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Igloofest in Montreal
Musik bei minus 30 Grad

Musikfestivals finden bei uns im Sommer statt, bei lauschigen Temperaturen steht man draußen und hört den Musikern zu. Das es ganz anders geht, zeigt das "Igloofest" in Montreal in Kanada. Bis zu Minus 30 Grad kann es da schon mal werden. Um warm zu bleiben, wird getanzt.

Von Dennis Kastrup | 19.01.2015
    Eine schneebedeckte Brücke über einen zugefrorenen Fluss im Winter in Montreal.
    Im Winter kann es in Montreal sehr kalt werden. Draußen wird trotzdem gefeiert: beim Iglufest. (Imago/Bluegreen Pictures)
    "In Montreal haben wir dieses lateinamerikanische Blut. Wir mögen es, zu feiern. Wenn man den Leuten also einen Grund zum Feiern gibt, dann gehen sie auch raus."
    Nicolas Cournoyer kennt seine Landsleute. Der Mittvierziger hat sein Leben lang in Quebec gelebt und weiß: Hier oben, nördlich der Vereinigten Staaten, sind die Winter kalt und lang. Bis in den April hinein kann das Thermometer weit unter Null Grad fallen. Das zerrt irgendwann an den Nerven. Vor ungefähr zehn Jahren hatte er dann zusammen mit Freunden eine Idee.
    "Zuerst dachten wir, dass es albern sei. Am Ende haben wir aber uns aber gefragt: 'Warum nicht? Warum sollten wir den Menschen hier im Winter keinen Grund geben, nicht zu meckern und Spaß zu haben?' Normalerweise bleiben doch alle nur zuhause und schauen sich Filme im Fernsehen an. Draußen passiert nicht so viel. Also wollten wir ihnen einen guten Grund geben, rauszugehen."
    Das "Igloofest" war geboren. Die Macher konnten dabei auf Erfahrungen zurückgreifen. Ihr elektronisches Sommer-Festival "Piknic Electronic" war bereits ein großer Erfolg. Doch Minusgrade bis zu 30 Grad bieten nun mal ein anderes Ambiente als Cocktails bei plus 30. In Montreal scheint das aber kein Problem zu sein. Das Publikum ist es gewohnt, sich mit dem Winter zu arrangieren.
    "Die Menschen verhalten sich einfach so wie Pinguine: Sie kommen sich näher, tanzen und wärmen sich."
    Gute Vorbereitung ist Pflicht
    Am vergangenen Freitag stampften sie also auf dem Weg zum Festival wieder durch den gefrorenen Schnee und standen dicht gedrängt vor der Hauptbühne im alten Hafen von Montreal. Der eiskalte Wind pfiff über die Köpfe hinweg. 10.000 Besucher fasst das Areal. Bei gefühlten Minus 30 Grad wäre der Abend ohne gute Vorbereitung schnell vorbei gewesen. Dicke Mützen, Jacken, Handschuhe, Schals und Stiefel sind ein Muss. Auch hier gilt aber wie bei den Sommerfestivals: Auffallen ist wichtig.
    "Ich versuche immer, verrückte Klamotten anzuziehen. Das ist aber nicht einfach, obwohl ich einen Skianzug habe."
    Das ist deshalb nicht so einfach, weil sehr viele Besucher alte, neonfarbene 70er- Jahre Ganzkörper-Skianzüge und -brillen tragen. Die Menschen in Hasen- und Bananenkostümen haben es da einfacher.
    Aber was ist mit den DJs aus aller Welt? Anfangs war es nicht einfach, sie vom Konzept zu überzeugen. Mittlerweile wissen aber auch sie die Einmaligkeit zu schätzen. Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen, wie Nicolas Cournoyer berichtet.
    "Manchmal redet das Management nicht mit den Künstlern und sagt ihnen nicht, wie der Winter in Montreal ist. Vor ein paar Jahren ist der englische DJ Lee Burridge in seinen Turnschuhen und mit dünner Jacke angekommen. Ich dachte: 'Nein!' Das war ein hartes Jahr mit mindestens Minus 20, 25 Grad. Wir haben ihm also Jacke und ordentliche Schuhe gekauft und ihm gesagt: 'Ja, es ist wirklich Winter hier!'"
    "Die Kälte scheint die Leute nicht abzuschrecken"
    DJ Jonny Marcano andererseits stammt aus Montreal. Er hat sein eigenes Label La Familia Records und ist die Umstände gewohnt.
    "Die Kälte scheint die Leute nicht abzuschrecken. Man sieht also, welche Kraft Musik besitzt. Ich benutze in dem Zusammenhang immer das Wort 'Liebe'. Das Festival macht deutlich, was Liebe und Zufriedenheit erreichen können. Wenn ich dieses Gefühl beim Auflegen erzeugen kann, in welcher Umgebung auch immer, dann vergisst man alles andere drumherum."
    Das Iglufest ist inzwischen eine feste Institution geworden und begeht im kommenden Jahr seine zehnte Ausgabe. Einen Monat lang wird jedes Wochenende draußen getanzt. Besser gesagt: Es muss getanzt werden, weil es eiskalt ist. Niemand steht still. Hüpfen, Reiben und Crowdsurfing auf gefrorenen Boden. Macht das Spaß? Ja, sehr sogar, solange man seine Füße und Hände spürt.
    "Selbst wenn es nicht warm ist, so ist es doch exotisch, weil Kälte auch exotisch sein kann. "