einem geheimen Ort", sagt Jarmusch dann und beginnt das Iggy-Pop-Interview zu seinem Film. Dieser "geheime" Ort ist wohl die Waschküche von Mr. Osterberg alias Iggy Pop. "Wir befragen", sagt der Filmemacher dann im Off, "wir befragen Jim Osterberg. Es geht um The Stooges, die größte Rockband aller Zeiten."
    Es ist keine Doku, sondern eine Hommage
    Mit diesem letzten Nebensatz ist vielleicht das Entscheidende gesagt. Zumindest, was die Haltung des Films zu seinem "Objekt" ist. "Gimme Danger" ist keine Doku. Sondern Verbeugung. Wozu ja gehören: Stories, Schnacks und jede Menge schön gestrickte, auch gern zurecht gestrickte alte Geschichten. Und - selbstredend - Musik. Wie der Filmtitel gebende Song "Gimme Danger".
    Zunächst aber darf man sich erst einmal daran gewöhnen, dass wir mit James Newell, kurz "Jim" Osterberg einen siebzig Jahre alten Herren vor der Kamera sitzen sehen, der eigentlich nur gegen Ende gewohnt leicht irre guckend, also "den Iggy gibt". Wo er über Jahrzehnte mit bloßem Oberkörper - immer! - als "Godfather of Punk" von der Bühne starrte, während er Körper-Bewegungen vollführte, die eine indische Tempeltänzerin, vielleicht ja auch ihre Kobra, vor Neid hätte erblassen lassen.
    Iggy Pop: "Ich improvisierte einen wütenden Song. Ich hüpfte auf und ab, wie Schimpansen oder Paviane es machen, bevor sie kämpfen. Sobald ich damit anfing, legte die Band so richtig los."
    Ein gelassener, sympathischer alter Herr
    So war jedenfalls das geboren, was zum Markenzeichen der "Stooges" wurde. Iggy tanzte seinen Namen. Iggy ist hier, in Jim Jarmuschs Film "Gimme Danger", ein gelassener, sympathischer alter Herr, hager, mit gewohnt strähnigen, aber nicht fettigen langen blonden Haaren, der unheimlich viel lacht, ja, kichert, wenn er von der wilden alten Zeit erzählt. Und Jim Osterberg gibt ausführlich Auskunft die etwas andere Bildungsreise des Iggy Pop. Rock´n Roll, Gras, Heroin, Entzug, üble Manager. Und auch die Geburt des Stage Diving wird rekapituliert, das Iggy bei den Konzerten der Stooges" zur Kunstform entwickelte, die allerdings manchmal nach hinten losging.
    Iggy Pop: "Ja, es ging um den Kontakt. Hatten wir die Zuschauer am Ende des Gigs erreicht? Ich wusste es nicht. Und da war die Gruppe dicker Mädchen, die hatten sich direkt vor der Bühne auf den Rücken gelegt. Entspannung. Ich stand an der Bühnenkante, ahmte kleine Kinder nach, die die Aufmerksamkeit ihrer Eltern wollen. Ich dachte, wenn ich einfach vorwärts falle, werden sie mich auffangen. Aber sie wichen aus." Und so, der alte Herr kichert auch bei dieser Veteranen-Geschichte, so schlugen seine Schneidezähne durch die Lippe.
    "Nicht sonderlich originell"
    Nichts gegen Fan-Films. Die zu sehen, das ist ja immer ein bisschen so, als schaut man heimlich in das musikalische Poesiealbum von jemandem. Hat seinen Reiz, aber, das ist nun auch mal so bei Fan-Films: Sie geraten nicht selten lang. Das wie jetzt bei "Gimme Danger" mit seinen 98 Minuten. Und diese Kompilation des langen Interviews mit Iggy Pop, den Schnipseln mit den Aussagen von Gitarrist James Williamson und einigen anderen Zeitzeugen ist liebevoll, aber nicht sonderlich originell verwoben mit Konzertmitschnitten und einigen animierten Sequenzen. Nett, aber nicht ein künstlerisches Großprojekt.
    Das uns allerdings am Ende bei dem Zeitsprung ins Jahr 2003, als The Stooges wieder zusammen kamen, mit der verblüffenden Erkenntnis versorgt, dass auch ein damals 56 Jahre alter Herr eine Tempeltänzerinnen-Beweglichkeit mit seinem natürlich immer noch blanken Oberkörper an den Tag legt, die schlicht unglaublich ist. Und er sang dabei, der "Godfather of Punk", er sang damals - mit Verlaub - viel besser als in den 1960er und 70er Jahren der Stooges. Finde ich. Den Soundtrack zu Jim Jarmuschs Film "Gimme Danger" gibt´s natürlich auch. Mit dem wilden Punk-Zeug. Wie nannte Jim Jarmusch das am Anfang seines Films auf der Schrifttafel: "schmutzig". Ja, so klingt´s. Und authentisch, aber, keine Sorge, natürlich schon remastered.